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Batterie im Blick, Schnäppchen im Kopf – der Guide zum Elektroauto-Gebrauchtkauf

War in Deutschland ein erfolgreicher Stromer: Die Renault Zoe - Bildnachweis: Renault

Die verborgenen Chancen und Risiken im zweiten Leben

Elektroautos auf dem Gebrauchtmarkt – dieser Begriff war bis vor wenigen Jahren beinahe ein Widerspruch. Heute jedoch drängen Tausende Stromer aus zurückgegebenen Leasingflotten, jungen Privatverträgen und steigender Neuauslieferung auf den Markt. Die Preise purzeln, die Auswahl wächst – doch die Unsicherheit bleibt: Ist ein gebrauchtes E-Auto wirklich eine solide Investition?

Volks-Stromer: Der Seat Mii electric – Bildnachweis: MOTORMOBILES

Die neue Vielfalt: Warum der Gebrauchtmarkt für Stromer boomt

Plötzlich kann man aus dem Vollen schöpfen: Modelle wie Renault Zoe, VW ID.3, Tesla Model 3 oder Hyundai Kona Elektro finden sich ebenso wie Exoten à la Jaguar I-Pace oder ältere Pioniere wie der Nissan Leaf. Das Angebot explodierte innerhalb von fünf Jahren, etwa von 12.000 auf über 85.000 Fahrzeuge im Handel. Leasingrückläufer, ausgelaufene Dienstwagenprogramme und die stetige technische Entwicklung haben den Markt extrem belebt. Besonders seit das Interesse an Neuwagen nach dem Auslaufen staatlicher Förderungen schwächelt, entdecken zahlreiche Käufer den Second-Hand-Stromer für sich.

Performant: Dreiphasiges AC-Laden beherrscht der Smart #1 Brabus bis zu 22 kW – Bildnachweis: MOTORMOBILES

Preisentwicklung: Günstiger Einstieg oder Ladenhüter?

Deshalb locken die Angebote mit moderaten Einstiegspreisen wie selten zuvor. Drei Jahre alte E-Autos erzielen 2025 im Schnitt nur noch etwa 51 Prozent ihres einstigen Listenpreises, während vergleichbare Benziner bei etwa 64 Prozent und Diesel bei rund 62 Prozent rangieren. Das bedeutet für Käufer: State-of-the-Art-Technik, darunter z. B. ein Tesla Model 3 für unter 25.000 Euro oder ein Renault Zoe für etwa 10.000 bis 13.000 Euro, rücken erstmals in erschwingliche Sphären.

Aber dieser Preissturz ist kein reiner Segen für Käufer. Wer heute günstig gebraucht kauft, erlebt vielleicht schon in zwei Jahren einen weiteren Wertverlust, weil neuere Modelle mit größeren Batterien, mehr Reichweite und neuen Features auf den Markt drängen. Gerade Einstiegsmodelle oder ältere Fahrzeuge der ersten Generation mit niedriger Akkukapazität wirken technisch schnell überholt und bieten oft nicht die Alltagstauglichkeit, die aktuelle Modelle liefern.

VW ID4 beim Laden an einer Ionity-Schnellladesäule – Bildnachweis: MOTORMOBILES

Herzstück Akku: Zustand und Restlebensdauer prüfen

Deshalb ist der State of Health (SoH) der Batterie das wichtigste Einzelkriterium. Hersteller und Prüforganisationen raten, immer ein aktuelles Batteriezertifikat beziehungsweise einen unabhängigen Diagnosetest anzufordern. Je nach Fahrzeugmodell können Fachwerkstätten oder spezialisierte Dienstleister wie TÜV, DEKRA, ADAC und auch App-Anbindung über Herstellerapps (z.B. Volkswagens We Connect ID.) exakte Daten liefern. Ein SoH von mindestens 80 Prozent gilt als gute Basis. Sinkt der Wert deutlich darunter, leidet nicht nur die Reichweite massiv, sondern der Austausch wird schnell zum wirtschaftlichen Totalschaden. Die Kosten für neue Akkupakete können beim Zoe bei etwa 7.000 Euro, beim Tesla Model 3 schnell über 12.000 Euro liegen – das sprengt rasch den Budgetrahmen eines Gebrauchtkaufs.

Nissan Leaf: AC-Laden mit Typ 2-Stecker ermöglicht eine Ladelesitung von 6,6 kW – Bildfnachweis: MOTORMOBILES

Eine Besonderheit: Mehrere Hersteller gewähren inzwischen Garantien von acht Jahren oder bis zu 160.000 Kilometern auf das Akkupaket. Diese Garantie ist beim Kauf zu prüfen – und sie sollte sich laut Papieren auf den aktuellen Besitzer übertragen lassen. Auch lohnt ein genauer Blick auf die bisherige Fahrweise: Viele Schnellladungen oder rabiates Fahrverhalten können die Akkualterung beschleunigen.

Frontlader: Das Elektroauto MG ZS EV beim Laden – Bildnachweis: MG

Typische Alltagsfragen: Reichweite, Laden, Ausstattung

Aber Reichweite bleibt ein kritischer Punkt, der über Freude und Frust entscheidet. Modelle ab Baujahr 2017 erreichen praxisnah oft zwischen 250 und 400 Kilometer im Alltagsbetrieb. Wer vor allem Kurzstrecken fährt, kommt auch mit älteren Fahrzeugen zurecht. Für regelmäßige Langstrecken empfiehlt sich explizit ein Modell mit CCS-Schnellladeanschluss und mindestens 50 kWh nutzbarer Batteriekapazität, zum Beispiel Tesla Model 3, Hyundai Kona oder VW ID.3.

Viele Erstkäufer unterschätzen die Bedeutung des passenden Ladeanschlusses. Frühere Steckertypen (z.B. Typ 1 oder CHAdeMO) sind zunehmend unpraktisch, da Europas Schnellladenetz fast komplett auf CCS ausgelegt ist. Deshalb gilt: Nur Modelle mit Standard-Kompatibilität und möglichst hoher Ladeleistung in Betracht ziehen. Achten Sie zudem auf Software-Updates für essentielle Komfortfunktionen wie Standheizung, Wärmepumpe oder Fahrerassistenzsysteme. Manche ältere Fahrzeuge unterstützen nicht alle neuen Features oder sind nicht mehr vollständig updatefähig.

Generation 1: Der vollelektrische Hyundai Kona Elektro mit 64 kWh-Batterie und 204 PS im Einzeltest – Bildnachweis: Laura Fleischhacker / Redakltion MOTORMOBILES

Wartung & Verschleiß: Der Service-Check

Deshalb überzeugt ein Vorteil weiter: Die Wartungskosten für reine Stromer liegen durch den fehlenden Ölwechsel, die kaum beanspruchte Abgasanlage und das fehlende Getriebe meist deutlich unter Verbrenner-Niveau. Trotzdem braucht selbst ein E-Auto Kontrolle: Bremsen neigen zu Flugrost, wenn die Rekuperation allzu häufig genutzt wird und die mechanischen Bremsen kaum noch gefordert sind. Unterschätzen Sie auch nicht den Status der Bordelektronik, Software und Kabel: Defekte Ladegeräte oder veraltete Software können teuer werden.

Der Polestar 2 (MJ 2022) kann in fahrdynamischer Hinsicht überzeugen – Bildnachweis: MOTORMOBILES

Besonders bei beliebten Modellen ist die Nachfrage entsprechend groß, typischerweise um die Rückläufer aus dem Dienstwageneinsatz und die stark nachgefragten Volumenmodelle, die zwischen 60.000 und 90.000 Kilometer auf dem Tacho haben. Bei diesen Fahrzeugen ist die Wartungshistorie ein Muss. Lassen Sie sich Serviceheft, Reparaturrechnungen sowie den letzten Batteriebericht zeigen und kontrollieren Sie gezielt alle Ladeanschlüsse.

Förderungen, THG-Prämie und Steuerbefreiung 2025: Was bleibt übrig?

Die staatlichen Kaufprämien für gebrauchte E-Fahrzeuge laufen 2025 nahezu aus. Die THG-Quote jedoch bleibt strukturgebend: Pro Jahr können Halter aktuell zwischen 180 und 300 Euro für eingespartes CO₂ erhalten. Die Kfz-Steuerbefreiung bis zu zehn Jahre ab Erstzulassung überträgt sich in den meisten Fällen auf den Gebrauchtkäufer – allerdings nur bis längstens 2030. Regionale Förderungen für private Wallboxen haben ebenfalls stark nachgelassen – prüfen Sie am Wohnort, ob noch ein begrenzter Zuschuss möglich ist.

Kritische Abwägungen: Restwert und Marktentwicklung

Aber trotz fallender Preise: Die technische Entwicklung läuft weiter rasant. Es besteht also das Risiko, dass ältere Modelle noch einmal kräftig im Wert sinken, sobald neue Batterietypen oder Ladeinnovationen den Markt dominieren. Das betrifft vor allem Fahrzeuge der ersten Generation, also rund bis Baujahr 2016. Moderne Modelle (ab 2017) hingegen werden nach Markteinschätzung vieler Experten bereits als recht preisstabil angesehen, da die Kinderkrankheiten ausgeräumt sind und die Reichweiten für die meisten Anforderungen genügen.

Auch Händlerangebote sind nicht per se besser. Wer beim Händler kauft, erhält meist eine zusätzliche Gebrauchtwagengarantie – darunter können aber auch teils sehr hoch kalkulierte Preise und wenig Transparenz leiden. Private Offerten bieten oft günstige Basispreise, bergen aber das Risiko fehlerhafter Dokumentation und keinen Anspruch auf Nachbesserung.

Auch auf dem Gebrauchtwagenmarkt beliebt: VW ID3 – Bildnachweis: Laura Fleischhacker / MOTORMOBILES

Auswahl 2025: Die meistgehandelten und empfehlenswerten Modelle

Besonders gesucht und empfehlenswert zeigen sich bei den aktuellen Handelsplattformen Fahrzeuge ab Baujahr 2017 mit CCS-Standard und Langzeitgarantie. Modelle wie der Hyundai Ioniq, VW ID.3, Tesla Model 3, Nissan Leaf (ab zweiter Generation) oder Renault Zoe überzeugen in puncto Alltag, Reichweite und Wirtschaftlichkeit. Für Stadtfahrer können der BMW i3 oder der e-up! aufgrund ihrer Zuverlässigkeit und Wartungsarmut ideal sein. Für Langstrecken eignen sich Model 3 von Tesla, Skoda Enyaq oder auch der Audi e-tron.

Mit 408 PS starkem Elektro-Allrad: Der Volvo XC40 Recharge Pure Electric Twin Power des MJ 2022 – Bildnachweis MOTORMOBILES

Aber Vorsicht: Prüfen Sie neben klassischen Kriterien unbedingt, ob Software-Updates weiter möglich sind und ob die Konnektivität (Apps, Fernsteuerung, Navigationsaktualisierungen) auf aktuellem Stand ist. Es ist keine Seltenheit, dass besonders günstige Angebote aus dem Ausland importiert und technisch nicht mehr vollständig updatefähig sind.

ToDos beim Kauf gebrauchter Elektroautos in Deutschland 2025

Vor dem Kauf eines gebrauchten Elektroautos lohnt sich eine genaue Prüfung der individuellen Ansprüche. Zudem stehen die Alltagstauglichkeit und der technische Zustand im Mittelpunkt.

Der wichtigste Schritt ist ein aktueller Zustandstest der Batterie zur SoH (State of Health), am besten durch einen zertifizierten Dienstleister wie TÜV, Dekra oder den ADAC. Die Wartungshistorie sollte lückenlos dokumentiert und vom Verkäufer belegt werden, am Besten mit Rechnungen und Serviceheft. Zusätzlich sollte vor Vertragsabschluss geklärt werden, ob und wie lange noch eine Restgarantie auf die Hochvolt-Batterie besteht, und ob eventuelle Batterieschäden oder Reparaturen vermerkt sind. Bei der Probefahrt ist die reale Reichweite zu testen und die Funktion aller Lade-, Brems- und Komfortsysteme zu überprüfen. Die Karosserie, Reifen und das Ladezubehör sind persönlich zu begutachten, Mängel sind schriftlich festzuhalten. Es empfiehlt sich nach Möglichkeit ein unabhängiger SoH-Testbericht, um die Kapazität des Akkus zu sichern. Abschließend sollte geprüft werden, ob das Fahrzeug die gewünschte Schnellladefähigkeit und aktuelle Software-Ausstattung bietet. Erst dann kann der Kaufvertrag guten Gewissens geschlossen werden.

Persönliche Einschätzung: Mut zur eigenen Kontrolle

Deshalb bleibt eines klar: Der Einstieg ins gebrauchte Elektroauto kann das Portemonnaie schonen und das Fahrgefühl nachhaltig revolutionieren, aber verlangt die Bereitschaft zu eigener Recherche, kritischer Prüfung und präsentem Zweifel. Wer sich nicht nur auf Händlerangaben verlässt, sondern die Batterie überprüft, Ladeinfrastruktur am Wohnort evaluiert und sich aktiv mit Updates, Garantien und Wartungshistorie beschäftigt, wird das Abenteuer selten bereuen. Aber das Restrisiko bleibt – wie bei jeder Innovation. Insbesondere der Akku ist und bleibt das Zünglein an der Waage, an dem sich letztlich Sicherheit und Wert eines gebrauchten E-Autos entscheiden.

Große Chancen, aber prüfender Blick bleibt Pflicht

Gebrauchte Elektroautos sind 2025 so vielfältig, günstig und fortschrittlich wie nie – doch sie fordern weiterhin ein kritisches und informiertes Kaufverhalten. Eignen Sie sich Wissen an, nutzen Sie spezifische Apps oder neutrale Prüfberichte, prüfen Sie die Wartungsgeschichte und setzen Sie auf Fahrzeuge ab der zweiten Modellgeneration. So wird das nachhaltige Mobil erleben tatsächlich zum Erfolg – mit realistischer Erwartung und ein wenig Pioniergeist.