
Winner: Es ist das erste Mal, dass eine chinesische Automobilmarke die World Car Awards gewinnt - Bildnachweis: BYD
Vom Weltpreis zur Wirklichkeit: Warum es so schwer ist einen günstiges E-Auto im Kleinwagensegment zu bauen
Mit dem Titel „World Urban Car 2025“ hat sich der BYD Dolphin Mini – bald unter dem Namen Dolphin Surf auch auf deutschen Straßen unterwegs – medienwirksam ins Rampenlicht geschoben. Die Auszeichnung wurde im Rahmen der renommierten World Car Awards auf der New York International Auto Show verliehen. Es ist das erste Mal, dass ein chinesischer Hersteller diese Kategorie für sich entscheiden konnte. Doch was genau macht den Erfolg dieses urbanen Stromers aus, und kann er auch auf dem europäischen Markt bestehen?

Hinter dem Erfolg steht eine Mischung aus kompakten Abmessungen, einem überschaubaren Preis und einem vollständig elektrischen Antriebskonzept, das auf Alltagstauglichkeit statt auf Prestige abzielt. BYD selbst sieht im Dolphin Mini den Prototyp eines globalen Stadtautos – erschwinglich, sicher und praktisch. Diese Selbsteinschätzung darf man durchaus kritisch hinterfragen, denn bei genauer Betrachtung zeigt sich ein differenzierteres Bild.
Kompakt gebaut für den Stadtverkehr
Der BYD Dolphin Surf basiert auf der speziell entwickelten „e-Platform 3.0“, die BYD konzernweit für vollelektrische Fahrzeuge nutzt. Mit einer Länge von rund 3,78 Metern bleibt das Modell deutlich unter der Kompaktwagenklasse und positioniert sich klar im Segment der urbanen Kleinfahrzeuge. Sein Format ist auf enge Straßen, kurze Distanzen und einen sparsamen Umgang mit Raum ausgelegt.
Das Design folgt der sogenannten „Ocean Aesthetics“-Philosophie, die weich gezeichnete Linien und eine leicht verspielte, organische Formsprache bevorzugt. Objektiv betrachtet liefert das Modell damit ein gefälliges, wenn auch nicht polarisierendes Erscheinungsbild. Im Innenraum gibt es trotz kompakter Abmessungen ein durchdachtes Raumangebot, das durch den flachen Akkuboden ermöglicht wird. Besonders im vorderen Bereich überzeugt der Dolphin Surf mit gut nutzbarem Platz. Hinten wird es für Erwachsene jedoch eng.
Technik und Batterie: mehr Zweck als Show
Angetrieben wird der Dolphin Surf von einem Elektromotor an der Vorderachse mit 55 kW (75 PS) Leistung, der für innerstädtische Einsätze und moderate Überlandfahrten ausreicht. Das maximale Drehmoment liegt bei 135 Newtonmetern. Damit beschleunigt der Kleinstwagen in etwa 12,3 Sekunden auf Tempo 100 – keine sportlichen Werte, aber dem Einsatzzweck angemessen. Die Höchstgeschwindigkeit liegt bei 130 km/h und markiert klar die urbane Ausrichtung des Modells.
Die Energie liefert eine 30,7-kWh-Batterie, die laut Hersteller eine WLTP-Reichweite von rund 310 Kilometern ermöglichen soll. Realistisch dürfte sich dieser Wert im Stadtverkehr durchaus annähern lassen. Auf der Autobahn und bei kühler Witterung sinkt die Reichweite jedoch deutlich – eine Beobachtung, die für nahezu alle Elektrofahrzeuge dieser Klasse gilt.
Ein technisches Alleinstellungsmerkmal ist die von BYD selbst entwickelte „Blade Battery“, eine Lithium-Eisenphosphat-Batterie, die als besonders langlebig und sicher gilt. Schnellladen ist mit maximal 40 kW möglich – was im Vergleich zur Konkurrenz im Einstiegssegment noch akzeptabel, aber nicht mehr zeitgemäß ist. Die Ladezeit von 30 auf 80 Prozent wird mit etwa 30 Minuten angegeben, an einer Wallbox dauert eine Vollladung rund vier Stunden.
Serienausstattung, Assistenzsysteme und Sicherheitsniveau
Trotz des günstigen Einstiegspreises spart BYD nicht an serienmäßiger Ausstattung. Klimaanlage, digitales Cockpit, ein zentrales Touchdisplay mit 12,8 Zoll Bildschirmdiagonale, Rückfahrkamera sowie diverse Assistenzsysteme wie Notbrems- und Spurverlassenswarner sind serienmäßig an Bord. Auch eine Wärmepumpe gehört in Europa zur Grundausstattung – ein Detail, das sich im Winterbetrieb positiv auf die Reichweite auswirkt.
Im Bereich der passiven Sicherheit verweist BYD auf umfangreiche Tests und strukturelle Verstärkungen der Karosserie. Offizielle Crashtest-Ergebnisse nach Euro-NCAP liegen zum jetzigen Zeitpunkt allerdings noch nicht vor. In China ist der Dolphin bereits erfolgreich im Markt etabliert und gilt dort als robustes Fahrzeug mit hohem Sicherheitsniveau für sein Segment.
Preise und Varianten in Deutschland
Zur Markteinführung in Europa wird der Dolphin Mini unter dem Namen Dolphin Surf angeboten. In Deutschland soll das Modell in zwei Ausstattungslinien starten. Die exakten Preise sind von BYD zum Redaktionsschluss noch nicht final bestätigt worden, doch erste Händlerlisten und Marktbeobachtungen lassen auf folgende Struktur schließen:
Dolphin Surf Active: ab ca. 19.990 Euro, inklusive 30,7-kWh-Batterie, 55-kW-Motor, Klimaanlage, LED-Scheinwerfer, Touchscreen, digitalem Cockpit, CCS-Ladeanschluss, Wärmepumpe
Dolphin Surf Boost: ab ca. 21.990 Euro, mit erweiterter Ausstattung, unter anderem größeren Rädern, besserer Innenraumaustattung und zusätzlicher Assistenzfunktionen
Förderungen durch Umweltbonus oder Herstellerprämien sind derzeit ungewiss, da viele staatliche Subventionen im Bereich E-Mobilität zum Jahreswechsel ausgelaufen oder reduziert wurden. Das Preis-Leistungs-Verhältnis bleibt dennoch im Vergleich zu europäischen Stadtautos wie dem Dacia Spring oder dem Fiat 500e konkurrenzfähig.
Einordnung im Wettbewerbsumfeld
Mit dem Dolphin Surf tritt BYD in ein Segment ein, das bisher von wenigen, oft technisch älteren Modellen dominiert wird. Während der Dacia Spring mit seiner Einfachheit punktet und der Fiat 500e stark auf Design und Image setzt, verfolgt BYD einen Mittelweg aus moderner Technik, umfangreicher Ausstattung und aggressiver Preisgestaltung. Technisch zeigt sich der Dolphin Surf ausgereift und pragmatisch, mit einem klaren Fokus auf Alltagstauglichkeit.
Ein Nachteil bleibt die langsame DC-Ladegeschwindigkeit, die im Vergleich zu Wettbewerbern wie dem Renault Twingo E-Tech oder dem Mini Cooper SE hinterherhinkt. Auch die noch unklare Servicetiefe und Werkstattabdeckung in Deutschland ist ein Aspekt, den potenzielle Käufer bedenken sollten – hier ist BYD derzeit noch im Aufbau seines Händler- und Service-Netzwerks.
Vielversprechender Einstieg, aber mit Grenzen
Mit dem Dolphin Surf liefert BYD ein solides Angebot für den urbanen Alltag. Die Auszeichnung zum World Urban Car 2025 mag medienwirksam sein, doch entscheidend ist die Alltagstauglichkeit auf europäischen Straßen. Hier punktet das Modell mit fairen Preisen, moderner Technik und hoher Effizienz – allerdings ohne sportliche Ambitionen oder High-End-Ansprüche. Für alle, die ein günstiges, elektrisches Stadtauto mit praxisgerechter Ausstattung suchen, stellt der Dolphin Surf eine interesante Alternative dar.
Wer allerdings längere Strecken, schnelle Ladezeiten oder großzügigen Raum sucht, sollte sich in einer anderen Fahrzeugklasse umsehen. Der Dolphin bleibt ein Stadtauto – aber eines mit Potenzial.
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