Bildnachweis: Dacia / Renault / He&Me / ADDITIVE
Der kleine Umdenker
Niemand hätte vor zwanzig Jahren geglaubt, dass ein dreimeterlanges Elektroauto ernsthaft als alltagstaugliche Lösung für Millionen Menschen gelten könnte. Doch in einer Zeit, in der Fahrzeuge selbst im Kleinwagensegment größer, schwerer und teurer werden, setzt Dacia mit dem Hipster Concept auf radikale Reduktion – nicht aus technischer Beschränkung, sondern aus Überzeugung. Das Konzept soll als praktischer Begleiter für alltägliche Strecken dienen und dabei einen Bruch mit der kostentreibenden Eskalation der Fahrzeugdimensionen markieren.

Elektromobilität neu gedacht – wie Dacia mit dem Hipster Concept gegen den Trend fährt
Deshalb wirkt der Hipster Concept im Marktumfeld fast wie ein Gegenentwurf zu den dominierenden Trends. Während Hersteller wie VW mit ID.2 und Renault mit dem künftigen R5 auf Retrodesign und kräftige Leistung setzen, fokussiert sich Dacia auf das absolute Minimum, das für urbane Mobilität nötig ist: eine kompakte Karosserie, effiziente Antriebe und ein Preisniveau, das deutlich unter den üblichen Angeboten in Europa liegen könnte. Brancheninsider erwarten, dass ein Serienfahrzeug auf Basis des Hipster Concept zwischen 12.000 und 16.000 Euro kosten könnte – deutlich weniger als der aktuell günstigste Elektro-Serienwagen, der Dacia Spring, der hierzulande ab etwa 16.000 Euro angeboten wird.
Aber auch technisch ist der Ansatz interessant. Vermutlich würde ein Serienmodell auf einer stark abgespeckten Adaption der Renault-Nissan-CMF-A-Plattform basieren, wie sie auch beim Spring und beim Renault City K‑ZE eingesetzt wird. Das würde den Vorteil bringen, auf bewährte Batterietechnologie zurückgreifen zu können. Experten rechnen mit einer Akkukapazität zwischen 20 und 25 Kilowattstunden – genug für eine realistische Reichweite von rund 180 Kilometern im WLTP‑Zyklus. Das entspricht in etwa den täglichen Mobilitätsbedürfnissen der meisten deutschen Autofahrer.Statistisch werden hierzulande weniger als 40 Kilometer pro Tag zurückgelegt.
Deshalb ist die Zielgruppe klar umrissen: Stadtbewohner, Pendler über kurze Distanzen, Senioren sowie Haushalte, die das Auto als Zweitwagen einsetzen wollen. In Märkten wie Frankreich oder Rumänien, wo Dacia traditionell stark ist, könnten solche Konzepte einen erheblichen Anteil an den Zulassungen gewinnen. Für Deutschland stellt sich jedoch die Frage, ob der Kompromiss aus Reichweite, Komfort und Sicherheitsausstattung die Käufer überzeugt. Denn während der preisliche Vorteil eindeutig wäre, bleibt abzuwarten, ob ein auf das Nötigste reduziertes Fahrzeug die Erwartungen an einen vollwertigen PKW erfüllt – zumal Konkurrenten wie der Citroën Ami oder der Fiat Topolino bewusst in eine Nische kleinerer Leichtfahrzeuge gehen und dort keine Zulassung als reguläres Auto benötigen.

Der Hipster Concept erhebt den Anspruch, im gesamten Lebenszyklus einen halb so großen CO₂‑Fußabdruck zu hinterlassen wie marktführende Elektrofahrzeuge ähnlicher Größe. Möglich wird das durch konsequente Gewichtsreduktion: mit Verzicht auf Überhänge, schlichte Karosserieformen, recycelte Materialien wie „Starkle“ für den Seitenschutz und ein Interieur, das ohne überflüssige Materialien auskommt. Trotzdem bleibt der Raumkomfort im Fokus. Vertikale Fenster, ein verglaster Dachbereich und eine vordere Sitzbank schaffen ein luftiges Gefühl, das im Kontrast zur sehr kompakten Außenlänge steht.

Aber hier liegt auch der kritische Punkt: Bei einer Serienversion müsste Dacia in der EU zusätzliche Systeme zur passiven Sicherheit implementieren. Zwar verfügt das Konzept über zwei Airbags, doch der Gesetzgeber sieht ab 2030 weitere Assistenzsysteme wie automatischen Notbremsassistenten und Spurhaltewarner verpflichtend vor. Diese könnten das Fahrzeug im Gewicht und Preis nach oben treiben – ein Balanceakt zwischen Kostenvorteil und gesetzlicher Sicherheit.
Das Design bleibt bewusst minimalistisch und funktional. Ein außenliegender Türriemen statt klassischem Griff, nur drei lackierte Karosserieteile und hinter Glas liegende Heckleuchten tragen dazu bei, Herstellung und Instandhaltung günstig zu halten. Gleichzeitig bleibt die Formensprache so reduziert, dass sie leicht wiedererkennbar ist – ein Merkmal vieler ikonischer Fahrzeuge in der Automobilgeschichte.
Für den deutschen Markt dürfte entscheidend sein, ob Dacia eine Serienversion mit schneller Ladefähigkeit anbieten kann. Der Spring lädt aktuell mit maximal 30 kW Gleichstrom, was im Alltag akzeptabel ist, aber im Segment wachsender Anforderungen an Ladegeschwindigkeit zunehmend kritisch gesehen wird. Würde der Hipster Concept ähnliche Werte bieten, wäre er vor allem für das Laden zu Hause oder in der Stadt an AC‑Ladepunkten optimiert, nicht für Langstrecken.
Deshalb handelt es sich beim Hipster Concept vor allem um ein Statement: Elektromobilität muss nicht zwangsläufig mit teurer Technologie, großen Batterien und opulentem Interieur einhergehen. Sie kann schlicht, günstig und zweckmäßig sein – vor allem dort, wo der tägliche Mobilitätsbedarf bescheiden ist. Ob dieser Ansatz in Deutschland durchsetzbar ist, hängt vom Mut der Käufer ab, gewohnte Komforterwartungen gegen klare ökonomische Vorteile einzutauschen.

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