Selbst wenn rechtzeitig gebremst wird, wird oft nicht stark genug gebremst
Jeder Autofahrer kennt die Situation: Auf der Autobahn herrscht Feierabendverkehr, alles drängt sich dicht an dicht mit dem Ziel, möglichst schnell zu Hause anzukommen. Jede Lücke wird genutzt, um etwas mehr Geschwindigkeit aufzunehmen, der Sicherheitsabstand schrumpft und schrumpft. Und dann leuchten plötzlich die Bremslichter vor einem auf …
Damit es zu solchen Situationen nicht kommt, regelt § 4 Abs. 1 StVO den Sicherheitsabstand, allerdings macht er keine konkrete Angabe. Im Gesetzestext heißt es lediglich, dass der Abstand zum Vordermann so groß sein muss, dass man im Falle einer Bremsung rechtzeitig zum Stehen kommt. Der einzuhaltende Abstand ist demnach von der Fahrgeschwindigkeit, der Beschaffenheit der Fahrbahn und den Witterungsverhältnissen abhängig.
Wie groß ist der Mindestabstand?
Eine gängige Faustformel besagt, dass innerhalb geschlossener Ortschaften ein Sicherheitsabstand eingehalten werden sollte, der der in einer Sekunde zurückgelegten Strecke entspricht (bei Tempo 50 also 15 Meter oder drei Pkw-Längen). Außerhalb geschlossener Ortschaften vergrößert sich der Sicherheitsabstand auf die halbierte Geschwindigkeit in Metern, bei Tempo 100 also 50 Meter. Beim Mindestabstand handelt es sich aber um einen absoluten Minimalabstand, der entsprechend vergrößert werden muss, wenn etwa Straßen- und Sichtverhältnisse schlecht sind. Im Ernstfall benötigt man nämlich nicht nur die Zeit, die Gefahr zu erkennen, sondern auch entsprechend zu reagieren. Diese Reaktionszeit beträgt etwa eine Sekunde: eine Sekunde, in der der Wagen mit unverminderter Geschwindigkeit auf ein Hindernis zufährt. Bei Tempo 100 legt er also rund 30 Meter zurück, bevor der Bremsvorgang überhaupt begonnen hat. Selbst wenn man während der Fahrt den Sicherheitsabstand einhält, kann es zu gefährlichen Situationen kommen. Wird man z. B. durch ein plötzlich auftretendes Hindernis am Straßenrand abgelenkt, realisiert man oft zu spät, dass der Abstand zum Vordermann zu gering geworden ist und kann möglicherweise nicht mehr rechtzeitig eingreifen.
So hilft der Notbremsassistent
Was tut nun der Notbremsassistent? Er misst den Abstand zu Vordermann unter Berücksichtigung der aktuellen Fahrtgeschwindigkeit, warnt frühzeitig, wenn er sich verringert, und verschafft dem Fahrer so wertvolle Zeit zu reagieren. Wenn es zur Bremsung kommt, unterstützt er den Fahrer, indem er die Bremsung verstärkt, sofern das Bremspedal nicht richtig durchgetreten wird. Und bleibt eine Bremsung aus, führt der Notbremsassistent sie komplett eigenständig durch. Fachleute gehen davon aus, dass Notbrems-Assistenzsysteme bei flächendeckender Ausstattung je nach Funktionsumfang 20 – 40 % der Pkw- zu Pkw-Unfälle mit Personenschäden positiv beeinflussen oder verhindern. Manche Notbremsassistenten sind darüber hinaus noch mit einem Insassenschutz verbunden: Ist ein Aufprall unvermeidbar, ziehen sich automatisch die Gurte fest, Sitze und Kopfstützen werden in die richtige Position gebracht. Aus der Verantwortung entlässt der Notbremsassistent den Fahrer allerdings nicht: Er wurde für Gefahrensituationen entwickelt, nicht dazu, den Fahrer aus der Verantwortung zu entlassen. Demnach sollte es tunlichst unterlassen werden, seine Funktionstätigkeit „aus Spaß“ auszuprobieren.
Vollbremsung: Härtetest für Wagen und Insassen
Es kommt auf das richtige Bremsen an und das ist leichter gesagt als getan. Im normalen Straßenverkehr treten wir eher sanft auf die Bremse, denn es besteht ja normalerweise kein Anlass mit voller Kraft in die Eisen zu gehen. Wir haben zu Recht Hemmungen, das Bremspedal fest durchzutreten, denn es handelt sich dabei um einen echten Gewaltakt: Das schwere Fahrzeug wird binnen kürzester Zeit zum Stillstand gebracht, die sich dabei entfaltenden Kräfte wirken nicht nur auf das Auto selbst, sondern auch auf die Passagiere, die dabei nur durch die Sicherheitsgurte in ihren Sitzen gehalten werden. Doch gerade diese fehlende Erfahrung erweist sich in kritischen Situationen oft als Problem: Selbst wenn rechtzeitig gebremst wird, wird oft nicht stark genug gebremst – oder aber so hart, dass die Räder blockieren und die Kontrolle über den Wagen verloren geht. Der Wagen kommt nicht rechtzeitig zum Stehen, die Kollision kann nicht vermieden werden, selbst wenn der Sicherheitsabstand eigentlich groß genug war. Viele der Auffahrunfälle könnten durch kürzere Reaktionszeiten oder richtige Bremsungen vermieden werden. Beides kann man lernen.
Richtig bremsen lernen
Experten empfehlen genau aus diesem Grund, an sogenannten Fahrsicherheitstrainings teilzunehmen. In diesen Trainings erlernen Autofahrer unter Anleitung zum Beispiel, wie man sich verhält, wenn das eigene Fahrzeug auf nasser Fahrbahn ins Schleudern gerät, aber auch, wie man eine richtige Vollbremsung durchführt. Sich dies anzueignen, ist jedem Autofahrer anzuraten, der regelmäßig und viel unterwegs ist. Allein schon, um sein Fahrzeug besser kennenzulernen, denn jedes verhält sich ein bisschen anders. Ob man einen Wagen mit oder ohne ABS fährt, spielt ebenfalls eine Rolle für das richtige Bremsen. Was für den einen Wagen gut ist, führt beim anderen zum Blockieren der Reifen, das man auf jeden Fall vermeiden sollte. Ein Notbremsassistent hilft zwar bei der Vollbremsung, ersetzt aber nicht die eigene Fahrkompetenz.
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