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E-Überlandbusse brauchen Ladepunkte – Daimler nimmt den Ausbau jetzt selbst in die Hand – Köln macht den Anfang

Daimler Buses startet den Ausbau öffentlicher Ladesäulen - Bildnachweis: Daimer Buses

 

Daimler Buses steigt in den öffentlichen Ladenetzausbau ein

Es wirkt beinahe paradox: Während Elektroautos inzwischen in vielen Städten unkompliziert nachgeladen werden können, stehen Reise- und Überlandbusse in Europa meist vor einem infrastrukturellen Vakuum. Gerade dort, wo die klimafreundliche Technik auf Anhieb den größten Effekt hätte – etwa beim Transport großer Menschengruppen über mittlere Distanzen – fehlt es an leistungsfähigen Ladepunkten. Genau hier setzt Daimler Buses nun an und will zum ersten Mal den Schritt gehen, selbst öffentliche Schnellladesäulen aufzustellen. Was zunächst klingt wie ein mutiger Vorstoß in einen bislang weitgehend unerschlossenen Markt, ist zugleich ein Signal, dass der Wandel im Busverkehr nicht länger allein auf die politischen Leitplanken warten kann.

Der Einstieg am touristischen Brennpunkt

Ab 2026 entstehen zuerst in Köln vier neue Schnellladesäulen, die mit bis zu 400 Kilowatt Leistung speziell für Überland- und Reisebusse ausgelegt sind. Platz finden sie am Busparkplatz am Kuhweg in zentraler Lage nahe des Rheinufers. Dort steuern täglich unzählige Touristengruppen ihr Ziel an, weshalb der Standort als Pilotprojekt mit Signalwirkung gilt. Während Elektro-Linienbusse seit Jahren zunehmend in den innerstädtischen Verkehr integriert werden, blieb der überregionale Reiseverkehr bislang ein Problemfall. Mit dem geplanten Ladeangebot will Daimler Buses nun erreichen, dass nicht nur die eigenen Fahrzeuge, sondern auch Busse anderer Hersteller binnen kurzer Zeit wieder startklar sind. Genau das ist ungewöhnlich, denn bisher tritt kein anderer europäischer Bushersteller auf mit der Ambition, direkt auch als Ladesäulenbetreiber in Erscheinung zu treten.

Die Verknüpfung mit der Produktstrategie

Die Ladesäulen-Initiative läuft zeitlich eng verzahnt mit der Markteinführung des Mercedes-Benz eIntouro. Dieser batterieelektrische Überlandbus wird auf der Busworld in Brüssel erstmals in Serienform vorgestellt. Er soll mit Lithium-Eisenphosphat-Batterien Reichweiten bis zu 500 Kilometern schaffen, wobei dieser Wert stark von Wetter, Fahrprofil und Ausstattung abhängt. Deshalb gilt intern die Einschätzung, dass realistisch eher geringere Reichweiten erreicht werden. Dass Daimler Buses dennoch Vertrauen in sein Konzept setzt, liegt gerade an den Ladeplänen. Nur wenn Fahrer im Tourismus- und Überlandgeschäft verlässlich unterwegs Strom tanken können, macht ein solches Fahrzeug im Betrieb wirtschaftlich Sinn.

Der Blick auf die Infrastruktur-Lücke

Zwar besteht mit Milence bereits ein Joint Venture von Daimler Truck, Traton und Volvo, das öffentliche Ladeparks für schwere Nutzfahrzeuge an Autobahnen und Hauptverkehrsstraßen aufbauen soll. Doch dieses Angebot ist auf den Fernverkehr von Lkw zugeschnitten. Busse benötigen dagegen ganz andere Standorte, nämlich dort, wo Fahrgäste aus- und einsteigen oder Fahrten planmäßig enden. Dass Daimler Buses mit einem eigenen Tochterunternehmen, Daimler Buses Solutions, jetzt am touristischen Brennpunkt ansetzt, ist folgerichtig. Das Unternehmen übernimmt Planung, Finanzierung, Betrieb und Wartung der Säulen. Refinanzieren soll sich das Ganze über den verkauften Strom. Damit wird Daimler selbst gewissermaßen vom Bushersteller zum Infrastrukturanbieter, eine Rolle, die bisher eher Energieunternehmen beanspruchten.

Ökonomische und politische Dimension

Aber die Idee hat auch eine Kehrseite. Kritiker werden fragen, ob es Aufgabe von Herstellern sein kann, öffentliche Infrastruktur vorzuhalten. Schließlich ist gerade in Deutschland der Aufbau des Ladenetzes staatlich gefördert, wenn auch bisher mit Fokus auf Pkw und Güterverkehr. Im Busbereich dagegen tut sich die öffentliche Hand schwer. Während Städte mit Unterstützung von Förderprogrammen bereits E-Linienbusflotten betreiben, bleiben Reisebusse weitgehend außen vor. Für Betreiber heißt das, dass die wirtschaftliche Umstellung auf Elektroantrieb nur schwer kalkulierbar ist. Kein Wunder also, dass Daimler Buses hier die Initiative ergreift, aber mit der Erwartung, dass die öffentliche Hand mittel- bis langfristig nachzieht.

Eine Branche im Umbruch

Deshalb ist das Kölner Pilotprojekt mehr als ein singuläres Vorhaben. Es ist ein Testfeld für die Frage, ob sich E-Busse auch im touristischen Segment nachhaltig durchsetzen können. Würde das Modell Schule machen, könnten in Städten mit hoher Besucherdichte bald weitere Ladepunkte entstehen, etwa an Standorten wie München, Hamburg oder Berlin. Zugleich wird die Branche genau hinschauen, ob der Ansatz tragfähig ist, ohne dass Daimler am Ende auf den Kosten für Bau und Betrieb sitzen bleibt. Langfristig geht es nicht nur um den einzelnen eIntouro, sondern darum, ob der Markt für elektrische Reise- und Überlandbusse überhaupt eine echte Chance hat.

Wettbewerb und Perspektive

In Europa positionieren sich Hersteller bislang unterschiedlich. Während Daimler auf Batterien und mittelfristig Brennstoffzellen setzt, halten andere Akteure wie BYD oder Solaris ebenfalls an Batterieantrieben für Fernbusse fest. Die Marktentwicklung bleibt unklar, solange Reichweiten und Ladeangebote nicht im Gleichschritt wachsen. Erst wenn Busunternehmen sicher sein können, überregional ohne Einschränkungen unterwegs zu sein, lässt sich die Frage beantworten, ob sich die Technik im harten Alltag bewährt. Deshalb wirkt der Schritt von Daimler Buses auch als Botschaft an die Wettbewerber:  Man will nicht länger warten, sondern das Tempo selbst bestimmen.

Die öffentliche Ladeoffensive von Daimler Buses ist ein wichtiges Signal und zugleich ein Risiko. Denn es bleibt offen, ob andere Hersteller diesem Weg folgen oder ob der Aufbau von Ladeinfrastruktur künftig doch in den Händen von Energiekonzernen und Kommunen liegen wird.  Für Touristenstädte wie Köln ist der Schritt aber ein Gewinn, weil er zeigt, dass klimafreundlicher Busverkehr nicht länger ein fernes Zukunftsprojekt bleiben muss. Entscheidend wird sein, ob sich der Ansatz wirtschaftlich trägt, und ob es gelingt, parallel das Busangebot mit attraktiven, verläßlichen Fahrzeugen auszubauen. Dass Daimler die Wende nicht allein ausruft, sondern sie in Teilen jetzt auch eigenhändig gestaltet, verschiebt jedenfalls die Gewichte in einer Branche, die in den kommenden Jahren von Grund auf neu gedacht wird.