PHEV beim Laden - Bildnachweis: MOTORMOBILES
Studie entlarvt PHEV-Versprechen: Sauber auf dem Papier, schmutzig auf der Straße
Plug-in-Hybride galten lange als Brückentechnologie zwischen Verbrenner und vollelektrischem Auto. Sie sollten lange Strecken ohne Ladepausen ermöglichen und gleichzeitig in der Stadt lokal emissionsfrei fahren können. Neue Zahlen der Europäischen Umweltagentur, die von der Organisation Transport & Environment (T&E) ausgewertet wurden, werfen jedoch ein kritisches Licht auf die tatsächliche Klimabilanz dieser Fahrzeuge und stellen große Teile der bisherigen Argumentation der Autoindustrie infrage.

Daten werden von der Organisation Transport & Environment (T&E) ausgewertet
Nach den nun veröffentlichten Daten stoßen Plug-in-Hybridfahrzeuge im realen Alltagsbetrieb durchschnittlich 139 Gramm CO2 pro Kilometer aus. In den offiziellen Typprüfungen, auf deren Grundlage staatliche und regulatorische Entscheidungen getroffen werden, liegt der Wert nur bei 28 Gramm. Die Abweichung beträgt damit nahezu das Fünffache. Besonders gravierend ist, daß dieser Abstand seit Jahren besteht und sich trotz technischer Fortschritte bislang nicht geschlossen hat. Damit vertieft sich die Kluft zwischen der Darstellung der Hersteller und den Ergebnissen unabhängiger Messungen.
Die Rolle von PHEVs im europäischen Markt
Der europäische Automarkt wird derzeit stark von Diskussionen über Antriebsalternativen geprägt. Plug-in-Hybride machen nach aktuellen Zahlen rund 8,6 Prozent der Neuzulassungen in der Europäischen Union aus. Hersteller haben großes Interesse daran, diese Fahrzeuge auch über das für 2035 geplante Verbrenner-Aus hinaus im Markt zu halten. Sie verweisen darauf, dass PHEVs die Brücke in eine emissionsfreie Zukunft bilden und Kunden einen sanften Umstieg erleichtern.
In Deutschland nehmen PHEVs ebenfalls eine besondere Rolle ein. Zwischenzeitlich wurden sie sogar durch Förderprämien finanziell stark unterstützt, bevor die Bundesregierung die Kaufanreize Ende 2022 strich. Seitdem ist die Nachfrage zurückgegangen, doch Unternehmen und Flottenbetreiber setzen weiterhin auf diese Modelle, nicht zuletzt aufgrund steuerlicher Vorteile beim Dienstwagen. Der Widerspruch zwischen offiziellen Prüfnormen und realen Emissionen wirkt vor diesem Hintergrund besonders brisant.
Unterschiede zwischen Testbedingungen und Alltagsrealität
Die Ursachen der Diskrepanz liegen vor allem im Fahrprofil. Bei Normtests werden PHEVs mit vollgeladener Batterie und idealen Bedingungen geprüft, wodurch der Verbrennungsmotor nur sehr wenig zum Einsatz kommt. In der Praxis hingegen nutzen viele Fahrer die elektrischen Reichweiten, die häufig zwischen 40 und 70 Kilometern betragen, nicht konsequent aus. Sie laden ihre Fahrzeuge seltener, wodurch der Verbrennungsmotor deutlich öfter läuft als in den Testzyklen angenommen. Zusätzlich erhöht das durch Akku und Technik bedingte Mehrgewicht häufig den Treibstoffverbrauch.
Die aktuellen Daten basieren auf über 127.000 Fahrzeugen, die im Jahr 2023 zugelassen und mit Kraftstoffverbrauchsmessgeräten überwacht wurden. Das macht die Datengrundlage weitaus aussagekräftiger als Einzeltests. Die Ergebnisse bestätigen frühere Untersuchungen, die bereits gezeigt hatten, dass PHEVs im Dienstwageneinsatz oder bei langen Pendelstrecken fast ausschließlich mit Verbrenner unterwegs sind.
Politischer Kontext und industriepolitische Interessen
Für die Autohersteller sind die offiziellen niedrigen Emissionswerte von PHEVs ein wichtiger Faktor, um die CO2-Flottengrenzwerte der EU einzuhalten. Solange die Fahrzeuge auf dem Papier mit 28 Gramm CO2 pro Kilometer eingerechnet werden, können sie strategisch eingesetzt werden, um Strafzahlungen zu vermeiden. Mit den von der EU-Kommission beschlossenen Nutzungsfaktoren für 2025 und 2027 soll diese Lücke schrittweise verkleinert werden, indem realistischere Werte angesetzt werden. Genau gegen diese Pläne wehrt sich jedoch die Automobilindustrie.
Denn mit strengeren Faktoren stünde die Branche unter Druck, stärker in batterieelektrische Modelle zu investieren oder den Absatz von PHEVs zurückzufahren. Lobbyverbände fordern deshalb, auf die Anpassungen zu verzichten. Kritiker befürchten, dass dies lediglich dazu führt, dass Investitionen in Elektromobilität weiter hinausgezögert werden. Umweltverbände wie T&E sehen darin eine Gefahr für die Einhaltung der europäischen Klimaziele.
Bewertung für den deutschen Markt
Deutschland könnte bei dieser Debatte erneut eine Schlüsselfunktion einnehmen. Mit traditionellen Premiumherstellern, die ein großes Angebot an PHEVs im Programm haben, ist der Druck hoch, die bestehende Regulierung nicht zu verschärfen. Fahrzeuge wie der Mercedes GLC, der BMW X5 oder der VW Passat werden auch in Deutschland in hohen Stückzahlen als Plug-in-Version verkauft. Preislich beginnen die meisten PHEV-Modelle inzwischen oberhalb von 45.000 Euro, viele Oberklasseausführungen liegen deutlich über 70.000 Euro. Dadurch sind sie primär im Flotten- und Geschäftswagenbereich verbreitet.
Für Privatkunden ist neben dem hohen Anschaffungspreis auch die Alltagstauglichkeit entscheidend. Zwar verspricht der Normverbrauch Werte um zwei Liter auf 100 Kilometer, doch unabhängig von europaweiten Tests berichten Fahrer häufig von realen Verbrauchswerten zwischen sechs und neun Litern. Damit schwindet der vermeintliche Kostenvorteil, während die steuerliche Entlastung weiterhin nur ausgewählten Gruppen zugutekommt.
Ausblick
Die Frage, welche Rolle PHEVs langfristig in Europa spielen können, wird intensiv diskutiert. Während die Industrie die Verlängerung der Übergangsphase fordert, mehren sich die Stimmen, die ein baldiges Ende der Subventionierung und eine klare Fokussierung auf vollelektrische Modelle anmahnen. Absehbar ist, dass die EU-Kommission bei ihren Gesprächen mit der Branche und Umweltverbänden an den beschlossenen Korrekturfaktoren festhalten wird.
Für Verbraucher wie für Hersteller bleibt damit eine Unsicherheit bestehen. Plug-in-Hybride, die einst als kluger Kompromiss galten, könnten schon bald zwischen die Fronten geraten. Ob sie tatsächlich einen dauerhaften Platz im Markt haben oder lediglich als Übergangsphänomen in die Automobilgeschichte eingehen, wird in den nächsten Jahren entschieden.

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