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Google rüstet auf: Mehr Apps, mehr Bildschirm, mehr Auto

Android Apps im Polestar 3 - Bildnachweis: MOTORMOBILES

  

Android Automotive: Google bringt Bewegung ins große Display

Der Wandel im Automobilbereich verläuft rasant – und längst geht es nicht mehr nur um Elektromobilität und Reichweiten. Auch die Digitalisierung des Fahrerlebnisses spielt eine zunehmend zentrale Rolle. Google, ohnehin einer der führenden Tech-Giganten im Bereich mobiler Software, baut sein Engagement in der Fahrzeugbranche weiter aus. Mit Android Automotive OS – einer auf Android basierenden, direkt im Auto installierten Betriebssystemvariante – etabliert der Konzern ein Ökosystem, das nicht nur Navigations- und Infotainmentfunktionen übernimmt, sondern nun auch gezielt für große Fahrzeugdisplays optimiert wird. Die jüngsten Entwicklungen zeigen, wohin die Reise geht: hin zu einem vollwertigen App-Erlebnis im Auto – nicht nur für Fahrer, sondern auch für Mitfahrende.

Neue Nutzererfahrung auf großen Displays

Im Rahmen der Entwicklerkonferenz Google I/O hat das Unternehmen angekündigt, die Kompatibilität seines App-Katalogs für Android Automotive deutlich auszuweiten. Konkret bedeutet das: Die Anzahl der Apps, die speziell für große Fahrzeugdisplays optimiert werden, soll in absehbarer Zeit auf mehrere Tausend steigen. Damit reagiert Google auf einen klaren Trend: Fahrzeugdisplays werden nicht nur größer, sondern auch hochauflösender und interaktiver. Immer mehr Hersteller setzen auf zentrale Bildschirme mit Diagonalen jenseits der 15-Zoll-Marke – ein Format, das sich geradezu anbietet für umfassendere App-Erlebnisse.

Die technische Basis bildet dabei Android 14 in der Version „Google built-in“ – also mit nativer Google-Integration. Fahrzeuge, die mit diesem Betriebssystem ausgestattet sind, können künftig Apps aus dem Play Store laden, die explizit für die Nutzung im Auto angepasst wurden. Eine neue Funktion erlaubt es zudem, das Seitenverhältnis einzelner Apps anzupassen. Nutzer können wählen, ob eine App im klassischen Fensterformat oder im Vollbildmodus dargestellt werden soll. Ein Feature, das in ähnlicher Form bereits mit Android 14 QPR1 auf Smartphones eingeführt wurde.

Volvo als Vorreiter und Testplattform

Wie schon bei der Einführung neuer Android-Funktionen im Automobilbereich spielt Volvo auch diesmal wieder eine Vorreiterrolle. Der schwedische Hersteller, seit Jahren einer der engsten Partner Googles im Automotive-Segment, wird als erster Anbieter den erweiterten App-Katalog in seinen Fahrzeugen integrieren. Der neue Volvo EX90 – ein vollelektrisches SUV im Premiumsegment – dient Google dabei als primäre Testplattform für die Weiterentwicklung von Android Automotive.

Die Partnerschaft geht über den reinen Softwareeinsatz hinaus. Google nutzt Fahrzeuge wie den EX90 nicht nur zur Erprobung neuer Bedienoberflächen, sondern auch zur Validierung der Performance von Apps unter realen Bedingungen. Gleichzeitig profitieren Volvo-Kunden davon, dass sie frühzeitigen Zugriff auf neue Funktionen erhalten – etwa auf den Google-Sprachassistenten Gemini, der in naher Zukunft auch in Fahrzeugen zum Einsatz kommen soll.

Der Unterschied zu Android Auto

Wichtig ist dabei die Unterscheidung zwischen Android Auto und Android Automotive OS. Während Android Auto eine Smartphone-basierte Lösung ist, die Inhalte vom Handy auf das Fahrzeugdisplay spiegelt, handelt es sich bei Android Automotive um ein vollwertiges, im Fahrzeug integriertes Betriebssystem. Es läuft unabhängig vom Smartphone und übernimmt zentrale Funktionen wie Navigation, Medienwiedergabe, Sprachsteuerung und inzwischen auch Fahrzeugfunktionen wie Klimaregelung oder Ladeeinstellungen bei E-Autos. Für Fahrzeughersteller bietet Android Automotive die Möglichkeit, eigene Benutzeroberflächen zu entwickeln, ohne auf die Funktionalität und Aktualisierbarkeit eines etablierten Betriebssystems verzichten zu müssen.

Perspektiven für andere Hersteller

Neben Volvo zählen unter anderem Polestar, Renault, General Motors und Honda zu den Marken, die bereits auf Android Automotive setzen oder einen Einstieg planen. Für viele Hersteller bietet die Plattform eine kosteneffiziente Alternative zur Entwicklung eigener Betriebssysteme – zumal Google durch kontinuierliche Updates eine langfristige Pflege und Weiterentwicklung sicherstellt. Kritiker hingegen bemängeln die zunehmende Abhängigkeit von US-amerikanischen Tech-Konzernen und stellen die Frage nach Datenschutz und Datensouveränität. Zwar betont Google, dass die Fahrzeugdaten ausschließlich auf Wunsch des Nutzers mit der Cloud synchronisiert werden, doch bleibt die Transparenz über Art und Umfang der gesammelten Informationen ein kontroverses Thema.

Noch kein Allheilmittel

So positiv die Entwicklungen aus technologischer Sicht zu bewerten sind, so bleibt doch festzuhalten: Noch steht Android Automotive in vielen Bereichen am Anfang. Der App-Katalog wächst, ist aber nach wie vor überschaubar. Viele Apps, die auf Smartphones längst Standard sind – etwa für Messaging, Office oder Streaming – fehlen im Fahrzeugbetrieb aufgrund regulatorischer Einschränkungen oder technischer Anforderungen. Auch die Integration von Drittanbietern, etwa Spotify oder YouTube, erfolgt schrittweise und ist stark von Sicherheitsfreigaben abhängig. Für Google bedeutet das: Geduld und Überzeugungsarbeit sind gefragt – bei Herstellern, Entwicklern und Kunden gleichermaßen.

Chancen mit Einschränkungen

Mit der angekündigten Erweiterung des App-Katalogs setzt Google ein starkes Signal in Richtung Nutzerkomfort und Individualisierung. Das Auto wird zunehmend zur digitalen Plattform, auf der Inhalte und Funktionen ebenso flexibel genutzt werden können wie auf dem Smartphone. Gleichzeitig zeigt die Entwicklung aber auch, wie komplex die Anforderungen an ein solches System im Automobilbereich sind – von der Displayoptimierung über die Bedienlogik bis hin zur rechtlichen Freigabe von Inhalten.

Die nächsten Monate werden zeigen, wie schnell sich das neue App-Ökosystem etabliert und ob weitere Hersteller bereit sind, sich dem Google-System anzuschließen. Der Nutzer könnte am Ende profitieren – sofern Datenschutz, Bedienbarkeit und App-Vielfalt in Einklang gebracht werden.