Der GWM Wey 05 2.0 Premium PHEV AWD mit 150 km E-Reichweite - Bildnachweis: MOTORMOBILES
Zukunftspläne und Produktstrategie neu definiert
Das, was den deutschen Automarkt im Oktober 2025 überrascht, kommt nicht etwa aus Bayern oder Niedersachsen, sondern aus Baoding in China: Great Wall Motor (GWM), einer der größten chinesischen Autohersteller, legt sich strategisch fest und fährt eine neue, entschlossene Expansionswelle Richtung Europa.
Diversifizierte Produktpalette
Wer in den letzten Monaten eine Probefahrt mit einem GWM Wey oder Ora in Deutschland wagte, stieß vor allem auf eine spürbare Preissensibilität, viel technische Ausstattung und die immer wiederkehrende Frage, wie groß das Vertrauen in chinesische Automobile wirklich ist. Mit der Modelloffensive ab Herbst 2025 und einem für Europa ausdifferenzierten Portfolio sollen die Zweifel schwinden. Oder bleibt Skepsis angebracht? Genau das gilt es zu beleuchten.

Strategische Neuausrichtung und Ausbau der Präsenz in Europa ab 2026
Deshalb setzt GWM mit der Expansion und einer strategischen Neuausrichtung ab 2026 auf ein klar erkennbares Zielbild: Die Marke will in Deutschland und den angrenzenden DACH-Märkten substanziell wachsen, verteilt die neuen Modelle aber auch auf weitere europäische Märkte. Im Mittelpunkt steht ein diversifiziertes Angebot, das von schicken Stromern bis zu komfortablen Plug-in-Hybriden reicht und an die sehr unterschiedlichen Ansprüche der Zielgruppen angepasst wird – ob urban, ländlich, familiär oder business-orientiert. Dabei bleibt die Premium-Positionierung der Wey-Linie bestehen, während mit Haval eine vergleichsweise preiswerte SUV-Serie für das Volumensegment debutiert.

Aber der Hersteller balanciert die Spannung zwischen Tradition – 35 Jahre Produktionserfahrung und technologischem Pioniergeist – und dem Drang, als Trendsetter wahrgenommen zu werden. Ein echter Wendepunkt ergibt sich aus der Erkenntnis, dass der deutsche Markt 2024 und 2025 massiven Zuwächsen von asiatischen Herstellern und gleichzeitig schrumpfenden Neuzulassungen im Elektrosegment verzeichnete. Wer als Hersteller hier bestehen möchte, muss seine Strategie reflektieren und das Produktportfolio den lokalen Bedürfnissen anpassen. GWM reagiert auf diesen Trend mit mehreren Varianten je Modell: Benziner, Vollhybride, Plug-in-Hybride und rein batterieelektrische Fahrzeuge sind künftig Teil der Produktpalette.

Modellvielfalt und Preise für Deutschland: Kampfansage oder Kompromiss?
Aber welche Modelle werden konkret für Deutschland relevant? Den Auftakt markiert der Wey 05, ein knapp fünf Meter langes Luxus-SUV, das mit 476 PS, Allradantrieb und einer bemerkenswerten rein elektrischen Reichweite von rund 158 Kilometern als Plug-in-Hybrid wirbt. Der Preis beginnt in der sparsamen Premium-Ausstattung bei etwa 53.500 Euro und kann in der Luxury-Version mit allen Extras knapp 64.000 Euro erreichen. Wer auf ein top ausgestattetes Modell setzt, bleibt damit immer noch deutlich unterhalb der aufgerufenen Summen von Vergleichsmodellen wie dem BMW X5 PHEV oder Mercedes GLE Plug-in, die oft über 90.000 Euro kosten.
Deshalb schafft GWM für die Wey 05 auch einen neuen Preiskorridor und widerlegt die Klischees vom Billig-Image chinesischer Autos durch hochwertige Innenausstattung, umfangreiche Serienfeatures und eine deutlich längere Garantiezeit als die vieler deutscher Hersteller. Der Kofferraum bewegt sich im Druchschnitt dieser Klasse. In puncto Anhängelast und Zuladung gibt allerdings die Konkurrenz nach wie vor den Takt vor. Auch die Typklasseneinstufung für die Versicherung ist noch suboptimal und könnte potenzielle Kunden abschrecken.
Im SUV-Volumensegment startete GWM den Haval international als Hybrid- und Plug-in-Hybrid-Variante. Für Deutschland sind drei Varianten geplant: Benziner, Vollhybrid und Plug-in-Hybrid. Preise und Details zum H6 als Hauptmodell werden voraussichtlich unterhalb der Wey-Preislinie liegen, aber für den deutschen Markt gmacht der Hersteller bisher keine genaueren Angaben. Der Haval H6 mit bis zu 328 PS als PHEV und moderner Ausstattung dürfte bei vielen Kunden durchaus auf Neugier treffen.
Ora, die auf Elektromobilität ausgelegte Submarke, konkurriert mit dem Ora 03 schon heute aggressiv gegen europäische Bestseller wie den VW ID.3. Nach mehreren Preissenkungen und Promotions liegen die Listenpreise derzeit zwischen 28.990 Euro für das Basismodell und 37.490 Euro für die Topvarianten. Eine fünfjährige Garantie und eine hohe Software-Ausstattung sind klare Argumente – dennoch bleibt zu beobachten, wie die Servicezufriedenheit und Langzeitqualität sich entwickeln.

Vertriebsstruktur und lokale Herausforderungen
Deshalb bleibt die größte Herausforderung für GWM in Deutschland die optimale Ausgestaltung des Händlernetzes. Die Modelle werden in Deutschland über die erfahrene Emil Frey Gruppe und rund 50 Vertragspartner vertrieben, wobei der Ausbau auf mindestens 100 Standorte geplant ist. Seit seinem Markteintritt in Europa im Jahr 2022 arbeitet GWM erfolgreich mit unabhängigen Händlern und Händlergruppen zusammen, die den Markt vor Ort bestens kennen. Im Jahr 2023 und in der ersten Hälfte des Jahres 2024 erzielte GWM das zweitbeste Ergebnis bei den Neuzulassungen unter allen neuen chinesischen Automarken in Deutschland. Dieses bewährte Vertriebsmodell wird das Unternehmen auch künftig fortführen und gezielt ausbauen. Die bestehenden Kooperationen mit Vertriebspartnern bleiben dabei unverändert bestehen. „Echte Zusammenarbeit muss auf Transparenz, Verständnis und Vertrauen basieren“, betont Parker Shi, Präsident von GWM International. „Genau das verstehen wir bei GWM unter Langfristigkeit. Sie bildet die Grundlage für eine starke Automobilmarke und ein nachhaltiges Geschäftsmodell für alle Partner in Europa.“
Einen besonderen Wendepunkt markiert die Situation mit den EU-Strafzöllen auf chinesische Fahrzeuge. Stand Oktober 2025 wird der Markt aktuell mit Lagerbeständen bedient, sodass die Preise stabil bleiben. Mittelfristig arbeitet GWM gemeinsam mit Händlern und Importeuren an Lösungen, um etwaige Preisschocks und Lieferprobleme abzufedern. Das zeigt auch die kritische Reflexion der eigenen Strategie: Die Lust auf Elektroautos bleibt in Deutschland verhalten, daher wird bei den Neuheiten gezielt auf Hybridantriebe und preiskonkurrenzfähige Verbrenner gesetzt.
Forschungsinvestitionen und Kooperationen – Innovation mit Fragezeichen
Deshalb hebt GWM immer wieder seine Investitionen in Forschung und Entwicklung hervor. Mit einem offensiven Fünf-Jahres-Plan soll in Schlüsseltechnologien wie 5G, Autopilot und batterieelektrische Antriebssysteme investiert werden. Kooperationen mit BMW, Bosch, Continental, Webasto und ZF werden als Beleg der Seriosität und Innovationskraft präsentiert. Trotzdem bleibt die Skepsis bestehen, wie viel reale Marktrelevanz aus diesen großspurigen Ankündigungen erwächst. Der Rückzug der Europazentrale in München und die Steuerung des Geschäfts aus China zeigen: Die Marke muss weiter beweisen, dass sie mehr kann als große Pläne schmieden.
Marktbedeutung und Ausblick für die DACH-Region und Europa
Es ist das Ziel, den Absatz 2025 deutlich zu steigern und die eigene Position auszubauen. In Österreich und der Schweiz ist der Markteintritt ins Stocken geraten und Expansionen wurden jüngst eingefroren, nicht zuletzt aufgrund der schwierigen Marktbedingungen und regulatorischen Unsicherheiten rund um Zölle und Zulassungsverfahren.
Europaweit profitiert GWM vor allem in Märkten mit geringerer Marktreife und schwächerer Konkurrenz. In Märkten wie Frankreich, Spanien oder Großbritannien sind Preis und Ausstattung ausschlaggebender als Markenbindung. Dennoch bleibt das Profil der Marke in weiten Teilen Europas noch diffus, und die Frage im Raum, ob günstige Preise und viel Ausstattung allein ausreichen, um bei anspruchsvollen europäischen Käufern Vertrauen und Prestige aufzubauen.

Ähnliche Berichte
Italo-SUV mit Feinschliff: Das kostet das Facelift des Alfa Romeo Tonale
Wenn Bezahlen an der Ladesäule so einfach wird wie Tanken: Chargecloud setzt auf Payter
Honda entwickelt einen V6-Hybridmotor für den US-Markt