
Neuer Player im leichten Nutzfahrzeugsegment der Vans und Lieferwagen: Kia PV5 - Bildnachweis: Kia
Kia steigt ins Nutzfahrzeuggeschäft ein: Mit Strom in die Lieferzukunft
Mit dem PV5 betritt Kia ein neues Terrain. Die traditionsreiche Pkw-Marke aus Korea wendet sich erstmals dem Segment der leichten Nutzfahrzeuge zu und geht dabei einen eigenen Weg: Statt bestehende Architekturen einfach umzubauen, setzt der Hersteller auf eine neu entwickelte Elektroplattform, die unter dem Begriff „Platform Beyond Vehicle“ (PBV) firmiert. Das Debütmodell dieser Strategie, der PV5, markiert mehr als nur die Erweiterung des Produktportfolios – er steht für einen konzeptionellen Neuanfang. Denn Kia verbindet den Fahrzeugstart mit einem ganzheitlichen Ökosystem aus Software-, Lade- und Flottenlösungen, das besonders Gewerbekunden adressieren soll.

Erste Modellvariante: Der PV5 Cargo L2H1
Als Erstling der PV5-Reihe kommt nun der PV5 Cargo in der Langversion mit Standarddach (L2H1) auf den Markt. Mit einer Außenlänge von knapp 4,70 Metern (4.695 mm) reiht er sich im Segment der kompakten Kastenwagen ein und zielt damit direkt auf Wettbewerber wie den Opel Vivaro-e, den Renault Kangoo Rapid E-Tech oder den VW ID. Buzz Cargo – allerdings mit eigenständigem Konzept. Der Laderaum des PV5 Cargo bietet ein Volumen von 4,4 Kubikmetern und eignet sich damit für typische Anforderungen kleiner und mittlerer Unternehmen oder kommunaler Dienstleister.

Der PV5 Cargo wird mit drei Batteriegrößen angeboten. Zum Bestellstart ist die mittlere 51,5 kWh-Variante verfügbar, mit einer WLTP-Reichweite von bis zu 367 Kilometern. Eine größere 71,2-kWh-Version mit bis zu 397 Kilometern Reichweite folgt ebenso wie ein Einstiegsmodell mit 43,3 kWh. Die Ladezeit liegt laut Hersteller bei idealen Bedingungen bei nur 30 Minuten für die Schnellladung von 10 auf 80 Prozent – ein für den gewerblichen Alltag entscheidender Wert. Die Leistung des Elektromotors beträgt 120 kW (163 PS), das Drehmoment liegt bei 250 Nm. Das erlaubt ordetliche Fahrleistungen, vor allem im urbanen Lieferverkehr.

Preise und Varianten im Detail
Für die mittlere Batterieausstattung (51,5 kWh) beträgt der Netto-Listenpreis des PV5 Cargo L2H1 32.932,77 Euro, also rund 39.190 Euro brutto. Weitere Preisstufen für die kleinere 43,3-kWh-Version oder das 71,2-kWh-Modell sind noch nicht veröffentlicht, dürften sich aber im gewohnten Rahmen vergleichbarer Modelle bewegen. Auch eine kürzere Variante (L1H1) sowie ein Hochdach-Modell (L2H2) sind bereits angekündigt, letztere für den deutschen Markt ab Ende 2025. Die kurze Version folgt Anfang 2026. Ein genauer Preisrahmen für diese Varianten liegt zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht vor.

Vertriebskonzept: Neue Wege bei der Kundenansprache
Während Pkw-Varianten wie der geplante PV5 Passenger über das bestehende Händlernetz verkauft werden, baut Kia für den Vertrieb des Cargo-Modells ein separates Netzwerk spezialisierter Nutzfahrzeughändler auf. Diese Entscheidung folgt einem klaren Muster: Anders als Privatkunden benötigen Gewerbekunden häufig spezifische Beratung zur Integration von Ladeinfrastruktur, Flottenmanagement oder branchenspezifischen Auf- und Umbauten. Hier verspricht sich Kia Vorteile durch einen fokussierten Vertriebskanal, der gezielt auf diese Anforderungen eingeht.
Mehr als nur ein Transporter: Das PBV-Konzept
Kia positioniert den PV5 nicht einfach als Elektrotransporter, sondern als Teil einer modularen, skalierbaren Produktfamilie. Grundlage dafür ist eine sogenannte „Skateboard-Plattform“, bei der Fahrwerk und Antriebstechnik als flache Basiseinheit ausgelegt sind. Darauf aufbauend lassen sich verschiedene Aufbauten und Nutzungen realisieren. Diese technische Architektur erlaubt nicht nur eine Vielzahl an Karosserievarianten, sondern auch eine hohe Flexibilität bei der Innenraumgestaltung und zukünftigen Modellpflege. Gerade in der Nutzfahrzeugwelt, in der Anpassbarkeit und Skalierbarkeit geschätzt werden, kann dies zum Wettbewerbsvorteil werden – vorausgesetzt, die technische Umsetzung hält, was die Konzeptskizzen versprechen.
Zum Konzept gehört auch ein umfassendes Software- und Serviceangebot, etwa Flottensteuerung in Echtzeit, Lade- und Abrechnungslösungen oder Telematikfunktionen. Diese sind bislang im klassischen Transportersegment meist nur über Drittanbieter realisierbar. Ob Kia hier ein durchgängig funktionierendes System mit entsprechender Datensicherheit und Kompatibilität auf die Beine stellt, bleibt abzuwarten.
Wettbewerb und Marktchancen
Mit dem Einstieg ins leichte Nutzfahrzeuggeschäft betritt Kia einen hart umkämpften Markt, der sich aktuell im Umbruch befindet. Der politische Druck zur Elektrifizierung des Lieferverkehrs wächst, insbesondere in urbanen Zonen mit Umweltauflagen. Gleichzeitig sind gewerbliche Kunden preissensibel und fordern ein Höchstmaß an Zuverlässigkeit. Marken wie Mercedes, Ford, Stellantis und Renault sind hier seit Jahrzehnten etabliert – mit breitem Angebot, erprobter Technik und gewachsenen Vertriebsstrukturen. Kias Vorteil könnte in der konsequenten Neuentwicklung und Systemintegration liegen, verbunden mit dem inzwischen etablierten Ruf für solide E-Antriebe, etwa aus dem EV6 oder EV9.
Gleichzeitig steht Kia vor der Herausforderung, Vertrauen bei einer neuen Zielgruppe aufzubauen. Denn im Nutzfahrzeugbereich zählt nicht nur der erste Eindruck, sondern vor allem der langfristige Betrieb unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten – von der Restwertstabilität über Serviceverfügbarkeit bis zu Total Cost of Ownership. Ob das neue Händlernetz dies leisten kann, wird sich im Alltag zeigen müssen.
Ein interessante Sortimentserweiterung mit vielen Fragezeichen
Mit dem PV5 unternimmt Kia den konsequenten Schritt vom Pkw-Hersteller hin zum Anbieter umfassender Mobilitätslösungen. Die technische Basis wirkt vielversprechend, das modulare Plattformkonzept ist zeitgemäß, und das Preisniveau scheint konkurrenzfähig kalkuliert. Doch wie marktreif die Lösung wirklich ist, werden erste Praxistests zeigen müssen. Solange kann VWN vermutlich noch entspannt bleiben. Das Produkt allein ist nicht massgeblich. Mindestens genauso wichtig sind Servicequalität, digitale Infrastruktur und langfristige Wirtschaftlichkeit. Erst dann wird sich zeigen, ob der PV5 auch im harten Alltag der Realität von Handwerksbetrieben, Lieferdiensten und kommunalen Flotten bestehen kann. Kia setzt hier viel auf eine Vision, die ambitioniert klingt – nun wird der Kia seine volle Alltagstauglichkeit beweisen müssen.
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