
Das Energieunternehmen EnBW und der Immobilienverwalter GSL arbeiten beim Ausbau der Schnellladeinfrastruktur in Deutschland zusammen - Bildnachweis: EnBW
Laden beim Einkaufen
Einkaufen und gleichzeitig das E-Auto mit Reichweite für die ganze Woche versorgen – was wie eine Zukunftsvision klingt, nimmt durch die neue Partnerschaft von EnBW und GSL konkrete Formen an. Das Energieunternehmen aus Baden-Württemberg und der Immobilienverwalter aus München bündeln ihre Kräfte, um bundesweit Schnellladestationen an Handelsimmobilien zu errichten. Die Kooperation bringt Strom dorthin, wo viele Menschen ohnehin regelmäßig parken: vor Supermärkten, Einkaufszentren und Discountern.
Die erste Anlage dieser Art wurde kürzlich in Röthenbach an der Pegnitz eröffnet – direkt auf dem Parkplatz eines Fachmarktzentrums. Dort stehen ab sofort acht Schnellladepunkte mit einer Leistung von jeweils bis zu 300 Kilowatt zur Verfügung. EnBW spricht davon, dass manche Fahrzeuge in 20 Minuten bis zu 400 Kilometer Reichweite laden können. Diese Zahl ist unter Idealbedingungen zwar realistisch, hängt aber stark vom Ladestand, Fahrzeugmodell und der Batterietechnologie ab.
Hochleistung beim Laden – aber auch hohe Anforderungen
Die Schnellladesäulen vor Supermärkten sind vor allem für Menschen interessant, die keine Lademöglichkeit zuhause oder am Arbeitsplatz haben. Die Ladeleistung von bis zu 300 Kilowatt entspricht dem oberen technischen Standard für DC-Ladestationen und ermöglicht es – etwa bei Fahrzeugen mit 800-Volt-Architektur wie dem Porsche Taycan oder dem Hyundai Ioniq 5 – innerhalb weniger Minuten eine signifikante Energiemenge nachzuladen. Für Fahrzeuge mit 400-Volt-Technik, wie sie in der Kompakt- und Mittelklasse häufig anzutreffen ist, reduzieren sich die Ladegeschwindigkeiten entsprechend.
Auch wenn der konkrete Standort in Röthenbach nur ein erster Schritt ist, ist die Dimension des Projekts deutlich größer: Insgesamt sollen zunächst elf Immobilien aus dem Bestand der GSL Asset Management GmbH mit EnBW-Ladepunkten ausgestattet werden. Die Wahl fällt dabei vor allem auf Märkte des Lebensmitteleinzelhandels, was die Verfügbarkeit im Alltag erhöht. Mit dieser Strategie folgt EnBW einem wachsenden Trend: Ladeinfrastruktur dort anzubieten, wo Nutzer ohnehin verweilen.
Kritischer Blick auf Ausbauziele und Marktrealität
Laut EnBW sollen bis zum Jahr 2030 rund 20.000 eigene Schnellladepunkte entstehen – das entspricht einem Anteil von etwa 17 Prozent an den von der Bundesregierung geschätzten 120.000 nötigen Ladepunkten für eine flächendeckende Versorgung. EnBW betreibt bereits heute nach eigenen Angaben mehr als 7.000 Schnellladepunkte und unterhält mit dem sogenannten HyperNetz ein europaweites Ladenetz mit mehr als 800.000 Ladepunkten in Partnerschaft mit anderen Anbietern.
Allerdings zeigen aktuelle Studien und Marktanalysen, dass nicht nur die Zahl der Ladepunkte, sondern vor allem deren Nutzbarkeit entscheidend ist. Faktoren wie defekte Ladesäulen, unklare Preismodelle oder mangelnde Zugänglichkeit ohne App sorgen regelmäßig für Frust bei E-Autofahrern. Die Integration ins HyperNetz soll laut EnBW über die hauseigene App erfolgen – inklusive transparentem Preis je Kilowattstunde und optionalem Plug&Charge. Dennoch bleibt offen, wie gut die Verfügbarkeit auch unter hoher Auslastung gewährleistet werden kann.
Handelsstandorte als Knotenpunkte der Verkehrswende?
Die Idee, Handelsimmobilien als Lade-Hotspots zu etablieren, ist nicht neu. Bereits heute kooperieren andere Anbieter wie Ionity, Aral pulse oder Fastned mit Supermarktketten, Tankstellen oder Parkhausbetreibern. EnBW positioniert sich in diesem Feld durch eigene Investitionen sowie durch Partnerschaften wie die mit GSL. Der Vorteil liegt auf der Hand: Handelsunternehmen profitieren von der längeren Verweildauer der Kunden, die während des Ladevorgangs einkaufen, während E-Autofahrer ihre Alltagsroutine nicht unterbrechen müssen.
Allerdings ist die Umsetzung nicht ohne Hürden. Gewerbliche Flächen in Innenstädten und Ballungsräumen sind oft baulich oder genehmigungsrechtlich schwierig zu erschließen. Zudem stellt sich die Frage nach der Auslastung der Schnelllader im ländlichen Raum, wenn dort nur wenige Fahrzeuge gleichzeitig laden.
Infrastruktur ja – aber nicht um jeden Preis
Mit Blick auf die langfristige Wirtschaftlichkeit solcher Projekte wird entscheidend sein, ob sich Investitionen in Ladepunkte auch ohne Fördergelder tragen lassen. EnBW selbst plant, bis 2030 rund 40 Milliarden Euro zu investieren – der Großteil davon in Deutschland und zu über 80 Prozent in erneuerbare Energien, Wasserstoffinfrastruktur und E-Mobilität. Diese ambitionierte Summe unterstreicht den strategischen Wandel des Unternehmens hin zu einem umfassenden Infrastrukturbetreiber, der sich vom klassischen Energieversorger absetzt.
Dennoch muss man nüchtern feststellen: Solche Projekte sind nur ein Baustein der Verkehrswende. Der tatsächliche Beitrag zur Dekarbonisierung des Verkehrs hängt nicht nur von der Verfügbarkeit von Schnellladeinfrastruktur ab, sondern auch vom flächendeckenden Umstieg auf emissionsfreie Fahrzeuge, von smarter Netzintegration und einer langfristig stabilen Energieversorgung.
Ein Schritt in die richtige Richtung – aber kein Selbstläufer
Die Kooperation zwischen EnBW und GSL zeigt exemplarisch, wie Mobilitäts- und Immobilienwirtschaft gemeinsam an der Schnittstelle zum Verbraucher agieren können. Sie adressiert eine zentrale Herausforderung der E-Mobilität – das Laden im Alltag – und bietet praktikable Lösungen für viele Pendler und Einkaufsreisende.
Ob das Modell auf größere Flächen ausgerollt werden kann, hängt nicht zuletzt vom regulatorischen Umfeld, der Nutzerakzeptanz und der technischen Verlässlichkeit ab. Als Leuchtturmprojekt ist der Standort in Röthenbach ein sinnvoller Anfang – doch die eigentliche Bewährungsprobe kommt mit der Skalierung.
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