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Leapmotor drückt aufs Tempo: Wie das chinesische E-Auto-Start-up kräftig wächst

Leapmotor C10 - Bildnachweis: Leapmotor / Stallantis

  

Zwischen Aufbruchsstimmung und Realitätscheck

Mit der Eröffnung des 1.500. Verkaufsstandorts weltweit feiert Leapmotor einen Meilenstein, der in der Branche Aufmerksamkeit erregt. Das chinesische Unternehmen, bislang in Europa noch als Underdog gehandelt, setzt auf ein rasantes Expansionstempo und eine regionale Anpassungsstrategie, die den Markt für Elektroautos in Bewegung bringt. Im Zentrum steht die Frage: Wie nachhaltig ist dieser Wachstumsdrang – und was bedeutet das für Kunden, Handelspartner und Wettbewerber?

Während etablierte Automobilmarken um Absatzanteile in einer stagnierenden europäischen E-Mobilitätslandschaft ringen, vollzieht Leapmotor einen Strategiewechsel, der sich nicht nur durch Tempo, sondern auch durch geografische Breite auszeichnet. Das 2015 gegründete Unternehmen hat Anfang Juni 2025 nach eigenen Angaben weltweit über 600 Verkaufs- und Servicestandorte außerhalb Chinas aufgebaut – mit einem dichten Netz insbesondere in Asien, dem Nahen Osten und Afrika.

Mit der Eröffnung des Verkaufsraums in Hongkong unterstreicht Leapmotor seinen Anspruch, global mitzuspielen. Gleichzeitig debütieren dort auch die beiden Modelle T03 und C10 – zwei Fahrzeuge, die schon bald auch in Mitteleuropa erhältlich sein sollen. Die Expansion ist nicht zufällig gewählt, sondern Teil eines abgestimmten Konzepts: Lokale Partnerschaften mit etablierten Importeuren und Automobilgruppen wie Gowan Auto (Irland) oder der Emil-Frey-Gruppe (z. B. Kroatien, Slowenien, Ungarn, Slowakei) sollen Markteintrittshürden minimieren und Servicequalität sichern.

Lokale Verankerung als Schlüssel zum Erfolg

Leapmotor verfolgt bei seiner internationalen Expansion eine Strategie, die auf regionaler Anpassung und Tempo basiert. Der Markteintritt erfolgt in Zusammenarbeit mit erfahrenen Händlern und Importeuren, was dem Unternehmen erlaubt, die notwendige Infrastruktur – vom Showroom bis zum After-Sales-Service – zügig aufzubauen. Diese Strategie ist nicht neu, aber im aktuellen Umfeld bemerkenswert konsequent umgesetzt. In einer Phase, in der viele Hersteller ihre Auslandsexpansion wegen regulatorischer Unsicherheiten und schwächelnder Nachfrage ausbremsen, scheint Leapmotor gegen den Strom zu schwimmen. Die Risiken liegen dabei auf der Hand: Neue Marken benötigen nicht nur Sichtbarkeit, sondern auch Vertrauen – und das entsteht vor allem durch Servicequalität, zuverlässige Logistik und transparente Preispolitik.

Händlerdichte und Serviceverfügbarkeit als Gradmesser

Mit 1.500 weltweiten Verkaufsstandorten – etwa 600 davon außerhalb Chinas – positioniert sich Leapmotor in einer Größenordnung, die für ein junges Unternehmen beachtlich ist. Zum Vergleich: BYD, der derzeit erfolgreichste chinesische E-Auto-Exporteur, unterhält nach eigenen Angaben in Europa aktuell rund 250 Verkaufsstellen. Leapmotor liegt damit zumindest zahlenmäßig bereits vorn, wobei die tatsächliche Marktdurchdringung noch stark variiert.

In Deutschland ist Leapmotor Stand Juni 2025 offiziell noch nicht mit eigenen Showrooms vertreten, wohl aber mit vorbereitenden Strukturen über Stellantis, das als Vertriebspartner fungiert. Der Einstieg in den deutschen Markt wird für das zweite Halbjahr 2025 erwartet. Die Frage, ob die Anzahl der Verkaufsräume ein valider Indikator für Markterfolg ist, lässt sich jedoch nur mit Blick auf Absatz- und Servicedichte beantworten. Hier bleibt Leapmotor bisher belastbare Zahlen zur tatsächlichen Kundenzufriedenheit oder zur Ersatzteilverfügbarkeit schuldig.

Zwei Modelle im Fokus: C10 und T03

Zum Markteintritt in mehreren internationalen Märkten bringt Leapmotor zwei Modelle ins Spiel: den Kleinwagen T03 sowie das Mittelklasse-SUV C10. Beide Fahrzeuge sind batterieelektrisch angetrieben und sollen durch ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis punkten.

Der Leapmotor T03 ist ein kompakter City-Stromer mit einer WLTP-Reichweite von rund 265 Kilometern, einem Energieverbrauch von 16,3 kWh/100 km und einem Einstiegspreis, der in europäischen Märkten voraussichtlich bei unter 22.000 Euro liegen dürfte – vergleichbar mit Modellen wie dem Dacia Spring oder dem VW e-up (sofern verfügbar).

Der Leapmotor C10 zielt auf das umkämpfte Segment der elektrischen Kompakt-SUVs. Mit einer Reichweite von rund 420 Kilometern (WLTP) und modernen Assistenzsystemen konkurriert er mit Fahrzeugen wie dem Hyundai Kona Electric oder dem MG ZS EV. Preise für das Modell C10 werden derzeit mit rund 32.000 bis 36.000 Euro je nach Ausstattungsklasse prognostiziert. Damit bleibt Leapmotor unter dem Preisniveau vieler europäischer Mitbewerber – ein möglicher Wettbewerbsvorteil, sofern Qualität und Service überzeugen.

Technologiekompetenz unter Beobachtung

Leapmotor positioniert sich selbst als technologiegetriebenes Unternehmen mit eigener Entwicklungskompetenz bei Software, Leistungselektronik und Batteriemanagement. Ob diese Alleinstellungsmerkmale im internationalen Wettbewerb Bestand haben, ist offen. In unabhängigen Tests westlicher Fachmedien fehlen bislang belastbare Fahrberichte oder Langzeiterfahrungen, insbesondere im Hinblick auf Konnektivität, Fahrdynamik und thermisches Management der Batterien. Auch Crashtestergebnisse nach europäischen Standards stehen derzeit noch aus.

Insbesondere mit Blick auf Sicherheitsbewertungen wie Euro NCAP dürfte sich in den kommenden Monaten zeigen, wie ernst Leapmotor seine globalen Ambitionen wirklich meint – und ob das Unternehmen bereit ist, die Erwartungen westlicher Märkte an Qualität, Konnektivität und Produktsicherheit zu erfüllen.

Ausblick

Leapmotor vollzieht eine der schnellsten Internationalisierungsstrategien im E-Auto-Sektor. Was wie ein Sprint aussieht, könnte sich als Langstreckenlauf erweisen – sofern das Unternehmen in der Lage ist, nicht nur Vertriebskanäle zu eröffnen, sondern diese auch langfristig mit Leben zu füllen. Die Kooperation mit Stellantis verschafft Leapmotor Zugang zu Know-how, Vertriebslogistik und einem etablierten Servicenetz – ein Vorteil, den andere chinesische Anbieter wie Nio oder Xpeng bislang nur bedingt vorweisen können.

Ob Leapmotor damit zum ernsthaften Herausforderer in Europa wird, hängt von mehr als Showroom-Zahlen ab. Entscheidend wird sein, ob Preis, Qualität und Kundenservice in einem ausgewogenen Verhältnis stehen – und ob das Unternehmen seine Versprechen auch bei hoher Marktnachfrage einlösen kann.