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Mehr Reichweite, weniger Batterie: ZF setzt auf neue Range-Extender-Technologie

Mit dem „electric Range Extender“-System (eRE) entwickelt ZF derzeit einen Range Extender für die nächste Generation - Bildnachweis: ZF

  

ZF Range Extender: Neue Perspektiven für die Elektromobilität

Die Elektromobilität hat in den letzten Jahren erhebliche Fortschritte gemacht – Reichweiten von über 500 Kilometern, kürzere Ladezeiten und ein wachsendes Netz an Ladepunkten sollen das Elektroauto alltagstauglich machen. Dennoch zögern viele potenzielle Käufer, den Umstieg zu wagen. Ein Hauptgrund bleibt die Reichweitenangst – das mulmige Gefühl, mit leerer Batterie liegenzubleiben, bevor die nächste Ladesäule erreicht ist. Der Zulieferer ZF sieht in dieser Unsicherheit eine Marktlücke – und bringt nun eine neue Generation von Range-Extender-Technologien an den Start. Serienreif sollen diese Systeme ab dem Jahr 2026 sein.

Was ist ein Range Extender – und was macht ihn attraktiv?

Range Extender sind als kompakte Energieerzeuger konzipiert, die in batterieelektrischen Fahrzeugen zum Einsatz kommen. Sie bestehen im Kern aus einem Verbrennungsmotor, der nicht mechanisch, sondern rein elektrisch arbeitet: Er treibt einen Generator an, der Strom erzeugt, wenn der Ladezustand der Batterie unter ein definiertes Niveau fällt. So lässt sich die rein elektrische Reichweite deutlich erhöhen, ohne dass ein permanenter Hybridantrieb nötig wäre.

Im Gegensatz zu klassischen Plug-in-Hybriden bleibt der Antrieb rein elektrisch, der Verbrennungsmotor dient ausschließlich der Stromerzeugung. Das bringt einige Vorteile mit sich: Der Motor kann konstant im optimalen Drehzahlbereich betrieben werden, was den Kraftstoffverbrauch reduziert und gleichzeitig CO₂-Emissionen senkt. Gleichzeitig sind Range Extender in der Fahrzeugarchitektur einfacher zu integrieren, da sie nicht an den Antriebsstrang, sondern lediglich an das elektrische System angebunden werden.

Mit einem Range Extender können Fahrer die Vorteile von Elektromobilität genießen, ohne auf die Flexibilität eines klassischen Verbrenner- oder Plug-in-Hybrid-Fahrzeugs verzichten zu müssen – Bildnachweis: ZF

Technische Details: eRE und eRE+ im Vergleich

ZF entwickelt derzeit zwei Varianten seiner neuen Range-Extender-Plattform: den electric Range Extender (eRE) und den erweiterten electric Range Extender plus (eRE+). Beide basieren auf einem hochintegrierten System, das sich flexibel an verschiedene Fahrzeugklassen und Plattformen anpassen lässt – von kompakten Pkw bis zu größeren SUV-Modellen.

Boost für die Reichweite

Der eRE kombiniert eine elektr. Maschine mit einem integrierten Inverter, Planetengetriebe und spezifischer Steuerungsoftware. Die Leistung liegt je nach Auslegung zwischen 70 und 110 Kilowatt. Für komplexere Anforderungen steht der eRE+ zur Verfügung: Zusätzlich zur Grundarchitektur verfügt er über eine intelligente Kupplung und ein Differenzial. Damit kann der eRE+ nicht nur als Generator, sondern auch als sekundärer Antrieb genutzt werden, beispielsweise für Allradkonzepte oder erhöhte Antriebskraft auf Abruf. Seine Leistungsspanne reicht bis zu 150 Kilowatt.

Beide Systeme sind für Spannungen von 400 bis 800 Volt ausgelegt und kompatibel mit modernen Halbleitertechnologien – auch Siliziumkarbid (SiC) ist vorgesehen, was Effizienzgewinne im Inverter verspricht. Die Skalierbarkeit macht die Lösungen besonders interessant für Fahrzeughersteller, die auf unterschiedlichen Märkten agieren.

Kostenersparnis und Plattformvorteile für Hersteller

Ein zentrales Argument für den Range Extender ist seine Rolle als Brückentechnologie – vor allem für Hersteller, die bereits auf reine Elektroplattformen setzen, aber gleichzeitig Reichweitenengpässe bei bestimmten Zielgruppen ausgleichen wollen. Im Vergleich zu konventionellen Hybridsystemen erfordert der Range Extender keine aufwendige Kopplung mit dem Antrieb, was die Entwicklungskosten und den Integrationsaufwand reduziert. Besonders Start-ups und neue Marktteilnehmer profitieren von der Entkopplung zwischen Antrieb und Energieerzeugung, da sie keine eigene Erfahrung mit komplexen Verbrennungsmotoren benötigen.

Zudem lassen sich durch den Einsatz kleinerer Batterien erhebliche Einsparungen erzielen – nicht nur bei Gewicht und Platzbedarf, sondern auch bei den Kosten. Gerade in Hinblick auf die aktuell steigenden Preise für Lithium und andere Rohstoffe könnte dieser Ansatz in Zukunft wirtschaftlich attraktiver werden. ZF betont außerdem die Vorteile im Hinblick auf Flottenemissionen: Fahrzeuge mit Range Extender gelten in vielen Märkten weiterhin als emissionsarm und können so helfen, CO₂-Grenzwerte im Portfolio einzuhalten.

Marktchancen und globale Ausrichtung

Der chinesische Markt gilt als besonders aufgeschlossen gegenüber dieser Technologie. Bereits heute kündigen zahlreiche Hersteller dort Modelle mit Range-Extender-Konzepten an, die reale Reichweiten von über 700 Kilometern erreichen sollen. Auch ZF hat seine Entwicklungsressourcen in China konzentriert – nicht zuletzt, weil viele lokale Hersteller batterieelektrische Plattformen entwickeln, aber keinen Zugang zu ausgereiften Verbrennungstechnologien haben.

In Europa und den USA entwickelt sich der Markt dagegen langsamer. Während batterieelektrische Fahrzeuge in der politischen und öffentlichen Wahrnehmung als Zieltechnologie gelten, wird die Akzeptanz von Hybridlösungen zunehmend kritisch diskutiert. Trotzdem könnte der Range Extender in bestimmten Segmenten eine Renaissance erleben – etwa bei Fahrzeugen für Langstreckenpendler, Lieferdienste oder ländliche Regionen ohne flächendeckende Ladeinfrastruktur. Auch für Kunden, die bewusst auf große Batterien verzichten wollen, stellt die Technologie eine interessante Alternative dar.

Einordnung und Ausblick

ZF präsentiert seine neue Generation von Range-Extender-Systemen nicht als Konkurrenz, sondern als Ergänzung zur rein batterieelektrischen Mobilität. Die Technologie adressiert ein reales Problem vieler Autofahrer – und bietet sowohl wirtschaftlich als auch technisch schlüssige Lösungen. Allerdings wird ihr Erfolg davon abhängen, ob politische Rahmenbedingungen, Kundenakzeptanz und technische Integration tatsächlich zusammenfinden. Auch bleibt offen, wie sich die globale Ladeinfrastruktur in den kommenden Jahren entwickelt.

Dass Range Extender ein dauerhaftes Comeback erleben, ist nicht garantiert. Doch als flexible, kosteneffiziente und emissionsarme Zwischenlösung könnten sie helfen, die Elektromobilität breiter in der Bevölkerung zu verankern – gerade in einer Übergangsphase, in der nicht alle Märkte und Nutzergruppen mit der aktuellen Ladeinfrastruktur Schritt halten können.