
Performant: Dreiphasiges AC-Laden beherrscht der Smart #1 Brabus bis zu 22 kW - Bildnachweis: MOTORMOBILES
Volle Fahrt bei nur wenig genutzten Ladesäulen: Der neue BDEW-Monitor im Faktencheck
Mit einer neuen Rekordmarke bei den Neuzulassungen vollelektrischer Pkw beginnt das Jahr 2025 für die Elektromobilität in Deutschland überraschend kraftvoll. Allein in den ersten vier Monaten wurden 158.503 neue batterieelektrische Fahrzeuge (BEV) auf die Straßen gebracht – ein Plus von über 40 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Diese Zahlen stammen aus dem aktuellen Elektromobilitätsmonitor des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW), der zweimal jährlich als umfassender Lagebericht veröffentlicht wird. Die Analyse zeigt: Elektromobilität ist längst mehr als ein Trend, doch sie bleibt ein komplexes System mit Licht und Schatten.
CO2-Ziele rücken näher – auch dank BEV
Der politische und regulatorische Rahmen spielt weiterhin eine Schlüsselrolle im Hochlauf der Elektromobilität. Besonders die europäischen CO₂-Flottengrenzwerte beeinflussen maßgeblich das Angebot der Hersteller. Die steigende Zahl vollelektrischer Fahrzeuge wirkt sich direkt auf den durchschnittlichen CO₂-Ausstoß der Neuzulassungen aus. Laut KBA-Daten ist dieser im ersten Quartal 2025 deutlich gesunken. In der Rückschau zeigt sich: Frühere Schwankungen beim CO₂-Ausstoß lassen sich vor allem auf Kaufprämieneffekte und deren befristete Laufzeiten zurückführen.
Hersteller im Vergleich: Wer liefert ab?
Ein Blick auf die Marktanteile der Hersteller verdeutlicht Unterschiede im Tempo der Elektrifizierung. Während Volkswagen, Mercedes-Benz und BMW stabil hohe BEV-Anteile von 10 bis 20 Prozent verzeichnen, bewegen sich andere Marken noch im einstelligen Prozentbereich. Tesla, nach wie vor als reiner Elektroanbieter positioniert, liegt dabei ebenfalls in der Spitzengruppe, obwohl das Gesamtvolumen hinter den deutschen Großserienmarken zurückbleibt.
Ladeinfrastruktur wächst – doch die Auslastung bleibt niedrig
Die Zahlen zum Ladeinfrastrukturausbau sind eindrucksvoll: Zum 1. Januar 2025 waren bundesweit mehr als 160.000 öffentliche Ladepunkte in Betrieb, was einer installierten Ladeleistung von rund 8,5 Gigawatt entspricht. Das Wachstum gegenüber dem Vorjahr fällt besonders bei den ultraschnellen Ladepunkten (HPC) ins Gewicht. Knapp 8.000 neue HPC-Stationen wurden 2024 in Betrieb genommen, was vor allem Langstreckenfahrern zugutekommt.
Allerdings zeigt die Auswertung des BDEW auch eine Schattenseite: Die durchschnittliche zeitgleiche Belegung aller Ladepunkte lag im zweiten Halbjahr 2024 bei nur 17 Prozent. Besonders gering ist die Auslastung nachts sowie bei Normalladesäulen (AC). Damit droht eine wirtschaftliche Schieflage für private Betreiber, die vielerorts mit Vorleistung in die Infrastruktur gegangen sind – ein möglicher Stolperstein für den weiteren Ausbau.
Flächendeckung: 95 Prozent der Bevölkerung haben Zugang
Trotz der geringen Auslastung ist das Netz an Ladepunkten mittlerweile weit verzweigt. Laut BDEW gibt es in 6.221 deutschen Kommunen mindestens eine öffentlich zugängliche Lademöglichkeit. Das entspricht rund 57 Prozent aller Städte und Gemeinden. Fast 95 Prozent der Bevölkerung leben heute in einer Kommune mit mindestens einem Ladepunkt – zum Vergleich: Nur 84 Prozent der Bevölkerung haben Zugang zu einer Tankstelle.
Deutschlandnetz: Privatwirtschaft übernimmt Führung
Das vom Bund im Jahr 2021 initiierte „Deutschlandnetz“ sollte ursprünglich bis Ende 2023 rund 900 HPC-Standorte schaffen. Tatsächlich zeigt sich nun, dass 84 Prozent dieser Suchräume bereits durch privatwirtschaftliche Investitionen abgedeckt sind. Die staatlich geförderten Standorte hinken dagegen deutlich hinterher – ein Signal, das für die weitere Ausbauplanung eine wichtige Rolle spielt. Der Hochlauf der Ladeinfrastruktur funktioniert offenbar am besten dort, wo Markt und Nachfrage Hand in Hand gehen.
Wirtschaftlichkeit: Laden günstiger als Tanken – meistens
Ein zentraler Aspekt für Verbraucher bleibt die Wirtschaftlichkeit des E-Autos. Der Monitor rechnet mit einer Jahresfahrleistung von 12.000 Kilometern und vergleicht Energiekosten verschiedener Nutzungsszenarien. Am günstigsten fährt, wer zu Hause lädt – rund 884 Euro pro Jahr. Auch das Laden bei Vertragspartnern, sei es an AC- oder DC-Ladesäulen, bleibt unter der Marke von 1.100 Euro.
Erst beim vollständigen Laden über Roamingpartner und Schnelllader nähern sich die Kosten denen eines durchschnittlichen Benzin- oder Dieselfahrzeugs (rund 1.260 bis 1.300 Euro jährlich). Die Differenz zeigt: Wer geschickt kombiniert, spart – doch wer ausschließlich öffentlich lädt, zahlt unter Umständen ähnlich viel wie beim Verbrenner.
Regionale Unterschiede: Spitzenwerte und Schlusslichter
Auch auf regionaler Ebene gibt es starke Unterschiede. In Berlin sind mit über 18.000 die meisten privaten BEV zugelassen. Im Verhältnis zur Gesamtanzahl der Pkw liegt jedoch München mit einem Anteil von 4,9 Prozent vorn. Die höchste öffentlich zugängliche Ladeleistung je BEV findet sich hingegen im Saale-Orla-Kreis in Thüringen – mit über 34 kW pro Fahrzeug. Der Durchschnitt über alle Landkreise liegt bei nur 6,1 kW je BEV. Daraus ergibt sich ein heterogenes Bild: Ein dichteres Netz bedeutet nicht automatisch eine bessere Auslastung oder Nutzung.
Fazit: Zwischen Rückenwind und Reibungsverlusten
Der sechste BDEW-Elektromobilitätsmonitor zeichnet ein differenziertes Bild: Der Hochlauf der E-Mobilität ist in vollem Gange und verläuft in vielen Bereichen erfolgreich – insbesondere bei den Zulassungszahlen und der Ladeinfrastruktur. Gleichzeitig zeigen sich Herausforderungen in der wirtschaftlichen Tragfähigkeit des Ladebetriebs und in der regional ungleichen Nutzung.
Politische Rahmenbedingungen, vor allem die CO₂-Grenzwerte, fördern den Absatz batterieelektrischer Fahrzeuge weiterhin zuverlässig. Die Privatwirtschaft treibt den Infrastrukturausbau dynamisch voran, auch wenn die Nutzung noch nicht flächendeckend mithält. Die Energiekosten sprechen in den meisten Szenarien klar für das Elektroauto – aber eben nicht in allen.
Die nächsten Jahre werden zeigen, ob sich diese positive Entwicklung fortsetzen lässt. Der Impuls ist da – doch um ihn nachhaltig zu machen, braucht es eine passgenaue Regulierung, kluge Tarifmodelle und ein kontinuierliches Zusammenspiel von Markt und Staat.
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