
Rekordjagd in der E-Liga: Xiaomi SU7 Ultra setzt neue Bestmarke - Bildnachweis: Xiaomi
Tempomacher in der Grünen Hölle
Mit einer offiziell gemessenen Rundenzeit von 7:04,957 Minuten hat der Xiaomi SU7 Ultra auf der Nürburgring-Nordschleife einen neuen Maßstab für elektrische Limousinen gesetzt. Das Fahrzeug durchbrach nicht nur die psychologisch wichtige 7:05-Marke, sondern ließ auch etablierte Elektro-Boliden wie den Porsche Taycan Turbo GT und sogar das millionenschwere Hypercar Rimac Nevera hinter sich. Dabei handelt es sich um ein Fahrzeug, das in seiner Grundform als viertürige Reiselimousine für die Straße konzipiert ist, jedoch mit optionalem Track-Paket ausgestattet wurde. Für Xiaomi ist das mehr als nur ein Achtungserfolg – es ist der erste spürbare Fingerzeig in Richtung Performance-Elite.
Die Technik hinter der Zeit
Der SU7 Ultra basiert auf der hauseigenen E-Plattform von Xiaomi und nutzt ein dreimotoriges Antriebskonzept mit zwei Elektromotoren an der Hinterachse (Typ V8s) und einem an der Vorderachse (Typ V6s). Das System kommt auf eine kombinierte Spitzenleistung von 1.548 PS und etwa 1.770 Newtonmeter Drehmoment. Laut Hersteller beschleunigt der SU7 Ultra aus dem Stand auf 100 km/h in nur 1,98 Sekunden – allerdings mit sogenanntem Rollout, also abzüglich der ersten Bewegungszentimeter, wie bei US-Messverfahren üblich. Die reale Zeit dürfte knapp über zwei Sekunden liegen. Die Höchstgeschwindigkeit liegt bei über 350 km/h.
Die Nordschleifenrunde absolvierte das Fahrzeug auf semislickartigen Reifen, ausgestattet mit einem adaptiven Fahrwerk, Torque-Vectoring und Keramikbremsen. Die Aerodynamik wurde durch aktive Elemente optimiert, darunter ein verstellbarer Heckflügel. Das Gewicht des Fahrzeugs ist nicht offiziell bestätigt, liegt nach Schätzungen aber bei etwa 2,4 Tonnen. Umso bemerkenswerter ist die Fahrdynamikleistung auf der längsten und anspruchsvollsten Rennstrecke der Welt.
Einordnung im Wettbewerbsumfeld
Im Vergleich zu den derzeitigen Spitzenreitern zeigt sich, wie ambitioniert das Projekt SU7 Ultra tatsächlich ist. Der Porsche Taycan Turbo GT – bislang als Benchmark unter elektrischen Performance-Limousinen gehandelt – schaffte im Frühjahr 2024 eine Zeit von 7:07,55 Minuten. Der Rimac Nevera, ein in Kleinstserie gefertigter E-Hypercar, wurde mit 7:05,298 Minuten gemessen. Dass ein Serienfahrzeug aus China diese Werte nun unterbietet, dürfte für Bewegung im Segment sorgen. Und das nicht nur auf der Stoppuhr, sondern vor allem auf dem Preiszettel.
Denn der SU7 Ultra ist im Heimatmarkt China ab etwa 529.900 Yuan erhältlich – umgerechnet rund 70.000 Euro. Damit liegt er preislich deutlich unterhalb eines Taycan Turbo GT, der in Deutschland bei über 240.000 Euro beginnt, und Lichtjahre unter dem Rimac, der mit mehr als zwei Millionen Euro in einer ganz anderen Liga spielt. Auch die weiteren SU7-Varianten sind bemerkenswert günstig: Die Einstiegsvariante beginnt bei umgerechnet knapp 28.000 Euro, das Topmodell „Max“ liegt in China bei rund 41.000 Euro.
Seriennähe und Einschränkungen
Der Rekord wurde mit einem Serienfahrzeug mit optionalem Track-Paket gefahren. Das bedeutet: keine Einzelanfertigung, kein reines Showcar, sondern eine offiziell bestellbare Version. Dennoch bleibt offen, wie viel der Nordschleifen-Performance im Alltag tatsächlich abrufbar ist. Höchstgeschwindigkeiten jenseits der 300 km/h und Rundenzeiten im Bereich von sieben Minuten sagen wenig über Reichweite, Kühlung, Alltagstauglichkeit oder Ladeinfrastruktur aus.
Die Batterie basiert auf einer 101-kWh-Struktur mit 871-Volt-Systemspannung. Xiaomi gibt an, eigene Zellchemie und Batteriestruktur entwickelt zu haben. Geladen wird mit bis zu 500 kW DC – allerdings existieren derzeit weltweit nur wenige Stationen, die diese Leistung auch real bereitstellen können. Zudem stellt sich die Frage nach thermischer Dauerhaltbarkeit: Solche Belastungen wie auf der Nordschleife beanspruchen Batterie, Leistungselektronik und Kühlung in einem Maß, das im Kundenalltag nur schwer simuliert werden kann.
Xiaomi und der Nürburgring – mehr als Marketing?
Interessant ist in diesem Zusammenhang die neu geschlossene Partnerschaft von Xiaomi mit dem Nürburgring. Das Unternehmen ist ab sofort Premium-Partner des Rings und Teil des sogenannten Industriepools. Damit hat Xiaomi ganzjährig Zugang zu Entwicklungszeiten auf der Strecke. Zudem wurde eine Kurve auf dem Grand-Prix-Kurs offiziell in „Xiaomi Curve“ umbenannt – ein PR-Coup, aber auch ein klares Signal: Man will bleiben.
Ob Xiaomi diesen Vorsprung in messbare Vorteile bei der Entwicklung der nächsten Fahrzeuggeneration umsetzen kann, bleibt abzuwarten. Die Erfahrung anderer Hersteller zeigt: Streckennähe allein macht noch kein gutes Auto. Entscheidend wird sein, ob sich Xiaomi dauerhaft auf dem europäischen Markt etablieren kann – technisch, aber auch im Hinblick auf Zulassung, Service und Kundenbindung.
Kritische Perspektive
Die Rekordfahrt ist zweifellos ein technologisches Statement. Doch Rekorde sind flüchtig, der Alltag beginnt im Stau und endet an der Ladesäule. Kritiker bemängeln, dass Xiaomi derzeit keine vollständige Ladeinfrastruktur in Europa bietet. Zudem sind Assistenzsysteme, Konnektivität und Qualitätssicherung bislang schwer vergleichbar mit etablierten Herstellern. Auch erste Nutzerberichte über vereinzelte Probleme mit der Software-Integration oder Materialwahl werfen Fragen auf.
Dennoch: Der erste Auftritt des SU7 Ultra auf der Nordschleife zeigt, dass Xiaomi mehr ist als ein Smartphonehersteller mit Auto-Ambitionen. Die Performance-Daten sind real, die Zeit ist offiziell und das Preis-Leistungs-Verhältnis in dieser Fahrzeugklasse derzeit ohne Konkurrenz.
Fazit
Mit der Rundenzeit von 7:04,957 Minuten positioniert sich der Xiaomi SU7 Ultra schlagartig in der Spitze der elektrischen Performance-Limousinen – zumindest auf dem Papier. Technisch setzt der Dreimotor-Stromer Maßstäbe, preislich stellt er die gesamte Konkurrenz infrage. Ob aus dem Rekord ein nachhaltiger Erfolg wird, hängt von Zuverlässigkeit, Infrastruktur und europäischer Marktstrategie ab. Klar ist: Xiaomi ist angekommen. Und alle anderen müssen sich jetzt warm anziehen – im wahrsten Sinne des Wortes.
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