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Porsche verschiebt Elektro-Boxster: Warum der 718-Nachfolger erst 2027 kommt

Bildnachweis: Porsche

Porsche bremst beim elektrischen 718 – ein Strategiewechsel mit Folgen für Kunden und Konkurrenz.

Die Elektromobilität gilt längst als gesetzt, vor allem in der Premiumklasse. Porsche war bisher eine der Marken, die sich ambitioniert und frühzeitig auf die Transformation eingelassen haben. Doch bei der Neuauflage eines besonders wichtigen Modells tritt der Hersteller nun auf die Bremse: Der vollelektrische Nachfolger der Mittelmotorsportwagen Boxster und Cayman wird nach neuesten Informationen deutlich später als bisher erwartet auf den Markt kommen. Statt 2025 oder 2026 ist nun das Jahr 2027 im Gespräch. Was steckt hinter dieser Entscheidung – und was bedeutet sie für Kunden, Technikfans und den Wettbewerb?

Der 718 als Elektro-Versuchsträger – nun mit Verzögerung

Die Ankündigung elektrischer Nachfolger für Boxster und Cayman sorgte zunächst für Aufsehen. Mit den beiden Modellen plante Porsche nicht nur die konsequente Weiterentwicklung der Baureihe 718, sondern auch ein Statement: Sportwagen mit E-Antrieb können mehr als nur Beschleunigung auf dem Papier. Bereits getarnte Prototypen wurden seit Ende 2022 regelmäßig auf öffentlichen Straßen und Rennstrecken gesichtet, die Serienversion war nach bisherigen Planungen für 2025 anvisiert – auch, um die aktuelle 718-Generation in ihrer Lebensdauer nicht zu weit zu strecken.

Doch nun verdichten sich laut gut informierten Branchenquellen – darunter die Automobilwoche – die Hinweise darauf, dass der Zeitplan nicht zu halten ist. Als neuer Marktstart wird intern das Jahr 2027 genannt. Porsche selbst hat diesen Termin nicht öffentlich bestätigt, aber eine spätere Markteinführung gegenüber Medienberichten zumindest indirekt eingeräumt. Eine frühzeitige Premiere Ende 2026 erscheint dennoch möglich – wenngleich eine Markteinführung vor 2027 kaum realistisch sein dürfte.

Technologische Hürden: Batterie, Software, Fahrdynamik

Die Gründe für die Verzögerung sind vielschichtig. Besonders ins Gewicht fällt offenbar die aktuelle Situation rund um die Batterieentwicklung. Der schwedische Zelllieferant Northvolt, an dem Volkswagen beteiligt ist, kommt mit der Entwicklung neuer Zellen mit besonders hoher Leistungsdichte langsamer voran als geplant. Diese sogenannten „Hochleistungszellen“ sind für einen sportlich ausgelegten Elektro-Zweisitzer essenziell, da sie bei geringem Gewicht eine hohe Energiedichte ermöglichen und schnelle Ladezeiten bei stabiler Leistungsabgabe erlauben sollen.

Hinzu kommen Schwierigkeiten in der Softwareentwicklung, wie sie in den letzten Jahren bei vielen Konzernmarken wiederholt zu Verzögerungen geführt haben. Die zentrale Plattform für die neuen Elektro-Sportwagen wird nicht wie der Taycan auf J1-Basis entstehen, sondern auf einer Weiterentwicklung der PPE-Architektur (Premium Platform Electric), die auch bei Audi und später bei weiteren Porsche-Modellen wie dem Macan Electric zum Einsatz kommt. Diese Plattform muss für ein Fahrzeug mit besonders niedrigem Schwerpunkt, geringen Abmessungen und hoher Agilität angepasst werden – eine Herausforderung für Entwickler, die über die reine Hardware hinausgeht.

Vor allem aber geht es Porsche um das Markenerlebnis: Die Boxster- und Cayman-Baureihe steht wie kaum ein anderes Modell der Marke für ein direktes, analoges Fahrerlebnis. Dieses Konzept rein elektrisch umzusetzen, ohne dass das Fahrzeug steril oder künstlich wirkt, ist eine weitere komplexe Aufgabe, an der Porsche nach wie vor intensiv arbeitet. Laut Branchenkreisen ist es bislang nicht gelungen, ein ausreichend überzeugendes Fahrverhalten im Sinne des klassischen 718-Spirits zu erzielen – eine Messlatte, die intern besonders hoch liegt.

Strategische Prioritäten neu gesetzt – Cayenne statt 718

Neben den technologischen Herausforderungen scheint Porsche aber auch strategisch umgeschwenkt zu sein. Innerhalb des Volkswagen-Konzerns und auch intern wird der Fokus aktuell stärker auf volumenstarke SUV-Modelle gelegt. Der vollelektrische Cayenne, der für 2026 erwartet wird, wurde dem Vernehmen nach priorisiert. Seine Entwicklung sei weiter fortgeschritten und verspreche angesichts des weltweit anhaltenden SUV-Booms höhere Absatz- und Ertragspotenziale als ein kompakter Zweisitzer.

Dazu passt auch die Beobachtung, dass sich Porsche derzeit bei elektrischen Sportmodellen abseits des Taycan eher zurückhaltend zeigt. Während Marken wie Lotus, Alpine oder Tesla zunehmend den Markt für agile, kompakte E-Sportwagen erschließen, scheint man in Zuffenhausen auf eine längere, strategisch fundierte Vorbereitung zu setzen. Im Umkehrschluss bedeutet das: Fans und Interessenten müssen sich auf einen längeren Abschied vom klassischen Verbrenner-718 einstellen.

Wie geht es weiter mit dem Verbrenner-718?

Die aktuelle Generation des Boxster und Cayman (interne Baureihe 982) wurde 2016 eingeführt und erhielt zuletzt nur kleinere Modelpflegen. Ursprünglich war vorgesehen, dass diese Modelle mit Einführung des Elektro-718 auslaufen. Durch die Verschiebung könnte Porsche die Lebenszeit der Verbrennerversionen jedoch nochmals verlängern, auch um die entstehende Lücke im Portfolio zu vermeiden. Denkbar wäre etwa eine modellpflegerische Maßnahme für das Modelljahr 2026 oder eine limitierte Sonderedition zum Produktionsauslauf.

Preise für die aktuellen Modelle bewegen sich derzeit zwischen rund 65.000 Euro für den Basis-718 Cayman mit Vierzylinder-Turbo und über 113.000 Euro für den 718 Cayman GT4 RS mit Saugmotor. Für die elektrische Variante war bisher kein offizieller Preis kommuniziert worden. Insider erwarten jedoch, dass der Einstiegspreis des E-Boxster bei mindestens 80.000 Euro liegen dürfte, je nach Antrieb und Ausstattung womöglich auch deutlich darüber. Eine Version mit Allradantrieb (zwei E-Motoren) gilt als wahrscheinlich – ebenso wie eine Variante mit Hinterradantrieb und Fokus auf Leichtbau und Fahrspaß.

Konkurrenz schläft nicht – Kommt Porsche zu spät?

Während Porsche das elektrische Sportwagenprojekt nochmals überarbeitet, treten Wettbewerber in dieser Nische zunehmend selbstbewusst auf. Lotus bringt mit dem Emeya eine sportliche Limousine mit über 900 PS, Alpine arbeitet am A110-Nachfolger auf Elektro-Basis, Tesla experimentiert mit dem neuen Roadster – und chinesische Hersteller wie MG und Nio zeigen ebenfalls Ambitionen im sportlichen E-Segment.

Für Porsche bedeutet das: Die Verzögerung kann einerseits die Chance bieten, ein technologisch ausgereiftes Produkt mit markentypischer Qualität auf den Markt zu bringen. Andererseits steigt der Wettbewerbsdruck spürbar – und Kunden könnten sich bis 2027 anderweitig orientieren, wenn alternative Modelle früher verfügbar und emotional überzeugend sind.

Fazit: Der lange Weg zum elektrischen 718

Die Verschiebung des Marktstarts des elektrischen Porsche 718 ist ein Signal mit doppelter Bedeutuung. Einerseits zeigt es, dass der Sportwagenhersteller keine halbfertigen Lösungen auf den Markt bringen will und sich der Komplexität dieser Transformation bewusst ist. Andererseits wirft es die Frage auf, wie lange sich Porsche die Rolle des abwartenden Perfektionisten leisten kann, ohne Marktanteile und Innovationsführerschaft zu riskieren.

Für Fans klassischer Fahrdynamik, Technikbegeisterte und potenzielle Käufer bleibt nun vor allem eines: Geduld. Der elektrische Boxster kommt – nur eben später. Und die Hoffnung bleibt, dass das Ergebnis am Ende die Wartezeit wert ist.