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Reif für die Langstrecke? Xpeng G6 und G9 im Härtetest quer durch Europa

Xpeng E-XPerience 10.000+: Smarte Elektrofahrzeuge der Hightech-Marke meistern Härtetest auf der Langstrecke - Bildnachweis: Xpeng

Elektromobilität ohne Ausreden

Kann man mit einem Elektroauto mühelos ans Nordkap fahren – oder bleibt unterwegs die Reichweitenangst im Gepäck? Diese Frage beschäftigt viele potenzielle Käufer in Deutschland. Xpeng, der noch junge, aber ehrgeizige chinesische Hersteller, wollte genau das im Rahmen der groß angelegten Xpeng E-XPerience 10.000+ herausfinden. Mit den beiden SUV-Modellen G6 und G9 legten Testfahrer über 6.000 Kilometer von Norddeutschland bis zur Spitze Skandinaviens zurück. Ziel war es, unter realen Bedingungen zu zeigen, wie die Fahrzeuge bei extremem Wetter und auf langen Etappen bestehen.

Die Idee hinter der Testfahrt

Langstrecke bleibt auch 2025 die größte Bewährungsprobe für Elektroautos. Ein vergleichbares Fazit gilt in Deutschland, wo nach wie vor viele Skeptiker den eingeschränkten Aktionsradius und lange Ladezeiten kritisieren. Die E-XPerience sollte beweisen, dass moderne Elektro-SUVs dieser Vorwurf nicht mehr trifft. Von Hamburg über Dänemark, Schweden und Norwegen führte die Route ans Nordkap – und mit derselben Strecke auch wieder zurück. Knapp 6.400 Kilometer kamen so zustande, gefahren von Fachjournalisten, die alles andere als zimperlich mit den Testwagen umgingen.

Technik im Detail: Hinterrad- und Allradvarianten

Auf die Reise gingen zwei Modelle, die auch hierzulande bereits zum Verkauf stehen. Der G6 als SUV-Coupé ist mit einem 210 kW starken E-Motor an der Hinterachse ausgerüstet, gespeist von einem 87,5 kWh großen Akku. Damit sind Reichweiten von bis zu 570 Kilometer nach WLTP möglich. Der größere G9 hat einen 230 kW starken Motor und einen 98 kWh-Akku an Bord. Auch er erreicht Werte um die 570 Kilometer, wobei im realen Betrieb naturgemäß Unterschiede zwischen Sommer- und Winterfahrten bestehen. Im Test lagen die Verbräuche im Bereich der offiziellen Normwerte, bei Kälte aber deutlich höher.

Ladeerlebnisse zwischen Hamburg und Nordnorwegen

Eine Stärke der Fahrzeuge ist die hauseigene 800-Volt-Architektur. Sie erlaubt Ladeleistungen von 300 kW und sorgt für besonders kurze Ladezeiten. Unter Idealbedingungen reichen fünf Minuten am Schnelllader, um mehr als 100 Kilometer Reichweite nachzutanken. In der Praxis zeigte sich, dass viele Pausen eher von den Fahrern als von den Autos bestimmt wurden: Nach spätestens 20 Minuten waren die Batterien von zehn auf 80 Prozent gefüllt. Positiv fiel zudem die serienmäßige Batterievorkonditionierung auf, die die Ladegeschwindigkeit auch bei widrigem Klima stabil hielt.

In Skandinavien profitierte Xpeng von der dort hervorragend ausgebauten Ladeinfrastruktur. In Deutschland hingegen stellt sich die Situation weiterhin uneinheitlich dar. Zwar wächst die Zahl der Schnelllader kontinuierlich, doch bis auf Norwegen ist die Verfügbarkeit im europäschen Vergleich noch uneinheitlich. Für Xpeng-Fahrer gibt es immerhin über den Kooperationspartner Plugsurfing Zugang zu knapp einer Million Ladepunkten, was im Alltag eine spürbare Erleichterung sein dürfte.

Fahrkomfort und Assistenzsysteme

Die Journalisten, die die Fahrzeuge pilotierten, lobten den hohen Reisekomfort. Neben den großzügigen Platzverhältnissen und einer umfangreichen Serienausstattung fallen besonders die Assistenzsysteme auf. Diese nehmen dem Fahrer bei langen Etappen spürbar Arbeit ab, bleiben aber stets nachvollziehbar in ihren Eingriffen. Ergänzt wird dies durch ein Navigationssystem, das automatisch Ladehalt-Empfehlungen berechnet und die Batterie rechtzeitig vorkonditioniert. Während deutsche Premiumanbieter ähnliche Systeme erst schrittweise in der Breite etablieren, gehört dies bei Xpeng bereits zur Standardausstattung.

Preise und Markteinordnung in Deutschland

Der G6 startet in Deutschland aktuell bei rund 46.600 Euro, der größere G9 bei knapp 58.000 Euro. Damit positionieren sich die Modelle unterhalb direkter Konkurrenten wie Audi Q8 e-tron oder BMW iX, zugleich aber auf ähnlichem Preisniveau wie der Tesla Model Y Long Range, der nach wie vor als Benchmark in diesem Segment gilt. Käufer müssen jedoch berücksichtigen, dass Xpeng auf einen jungen Markennamen setzt und Service- sowie Händlernetz in Deutschland noch im Aufbau sind. Der Vertrieb wird derzeit über ausgewählte Partner in Großstädten wie Hamburg, Köln und München organisiert.

Verbrauch und Realitätseindruck

Die Reise ans Nordkap dokumentierte eindrucksvoll, dass die WLTP-Werte keine Luftnummern sind. Der gemessene Verbrauch beim G6 lag über die gesamte Strecke hinweg bei durchschnittlich rund 17,6 kWh pro 100 Kilometer. Der G9 pendelte sich bei 19,5 kWh ein. Bei Kälte stieg der Minderverbrauch allerdings deutlich, was auch bei allen anderen Herstellern ein bekanntes Phänomen ist. Dennoch kann festgehalten werden, dass beide Modelle praxistaugliche Verbräuche liefern, die angesichts von Größe und Leistung konkurrenzfähig sind.

Ausblick: Nächster Stresstest im Süden

Xpeng kündigte bereits den zweiten Teil des Projekts an. Nach dem Roadtrip ans Nordkap geht es nun in die entgegengesetzte Richtung: Bis Ende des Jahres sollen neue G6 und G9 bei einer Fahrt bis zur portugiesischen Südküste erprobt werden. Dann wird die 10.000-Kilometer-Marke tatsächlich überschritten. Spannend ist vor allem, daß die Modelle künftig mit neu entwickelten Lithium-Eisenphosphat-Batterien ausgestattet sein werden, die Ladeleistungen von über 500 kW ermöglichen sollen. Damit könnten Ladezeiten von lediglich zwölf Minuten für den Sprung von zehn auf 80 Prozent Reichweite Realität werden. Ob das auch abseits idealer Bedingungen Bestand hat, werden die nächsten Etappen zeigen.

Die Xpeng E-XPerience 10.000+ hat gezeigt, dass die noch relativ unbekannte Marke durchaus in der Lage ist, Elektro-SUVs mit Langstreckentauglichkeit anzubieten. Die Fahrzeuge überzeugten mit kurzer Ladezeit, praxistauglicher Reichweite und hohem Komfort. Auch wenn das Service- und Händlernetz in Deutschland noch ausgebaut werden muss, positioniert sich Xpeng mit aggressiver Preisgestaltung und solider Technik als ernstzunehmender Wettbewerber für europäische und US-amrikanische Hersteller. Ob sich diese Rolle festigen lässt, hängt davon ab, ob die Marke ihre ambitionierten Pläne für Batterietechnik und Ladeperformance auch unter Alltagsbedingungen einlösen kann. Die Nordkap-Tour liefert dafür zumindest einen ersten überzeugenden Beweis.