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Rolle rückwärts auch bei Mercedes: A-Klasse erhält Nachfolger

Abschied von der Luxus-only-Strategie: Die Mercedes A-Klasse erhält doch einen Nachfolger - Bildnachweis: MOTORMOBILES


Abschied von der Luxus-Strategie

Die Geschichte hat eine Wendung genommen, die vor wenigen Monaten kaum jemand erwartet hätte. Mercedes, lange festgelegt auf eine Abkehr von seinen kleineren Modellen, vollzieht eine Rolle rückwärts und kündigt nun doch einen Nachfolger für die A-Klasse an. Das ist mehr als nur eine Randnotiz der Modellpolitik. Es ist ein Signal, dass der Stuttgarter Konzern seine Luxus-Strategie korrigieren muss, um im härter werdenden Wettbewerb nicht den Anschluss zu verlieren.

Vom Ausstieg zur Rückkehr

Noch vor einem Jahr hatte das Management von Mercedes unmissverständlich klargemacht, dass die Zukunft der Marke mit dem Stern ausschließlich im oberen Segment liegen werde. Fahrzeuge wie die A- und B-Klasse sollten an Bedeutung verlieren, weil die Erträge dort geringer ausfallen als bei den großen Limousinen, SUVs und elektrischen Luxusmodellen. Händler und Analysten waren gleichermaßen überrascht, als die Stuttgarter nun bekannt gaben, dass die aktuelle Generation der A-Klasse nicht wie ursprünglich 2026, sondern erst 2028 ausläuft – und dass es danach erneut ein Einstiegsmodell geben soll.

Deshalb wirkt der Schritt gleich in zweierlei Hinsicht aufschlussreich. Erstens: Die A-Klasse ist für Mercedes mehr als nur ein Volumenbringer. Sie ist seit 1997 der Türöffner für Kunden, die später zu teureren Modellen wechseln. Zweitens: Der Druck der Konkurrenz zwingt die Schwaben, ihr Portfolio breiter aufzustellen. BMW arbeitet bereits an einer elektrischen Neuauflage des 1er, Audi bereitet entsprechende Angebote im A3- oder Q3-Segment vor. Ein Rückzug hätte den Rivalen freie Bahn gegeben, die jüngere und preissensiblere Kundschaft für sich zu gewinnen.

Preispolitik und Modellpositionierung

Die Zahlen zeigen, warum die Entscheidung so wichtig ist. Heute beginnt die Preisliste der A-Klasse bei knapp über 34.000 Euro. Damit markiert sie den günstigsten Einstieg in die Welt des Sterns. Der neue elektrische CLA, der auf der modernen MMA-Plattform debutiert, startet hingegen erst bei rund 53.000 Euro. Für viele Käufer wäre damit ein zu großer Sprung entstanden. Selbst geplante Hybridversionen des CLA sollen nicht unter 46.500 Euro verfügbar sein. Das klingt nach Verdrängung aus dem unteren Preissegment, auch wenn Mercedes gleichzeitig auf höhere Margen setzt.

Aber: Die Verantwortlichen wissen, dass gerade in den kompakten Modellen die Stückzahlen entstehen, die Werkhallen auslasten und die Marke auf den Straßen sichtbar halten. 2024 setzten A- und B-Klasse weltweit über eine halbe Million Einheiten ab. Diesen Absatzkampfmotor stillzulegen, wäre ein Risiko gewesen, das die Anleger und Händler zunehmend kritisch betrachteten.

Die Rolle der MMA-Architektur

Das nächste Einstiegsmodell soll – wie auch der CLA – auf der sogenannten Mercedes Modular Architecture (MMA) basieren. Diese hochflexible Plattform wurde ursprünglich für Elektrofahrzeuge entwickelt, kann aber auch Hybridantriebe zulassen. Brancheninsider erwarten keinen komplett neuen Entwurf, sondern eine abgespeckte Variante einer bestehenden Baureihe, wahrscheinlich ein kompaktes SUV. Der GLA oder der GLB, in leicht veränderter und preislich attraktiver Form, stehen dabei hoch im Kurs. Aus Kostensicht wäre das ein logischer Weg, zumal die Abkehr von reinen Verbrennern bis 2030 beschlossene Sache ist.

Zwischen Luxusstrategie und Marktrealität

Man könnte Mercedes an dieser Stelle Wankelmut attestieren. Noch vor Kurzem wurde die klare Ausrichtung auf Luxus und Oberklasse als kluge und mutige Schwerpunktsetzung gefeiert. Heute wirkt die Korrektur wie eine stille Kapitulation vor der Realität. Vielleicht ist es vielmehr Ausdruck einer pragmatischen Flexibilität, die ein global agierender Konzern in Zeiten multipler Krisen braucht. Denn der Markt für Elektroautos wächst zwar, trägt sich aber noch nicht von selbst. Kunden im unteren Preissegment zu verlieren, während die Akzeptanz von BEVs schwankt, könnte sich als Bumerang erweisen.

Bedeutung für Anleger und Kunden

Für Anleger ist der Strategiewechsel ein ambivalentes Signal. Einerseits verspricht ein Einstiegsmodell stabile Volumina und erleichtert die Kundenbindung in unsicheren Zeiten. Andererseits droht es, die Konzentration auf margenträchtige Oberklasse-Fahrzeuge zu verwässern. Händler begrüßen die Entscheidung, weil eine Angebotslücke im unteren Bereich ihre Absatzchancen verschlechtert hätte. Kunden wiederum können hoffen, dass der Stern nicht völlig außer Reichweite gerät. Denn ein Elektro-CLA für über 50.000 Euro ist für viele keine realistische Option, während eine Neuauflage des A-Klasse-Prinzips die Chance auf einen etwas bezahlbareren Einstieg bewahrt.

Es bleibt dennoch die Frage: Wird Mercedes den Spagat schaffen, attraktive Einstiegsmodelle anzubieten, ohne das Premiumimage zu verwässern? Skepsis ist angebracht. Denn am Ende lebt die Marke von Exklusivität. Ein zu starkes Zurückrudern könnte in einem hart erkämpften Luxusnimbus Risse verursachen. Gleichzeitig lebt ein Automobilkonzern nicht von Prestige allein, sondern auch von verlässlichen Verkaufszahlen. Gerade diese Balance macht die neue Modellpolitik von Mercedes spannend und zu einem echten Lackmustest für die Strategie der kommenden Jahre.