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Sechs Jahrzehnte Audi: Wie der F 103 1965 eine Marke neu erfand

Der intern F 103 genannte Audi startet 1965 und wird ein voller Erfolg und begründet eine ganze Baureihe - Bildnachweis: Audi

Historischer Kontext

Vor 60 Jahren, am 13. August 1965, lief bei der Auto Union in Ingolstadt erstmals ein Fahrzeug vom Band, das rückblickend als Geburtsstunde der modernen Marke Audi gilt: Der F 103. Er markierte den Abschied vom Zweitakter-Zeitalter der DKW-Vergangenheit – und leitete mit neuem Motor, modernisierter Karosserie und einer bewusst zurückhaltenden, aber technisch orientierten Positionierung den Neuanfang unter dem traditionsreichen Namen „Audi“ ein. Was damals als technisch pragmatische Lösung galt, entwickelte sich zu einem Wendepunkt deutscher Automobilgeschichte.

Nach dem Zweiten Weltkrieg war die Auto Union auf dem Neuanfang in Westdeutschland angewiesen. In Ingolstadt etablierte sich das Unternehmen zunächst mit Motorrädern und kleinen DKW-Pkw, die ausschließlich mit Zweitaktmotoren betrieben wurden. Doch in den frühen 1960er-Jahren zeichnete sich ab, dass der Markt sich veränderte: Viertaktmotoren galten als laufruhiger, effizienter und langlebiger – der technologische Rückstand gegenüber der Konkurrenz wurde unübersehbar.

1964 übernahm Volkswagen die Mehrheit an der Auto Union GmbH. Gleichzeitig wurde der unter Daimler-Benz-Regie entwickelte Vierzylinder-Viertaktmotor M118 freigegeben. Damit war der Weg frei für ein neues Modell – nicht nur technisch, sondern auch strategisch. Der Name „DKW“ wurde verworfen. Stattdessen erinnerte man sich an die traditionsreiche Marke Audi – erstmals nach dem Krieg.

Technisches Konzept

Der F 103 basierte auf der Karosserie des DKW F 102, wurde jedoch im Frontbereich modifiziert, um Platz für den neuen Viertaktmotor zu schaffen. Das Aggregat mit obenliegender Nockenwelle war als Vierzylinder-Reihenmotor konzipiert, wahlweise mit 1,5 oder 1,8 Litern Hubraum. Die Motorleistung reichte je nach Variante von 55 bis 90 PS.

Das Getriebe war ein manuelles Viergang-Getriebe mit Lenkradschaltung, später auch mit Mittelschaltung erhältlich. Vorn kamen Scheibenbremsen zum Einsatz, hinten Trommelbremsen – eine Kombination, die damals der Mittelklasse entsprach. Die Fahrzeuglänge lag bei rund 4,40 Metern, das Leergewicht betrug je nach Ausführung etwa 950 bis 1.000 Kilogramm.

Die Modellbezeichnungen orientierten sich an der Motorleistung: Audi 72, Audi 80, Audi Super 90. Ab 1968 folgten Audi 60 und Audi 75 – letzterer ein Übergangsmodell, das bereits das technsche Layout des Nachfolgers Audi 100 vorwegnahm. Neben der Limousine war ab 1966 auch eine Kombiversion namens Audi Variant erhältlich.

Marktposition und Varianten

Mit dem F 103 betrat Audi die Mittelklasse – ein Segment, das seinerzeit von Opel Rekord, Ford Taunus oder dem VW Typ 3 dominiert wurde. Der Audi setzte auf solide Technik, sachliches Design und einen relativ niedrigen Einstiegspreis: Die günstigsten Modelle lagen zum Marktstart bei etwa 7.000 DM, die Spitzenvarianten bei über 8.000 DM.

Das Modellangebot umfasste:

  • Audi 72 mit 1,5l und 72 PS
  • Audi 80 mit 1,8 l und 80 PS
  • Audi Super 90 mit 1,8 l und 90 PS
  • Audi 60 als abgespeckte Basisversion
  • Audi 75 als späte Zwischenstufe

Dazu kamen Varianten mit gehobener Ausstattung (L-Modelle) sowie der dreitürige Kombi Variant. Die technische Plattform blieb über alle Modelle hinweg weitgehend identisch.

Bedeutung für die Marke Audi

Der F 103 war mehr als ein neues Modell – er war das Symbol für den Übergang von der Vergangenheit in die Zukunft. Die Rückbesinnung auf den Namen „Audi“, der bereits 1910 gegründet worden war, zeigte die Absicht, eine eigenständige Markenidentität zu etablieren. Das Fahrzeug diente als technischer und strategischer Brückenschlag – von der Zweitakt-DKW-Tradition hin zur modernen Viertakt-Audi-Linie.

Mit über 400.000 produzierten Einheiten zwischen 1965 und 1972 war der F 103 ein wirtschaftlicher Erfolg. Er sicherte der Auto Union Stabilität, legte die Basis für spätere Modelle wie den Audi 100 (ab 1968) und den Audi 80 (ab 1972) – und ermutigte Volkswagen, Audi nicht nur als technisches Versuchslabor, sondern als eigenständige Marke weiterzuentwickeln.

Kritische Bewertung

Aus heutiger Sicht erscheint der F103 weder revolutionär noch besonders stilbildend – doch sein Wert liegt in der Weichenstellung. Die Entscheidung für eine neue Technikplattform, für einen neuen Namen und für ein sachlich-qualitatives Markenbild hatte weitreichende Folgen. Die Motoren stammten aus der Daimler-Entwicklung, das Know-how aus Ingolstadt, die Strategie kam aus Wolfsburg – eine Kombination, die zum Erfolgsmodell wurde.

Der F103 war kein sportliches Prestigeobjekt, sondern ein techniknahes, durchdachtes Mittelklassefahrzeug. Seine klare Modellstruktur, die gute Verarbeitung und die einfache Wartbarkeit machten ihn beliebt bei Dienstwagenkunden, Familien und Vielfahrern. Der leise, kultivierte Motorlauf wurde von zeitgenössischen Testern gelobt – ebenso die hohe Alltagstauglichkeit.

Fazit

60 Jahre nach seinem Produktionsstart ist der Audi F 103 ein Stück Technikgeschichte – kein Glanzstück des Designs, aber ein Meilenstein der Ingenieurskunst. Er war die solide Brücke zwischen der Vergangenheit und der Zukunft von Audi. Die Entscheidung, dieses Modell nicht mehr als DKW, sondern als Audi zu vermarkten, war nicht nur ein Marketing-Schachzug, sondern ein strategischer Wendepunkt. Wer heute einen Audi fährt, verdankt das auch dem Mut und der Sachlichkeit dieses ersten Nachkriegsaudis.