
Philipp von Hirschheydt stellt den neuen Namen von Automotive auf der Auto Shanghai vor - Bildnachweis: Continental
Aufbruch mit neuem Namen
Der Continental-Konzern vollzieht einen tiefgreifenden strategischen Schnitt: Der Unternehmensbereich Automotive wird ausgegliedert und firmiert künftig unter dem Namen Aumovio. Die Ankündigung erfolgte im Rahmen der Auto Shanghai 2025 – nicht zufällig auf einer der bedeutendsten Automobilmessen im größten Fahrzeugmarkt der Welt. Mit dem Schritt will Continental seine Strukturen straffen, Innovationspotenziale besser ausschöpfen und vor allem die Kapitalmarktattraktivität der neuen Einheit erhöhen. Doch wie tragfähig ist der Plan, und welche Perspektiven bietet Aumovio tatsächlich?
Ein neuer Name mit großer Last
Der neue Markenname Aumovio soll laut Konzernführung die Verbindung aus Tradition, technologischem Know-how und zukunftsgerichteter Mobilität symbolisieren. Hinter der Namenswahl steht jedoch nicht nur ein Rebranding, sondern ein kompletter Neustart: Aumovio wird als eigenständiges Unternehmen an die Frankfurter Wertpapierbörse gebracht, voraussichtlich im September 2025 – vorbehaltlich der Zustimmung durch die Hauptversammlung von Continental am 25. April.
Die Konzernspitze verspricht sich von der Abspaltung eine höhere Agilität, schnellere Entscheidungen und eine bessere Marktorientierung – insbesondere mit Blick auf die rasanten Veränderungen in den Bereichen Software, Digitalisierung und automatisiertes Fahren. Dass dabei auf der Auto Shanghai 2025 auch der sogenannte „im Markt für den Markt“-Ansatz betont wurde, unterstreicht die Bedeutung des chinesischen Marktes für das neue Unternehmen.
Fokus auf Software und Elektronik
Aumovio wird sich auf Elektroniklösungen und Mobilitätstechnologien für software-definierte Fahrzeuge spezialisieren. Damit reagiert das Unternehmen auf den globalen Trend hin zu vernetzten, digitalisierten und zunehmend autonomen Fahrzeugarchitekturen. Im Zentrum stehen Produkte wie Assistenzsysteme, Softwareplattformen und HMI-Lösungen (Human-Machine-Interfaces) – allesamt Schlüsselbereiche für die Mobilität der nächsten Dekade.
Neben Sensoren, Displaytechnik und Komfortsystemen sind es vor allem die softwarebasierten Funktionen, mit denen Aumovio punkten will. Dazu zählt auch die Entwicklung intelligenter Fahrerassistenzsysteme wie Luna und Astra, die in einem chinesisch-deutschen Gemeinschaftsunternehmen speziell für den lokalen Markt entwickelt wurden. Während Luna die aktive Sicherheit und alltägliche Fahraufgaben unterstützt, soll Astra sogar ohne hochauflösende Karten assistiertes Fahren ermöglichen – inklusive lernfähiger Parkassistenz.
Wirtschaftliche Eckdaten und Markterwartungen
Im Geschäftsjahr 2024 erwirtschaftete der Bereich Automotive einen Umsatz von rund 19,4 Milliarden Euro und beschäftigte weltweit etwa 92.000 Mitarbeiter. Davon arbeiten rund 10.000 Menschen in China, wo etwa 14 Prozent des Umsatzes erzielt wurden. Prognosen zufolge soll der Marktwert softwarebasierter Fahrzeuglösungen bis 2029 um jährlich 4,7 Prozent zulegen – deutlich mehr als das weltweite Wachstum bei Pkw und leichten Nutzfahrzeugen.
Die Prognosen stammen unter anderem von S&P Global Mobility sowie der Beratungsfirma Berylls und stützen die Annahme, dass Aumovio in einem dynamisch wachsenden Marktsegment positioniert ist. Dennoch bleibt offen, ob sich diese Erwartungen auch tatsächlich realisieren lassen. Die Konkurrenz in diesem Technologiesektor ist groß, insbesondere durch asiatische und amerikanische Tech-Unternehmen mit hoher Softwarekompetenz und starken Partnerschaften mit Automobilherstellern.
Chancen und Risiken der Eigenständigkeit
Die Abspaltung von Aumovio ist nicht ohne Risiko. Einerseits bietet die Eigenständigkeit die Möglichkeit, sich fokussierter und schneller an Marktentwicklungen anzupassen. Andererseits entfällt der Rückhalt durch den größeren Mutterkonzern. Die Eigenmarke muss sich im globalen Wettbewerb behaupten – technologisch, personell und finanziell. Dabei wird entscheidend sein, wie gut Aumovio den Spagat zwischen globaler Skalierung und lokaler Anpassung meistert.
Der Fokus auf China ist strategisch nachvollziehbar, denn dort sind sowohl die Kundenanforderungen als auch die Innovationszyklen besonders dynamisch. Doch der Markteintritt chinesischer Tech-Konzerne in den Automobilbereich ist zugleich ein Warnsignal: Wer dort erfolgreich sein will, muss nicht nur gute Technik liefern, sondern auch lokal integrierte Entwicklung, flexible Lieferketten und kulturelles Verständnis mitbringen.
Ausblick auf den Börsengang
Mit dem geplanten IPO im September 2025 stellt sich Aumovio dem Urteil des Kapitalmarktes. Investoren dürften genau hinsehen, ob der neue Player seine ambitionierten Ziele in den Bereichen Software, Assistenzsysteme und Fahrzeugarchitekturen auch umsetzen kann. Dabei wird nicht nur auf technologische Innovationskraft geachtet, sondern auch auf Rentabilität, strategische Partnerschaften und langfristige Skalierbarkeit der Geschäftsmodelle.
Der Börsengang wird auch ein Gradmesser dafür sein, wie stark das Vertrauen in die Zukunftsfähigkeit deutscher Automobilzulieferer ist – in einer Zeit, in der klassische Wertschöpfungsketten neu gedacht werden müssen und Software-Expertise zunehmend über Markterfolg entscheidet.
Fazit: Ein mutiger Schritt mit offenem Ausgang
Die Gründung von Aumovio markiert einen wichtigen Wendepunkt in der Geschichte von Continental. Die strategische Entscheidung, den Bereich Automotive eigenständig zu machen, folgt einem klaren Trend in der Branche: mehr Spezialisierung, mehr Agilität, mehr Software. Ob der Neustart gelingt, wird sich in den kommenden Jahren zeigen. Klar ist: Der Wettbewerb um die Mobilität der Zukunft ist eröffnet – und Aumovio will ganz vorne mitspielen.
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