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Stahl aus Österreich für Chinas Stromer: Voestalpine liefert den Stahl für Europas erste BYD-Fabrik

V.r.n.l.: Stella Li, Executive Vice President BYD, und Voestalpine-CEO Herbert Eibensteiner - Bildnachweis: BYD

  

Strategische Weichenstellung in Europa: Regionale Zuliefererbasis entscheidend für den Grundsatz der lokalisierten Produktion

Die Entscheidung fiel mit Bedacht: Der chinesische Elektroautobauer BYD hat das österreichische Unternehmen Voestalpine als einen seiner ersten offiziellen Zulieferer für den Aufbau seines ersten europäischen Automobilwerks in Szeged, Ungarn, bestätigt. Dahinter steckt mehr als nur eine pragmatische Materialbeschaffung. Es ist ein deutliches Signal für den Ausbau lokaler Wertschöpfungsketten, für industriepolitische Verflechtung und für die strategische Absicht, nicht nur in Europa präsent zu sein, sondern dauerhaft mitzuwirken – technologisch, wirtschaftlich und symbolisch.

Industriepolitisches Ausrufezeichen

Mit der Standortwahl Szeged und der Entscheidung für Voestalpine verfolgt BYD gleich mehrere Ziele. Die geografische Nähe zum Stahlwerk in Linz reduziert nicht nur Lieferzeiten und Transportemissionen, sondern entspricht auch dem Grundsatz, möglichst viele Zulieferer in Europa zu finden und einzubinden. Damit wird die oft kritisierte Dominanz asiatischer Lieferketten aufgebrochen und durch europäische Industriekompetenz ergänzt. Für Voestalpine ist der Auftrag von BYD mehr als ein Liefervertrag: Er steht exemplarisch für den Wandel der Autoindustrie hin zu nachhaltigeren Antriebstechnologien und stellt gleichzeitig einen potenziellen Einstieg in eine langfristige Partnerschaft mit einem der weltweit wachstumsstärksten Autobauer dar.

Produktionsstart Ende 2025 geplant

Das neue Werk in Szeged soll nach aktuellem Stand Ende 2025 in Betrieb gehen. Geplant ist dort die Produktion von vollelektrischen Pkw, speziell zugeschnitten auf europäische Marktbedürfnisse. BYD verfolgt dabei das klare Ziel, sich als ernstzunehmender Wettbewerber zu etablieren – mit europäischen Autos für europäische Kunden. Bis Ende 2025 will BYD in 29 europäischen Ländern vertreten sein und über ein Netz von mehr als 1.000 Vertriebspartnern verfügen. Parallel zum Werksbau entsteht auch ein neues europäisches Forschungs- und Entwicklungszentrum, das ebenfalls in Ungarn angesiedelt wird – ebenso wie die europäische Konzernzentrale, die künftig in Budapest beheimatet sein soll.

Lokale Lieferstrukturen als Kernstrategie

Die Rolle von Voestalpine als Stahllieferant ist kein Zufallsprodukt. Die Österreicher liefern hochwertigen Flachstahl für Karosserie- und Außenblechteile, mit Produktionsstart bereits ab Herbst 2025. Zum Einsatz kommen moderne Stahllösungen, die im Automobilbau nicht nur unter Gewichts- und Festigkeitsaspekten entscheidend sind, sondern auch in Bezug auf Verarbeitungseffizienz und Sicherheit eine Schlüsselrolle spielen. Dass BYD auf Voestalpine setzt, lässt sich dabei nicht nur mit Qualitätskriterien erklären, sondern ist auch Teil einer bewussten Lokalisierungsstrategie. Diese soll mittelfristig dazu führen, dass nicht nur Montage und Vertrieb, sondern auch Technologie und Beschaffung europäisch geprägt sind.

Elektromobilität und Energiemanagement im Fokus

Neben der physischen Werkserrichtung verfolgt BYD in Europa weitere strategische Projekte. Besonders hervorzuheben ist die Einführung von V2H-Technologien (Vehicle to Home), bei der Österreich als Pilotmarkt dient. Hierbei sollen Fahrzeuge künftig nicht nur Energie aufnehmen, sondern auch zurück in private Haushalte einspeisen können. Dass Österreich ausgewählt wurde, liegt an der vergleichsweise hohen Verbreitung privater Solaranlagen. Schon jetzt zeigt sich reges Kundeninteresse: Laut BYD-Händlern erkundigt sich etwa jeder zweite Käufer nach dieser Technologie. Noch sind technische Details und ein Zeitplan offen, aber die Richtung ist klar: BYD möchte in Europa nicht nur Fahrzeuge verkaufen, sondern eine ganzheitliche E-Mobilitätsinfrastruktur mitgestalten – von der Batterie über das Fahrzeug bis hin zur Energieverteilung im Haushalt.

BYD zwischen Wachstumsambitionen und Marktherausforderungen

Die Ambitionen von BYD sind hoch, der Markteintritt in Europa erfolgt mit Nachdruck. Dass das Unternehmen seinen Fokus nicht nur auf Verkauf, sondern auch auf Produktion, Forschung und Energieinfrastruktur legt, unterscheidet es von anderen chinesischen Anbietern, die den Markt bislang eher als Exportdestination behandelten. BYD dagegen positioniert sich klar als Akteur, der lokal integriert agieren will. Für Voestalpine bedeutet dies die Chance auf kontinuierliche Aufträge in einem wachsenden Industriesegment. Gleichzeitig müssen sich europäische Autobauer auf ernsthafte Konkurrenz einstellen, die zunehmend heimische Produktionskapazitäten nutzt – und damit auch die protektionistische Kritik am chinesischen Exportmodell kontert.

Wie erfolgreich BYD diesen Weg beschreiten wird, hängt von mehreren Faktoren ab: Akzeptanz bei europäischen Kunden, politisch-regulatorisches Umfeld, technische Anpassung an europäische Normen und Standards – und nicht zuletzt von der Fähigkeit, qualitativ auf Augenhöhe mit etablierten Marken zu agieren. Erste Bewertungen aus unabhängigen Vergleichstests deuten an, dass BYD-Fahrzeuge im Bereich Reichweite, Verarbeitungsqualität und Ausstattung durchaus konkurrenzfähig sind. Es bleibt jedoch abzuwarten, wie nachhaltig sich das Unternehmen auf einem anspruchsvollen und bereits gesättigten Markt behaupten kann.

Fazit: Lokaler Stahl für die Fabrik im ungarischen Szeged

Mit der Kooperation zwischen BYD und Voestalpine wird ein industriepolitisch und technologisch bedeutsames Kapitel aufgeschlagen. Das Projekt in Ungarn steht exemplarisch für eine neue Entwicklungsstufe der Elektromobilität in Europa – nicht nur durch internationale Investitionen, sondern durch gezielte regionale Einbindung. Es ist eine Entwicklung, die sowohl Chancen als auch Herausforderungen mit sich bringt: Für die heimische Zulieferindustrie, für europäische Wettbewerber und nicht zuletzt für die Verkehrswende als Ganzes. BYD hat sich entschieden, den europäischen Markt nicht nur zu beliefern, sondern aktiv mitzugestalten. Mit Voestalpine an Bord nimmt diese Strategie nun konkrete Gestalt an.