Bildnachweis: ZDK
Wachsende Zulassungen, sinkende Stimmung: Die bivalente Realität des BEV-Marktes
Die Zahl der batterieelektrischen Fahrzeuge, die in Deutschland neu zugelassen werden, steigt seit Jahresbeginn spürbar an. Wer jedoch daraus schließt, dass sich Elektromobilität ungebremst durchsetzt und Autohäuser einen Verkaufsboom erleben, täuscht sich. Hinter den glänzenden Zahlen verbergen sich zunehmend Probleme, die den Alltag in den Autohäusern prägen. Branchenvetreter warnen inzwischen, dass die Statistiken mehr Schein als Sein vermitteln. Es zeigt sich ein Markt, der zwischen politischen Ambitionen, technischen Herausforderungen und realer Kundennachfrage zerrieben wird.

Widersprüche zwischen Statistik und Realität
Laut Kraftfahrt-Bundesamt wurden von Januar bis Juli 2025 rund 370.000 batterieelektrische Fahrzeuge (BEVs) neu zugelassen. Damit wuchs der Marktanteil gegenüber dem Vorjahreszeitraum leicht. Doch laut der aktuellen Konjunkturumfrage des Zentralverbands Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe (ZDK) trübt sich die Stimmung in den Handelsbetrieben trotz dieser Zahlen weiter ein. Händler melden geringere Auftragseingänge, eine schwache Nachfrage bei Privatkunden und steigende Unsicherheiten bei den Umsatzerwartungen. Besonders kritisch fällt auf, dass ein erheblicher Teil der statistisch erfassten Zuwächse nicht auf echte Kundenbestellungen zurückzuführen ist, sondern auf Eigenzulassungen von Herstellern und Händlern. Allein im ersten Halbjahr 2025 haben sich diese Eigenzulassungen im Vergleich zu 2023 mehr als verdoppelt. Während die privaten Käufer wegbleiben, wächst der rechnerische Absatz vor allem durch interne Marktbelebung seitens der Industrie.
Ursachen der Marktschwäche
Die Zurückhaltung privater Käufer hat mehrere Gründe. Seit dem abrupten Ende der Umweltprämie im Dezember 2023 sind Neuwagen mit batterieelektrischem Antrieb für viele Haushalte finanziell weniger attraktiv. Gleichzeitig gelten Elektroautos weiterhin als teuer, insbesondere im Vergleich zu Verbrennern der Kompakt- und Mittelklasse. Hinzu kommt das Problem der Ladeinfrastruktur: Trotz deutlicher Fortschritte beim Schnellladenausbau ist die Dichte der Ladepunkte regional stark unterschiedlich. Strompreise sind für viele Haushalte hoch, vor allem dort, wo keine eigene Lademöglichkeit vorhanden ist. Wer zur öffentlichen Ladesäule greifen muss, sieht sich oft mit schwer durchschaubaren Tarifen konfrontiert.
Für Gewerbekunden, die von steuerlichen Vorteilen beim Dienstwagen profitieren, bleibt ein gewisser Anreiz bestehen. Doch auch hier sind die Neuzulassungen nicht dynamischer geworden. Ohne zusätzliche Impulse stagniert der Flottenmarkt nahezu. Der ZDK mahnt daher, dass die amtlichen Zulassungszahlen den Kern der Entwicklung verschleiern: Während die Zulassungsstatistik scheinbar von Erfolg erzählt, zeigt die Realität vieler Autohäuser eine enttäuschende Auftragslage.
Auswirkungen auf das Kfz-Gewerbe
Besonders deutlich ist die Skepsis unter größeren Betrieben. Mehr als die Hälfte bewertet ihre Geschäftslage inzwischen schlechter als zu Jahresbeginn. Sie sind stärker vom Absatzgeschäft abhängig als kleine Werkstätten, die vom Servicegeschäft und Reparaturen profitieren können. Kleine und mittlere Betriebe berichten daher von einer stabileren Situation, während größere Autohäuser, die auf hohe Verkaufszahlen angewiesen sind, zunehmend pessimistisch werden. Aus volkswirtschaftlicher Sicht ist das ein Warnsignal, weil es nicht nur um einzelne Firmen, sondern um zehntausende Arbeitsplätze geht, die an den Strukturen des Autohandels hängen.
Die aktuellen Zahlen belegen, dass die privaten Zulassungen im ersten Halbjahr 2025 im Vergleich zu 2023 um fast zehn Prozent gefallen sind. Auch die Hinzunahme der Juli-Daten ändert den Trend kaum. Selbst wenn man die wachstumsfreundlichen Eigenzulassungen herausrechnet, stagnieren die gewerblichen Käufe nahezu. Unter dem Strich bleibt festzuhalten, dass die Branche trotz steigender offizieller BEV-Zahlen im Alltag weniger echte Nachfrage erlebt.
Politische Dimension und Zukunftsfragen
Von den Betrieben wird die Politik zunehmend kritisiert. Vier von fünf Unternehmen halten die aktuellen Maßnahmen der Bundesregierung für unzureichend. Besonders häufig wird auf die Belastung durch hohe Energiepreise verwiesen, die sowohl Privatkäufer als auch Mittelständler vom Umstieg abhalten. Neben niedrigeren Strompreisen stehen der rasche Ausbau von Ladeinfrastruktur und eine transparentere Preispolitik ganz oben auf der Liste der Forderungen.
Die politische Förderung konzentriert sich bisher stark auf den Dienstwagenmarkt. Durch die reduzierten Versteuerungssätze für Elektroautos profitieren zwar Großabnehmer und Unternehmen, doch für typische Privatkunden ändert sich wenig. Marktfachleute warnen: Solange die breite Kundschaft nicht mitgenommen wird, bleibt die Elektromobilität ein Randmarkt, der nur durch statistische Effekte aufgebläht wirkt.
Vergleich zu den Klimazielen
Diese Entwicklung wirft Fragen hinsichtlich der Zukunft auf. Die EU hat beschlossen, dass ab 2035 keine neuen Pkw mit Verbrennungsmotoren mehr zugelassen werden dürfen. Um dieses Ziel einzuhalten, müsste der Marktanteil batterieelektrischer Fahrzeuge heute deutlich höher liegen. Branchenberechnungen zufolge wären mindestens 100.000 weitere Zulassungen pro Jahr nötig, um den Pfad in Richtung 25 Prozent Marktanteil bei Neuwagen zu halten. Derzeit liegt der Wert sogar hinter den Erwartungen zurück. Sollte sich dieser Trend fortsetzen, drohen Lücken bei der Zielerreichung, die später nur durch drastischere politische Maßnahmen geschlossen werden könnten.
Der deutsche Markt für Elektroautos zeigt ein widersprüchliches Bild
Nach außen steigt die Zahl der Neuzulassungen, doch unter der Oberfläche weist vieles auf eine strukturelle Schwäche hin. Hersteller und Händler versuchen durch Eigenzulassungen, die Statistiken zu stabilisieren, während private Käufer und viele Gewerbekunden zurückhaltend bleiben. Für das Kfz-Gewerbe bedeutet das wachsenden Druck, denn die wirtschaftliche Lage hat sich in weiten Teilen verschlechtert. Ohne gezieltere Förderung, sinkende Energiekosten und eine verlässliche Infrastruktur dürfte es schwer werden, die Elektromobilität nachhaltig im Markt zu etablieren. Deutschland droht damit, beim Übergang zur klimaneutralen Mobilität ins Hintertreffen zu geraten.

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