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Steuerliche Vollbremsung für Verbrenner: So will die Regierung E-Autos zum Durchbruch verhelfen

Als Diesntwagen beliebt: Audi Q6 e-tron - Bildnachweis: Audi

 

Wirtschaftlicher Impuls oder soziale Umverteilung?

Die deutsche E-Auto-Branche steht vor einem Richtungswechsel: Mit einem Mix aus Steuererleichterungen und Abschreibungsvorteilen will die Bundesregierung Unternehmen dazu bewegen, schneller auf Elektroflotten umzusteigen. Das geplante „Investitionssofortprogramm“ von Finanzminister Lars Klingbeil (SPD) könnte jedoch nicht nur die Verkehrswende beschleunigen, sondern auch tiefe Gräben in der Koalition offenlegen.

Die Kernpunkte des Pakets

Ab Juli 2025 können Unternehmen bei Anschaffung batterieelektrischer Fahrzeuge (BEV) 75 % der Kosten im ersten Jahr steuerlich abschreiben – ein deutlicher Sprung gegenüber den bisherigen Regelungen. Über fünf Jahre verteilt kommen weitere 25 % hinzu, sodass nach sechs Jahren die komplette AfA (Absetzung für Abnutzung) ausgeschöpft ist. Diese Sonderregel gilt ausschließlich für Neufahrzeuge, die zwischen dem 1. Juli 2025 und dem 31. Dezember 2027 zugelassen werden.

Parallel wird die Bruttolistenpreisgrenze für das Dienstwagenprivileg von 70.000 auf 100.000 Euro angehoben. Konkret bedeutet dies: Ein Angestellter, der einen elektrischen Dienstwagen im Wert von 100.000 Euro nutzt, versteuert weiterhin nur 0,25 % des Bruttopreises monatlich – also 250 Euro. Bei Verbrennern läge der geldwerte Vorteil bei 1 % (1.000 Euro). Für Luxusmarken wie Porsche oder Mercedes eröffnet dies neue Marktchancen.

Die Rechnung des Finanzministers

Das Gesamtpaket umfasst Entlastungen von rund 46 Milliarden Euro bis 2029. Neben den E-Auto-Vorteilen sieht der Entwurf einen „Investitionsbooster“ vor: 30 % Sofortabschreibung auf bewegliche Güter wie Maschinen bis 2027. Die Körperschaftssteuer soll schrittweise von 15 % (2025) auf 10 % (2032) sinken. Nicht ausgeschüttete Gewinne werden ab 2028 begünstigt besteuert – ein Signal an DAX-Konzerne, Gewinne im Land zu reinvestieren.

Doch die Rechnung hat einen Haken: Da die Steuermindereinnahmen auch Länderhaushalte belasten, muss der Bundesrat zustimmen. Aus Kreisen der Unionsfraktion heißt es bereits, man werde „keine Blankoschecks für ideologiegetriebene Steuergeschenke“ ausstellen.

Preisbeispiele und Zielgruppen

Von den Regelungen profitieren vor allem gewerbliche Käufer. Ein Beispiel: Ein Handwerksbetrieb kauft einen Volkswagen ID. Buzz für 65.000 Euro. Im ersten Jahr kann er 48.750 Euro (75 %) als Betriebsausgabe absetzen, was bei einem Steuersatz von 30 % eine Entlastung von 14.625 Euro bringt. Über die Folgejahre summiert sich die Steuerersparnis auf insgesamt 19.500 Euro.

Für Oberklassemodelle wie den BMW i7 (ab 120.000 Euro) gilt: Obwohl die 100.000-Euro-Grenze überschritten wird, profitieren Firmenkunden immerhin von der beschleunigten AfA. Privatkäufer erhalten hingegen keine direkten Kaufprämien – hier setzt die Regierung auf die verlängerte Kfz-Steuerbefreiung bis 2035 und indirekte Anreize über Arbeitgeberleasing.

Expertenstimmen: Zwischen Lob und Skepsis

Wirtschaftsverbände begrüßen die Pläne als „überfälligen Impuls“. Der VDA verweist auf sinkende E-Auto-Zulassungen seit Wegfall des Umweltbonus 2024 – im ersten Quartal 2025 lag der BEV-Anteil nur noch bei 15 %. Kritiker wie das Ifo-Institut mahnen jedoch Verzerrungen an: „Die Fokussierung auf betriebliche Nutzer könnte den Gebrauchtwagenmarkt austrocknen“, so Verkehrsexperte Prof. Martin Huber.

Die geplanten Maßnahmen haben zwar das Potenzial einen positiven Impuls für die Elektromobilität und die Wirtschaft setzen. Allerdings gibt es auch kritische Stimmen. Einige Experten bemängeln, dass die Maßnahmen vor allem teurere E-Autos begünstigen und bezahlbare Modelle für den Durchschnittsverbraucher weiterhin fehlen. Zudem ist unklar, ob die geplanten Steuererleichterungen ausreichen, um die Elektromobilität nachhaltig zu fördern.

Umweltverbände kritisieren die fehlende Sozialkomponente. Während Großunternehmen profitieren, gibt es für Privathaushalte mit niedrigen Einkommen lediglich Ankündigungen – konkrete Förderprogramme fehlen. Das Umweltministerium plant zwar eine Aufstockung der Ladeinfrastruktur-Mittel, doch die geplante Neuauflage des Umweltbonus wurde im Koalitionsausschuss blockiert.

Politisches Risiko: Der Streit um die Finanzierung

Das größte Hindernis ist die Haushaltsfrage. Das Finanzministerium rechnet mit Mindereinnahmen von 7,2 Milliarden Euro jährlich ab 2026. Länder wie Bayern und Baden-Württemberg fordern einen „Länderausgleich“, da ihnen durch die Körperschaftssteuersenkung Milliarden entgehen. Finanzstaatssekretärin Clara Brandt (Grüne) entgegnet, die Maßnahmen würden „langfristig durch Wachstum kompensiert“ – ein Kalkül, das unter Ökonomen nicht ganz unumstritten ist.

Ausblick: Wird der Turbo gezündet?

Ob das Paket wie geplant 2026 in Kraft tritt, hängt von den anstehenden Bundesratsverhandlungen ab. Sicher ist: Die Autoindustrie hat bereits reagiert. Volkswagen kündigte an, die Leasingraten für Gewerbekunden ab Juli um durchschnittlich 12 % zu senken. Daimler Truck stockt die Produktion elektrischer Transporter auf. Für Verbraucher bleibt die Lage ambivalent – während Dienstwagenfahrer profitieren, warten Privatleute weiter auf bezahlbare Einstiegsmodelle unter 30.000 Euro.