
Konzeptfahrzeug EVselect bündelt ZF-Innovationen für alle Marktanforderungen der E-Mobilität - Bildnachweis: ZF
ZF ordnet sich neu: Technologieoffensive für die Mobilität von morgen
Die Elektromobilität stellt die Automobilindustrie weltweit vor gewaltige Herausforderungen – nicht nur in der Produktion, sondern auch bei der strategischen Ausrichtung der Zulieferer. Einer, der diesen Wandel mit Nachdruck gestaltet, ist der Friedrichshafener Technologiekonzern ZF. Mit einer breiten Palette an elektrifizierten Antriebstechnologien, einem innovativen Thermomanagementsystem und dem neuen Konzeptfahrzeug EVSelect“ zeigt ZF auf dem eMobility Tech Day 2025, wie ein traditionsreicher Zulieferer die Transformation in Richtung emissionsärmerer Mobilität anpackt. Doch was steckt konkret hinter dieser Strategie – und wie wettbewerbsfähig ist ZF damit im internationalen Vergleich?
„Select“ als Plattformstrategie: Modularität für maximale Flexibilität
Zentraler Baustein der neuen Antriebsoffensive ist die Plattform „Select“. Sie steht für eine modulare, skalierbare Systemarchitektur, mit der ZF sowohl vollelektrische als auch hybride und verbrennerbasierte Antriebe abdeckt. Die Plattform umfasst dabei alle Kernkomponenten eines elektrifizierten Antriebssystems – vom Elektromotor über Inverter und Konverter bis hin zu Reduktionsgetrieben und Softwarearchitekturen. Dieser modulare Ansatz ermöglicht es dem Konzern, schneller auf sich verändernde Marktanforderungen zu reagieren und gleichzeitig die Komplexität in Entwicklung und Produktion zu reduzieren. Auch eine Hochintegration mehrerer Komponenten in einem System ist Teil des strategischen Konzepts – ein Schritt, der Platz und Gewicht spart und die industrielle Skalierung vereinfacht.
Im Vergleich zu klassischen Antriebsarchitekturen lässt sich mit „Select“ ein deutlich breiteres Anwendungsspektrum abdecken. Hersteller können zwischen verschiedenen Konfigurationen wählen, was die Plattform besonders attraktiv für globale Märkte macht, in denen regulatorische Anforderungen und Kundenbedürfnisse stark variieren.
EVSelect: Demonstrator für Integration und Systemdenken
Wie weitreichend ZF das Prinzip der Modularisierung treibt, zeigt das Konzeptfahrzeug EVSelect. Es dient als fahrbereiter Technologieträger, in dem Vorserienkomponenten der „Select“-Plattform verbaut sind. Neben elektrischen Primär- und Sekundärantrieben zeigt EVSelect auch, wie ein hochintegriertes Thermomanagement das Gesamtsystem beeinflusst. Gerade im Winterbetrieb lassen sich durch intelligente Klimatisierungsstrategien und eine verbesserte Abwärmenutzung signifikante Effizienzgewinne erzielen – laut ZF in Tests bis zu zehn Prozent zusätzliche Reichweite, unter Extrembedingungen sogar bis zu dreißig Prozent.
Das Thermomanagementsystem mit der Bezeichnung TherMaS setzt dabei auf Propan als Kältemittel – ein Novum, das für hohe Leistungsfähigkeit bei gleichzeitig kompakter Bauform sorgen soll. Die Lösung unterstreicht ZFs Anspruch, nicht nur Einzelkomponenten, sondern vollständige Systemlösungen zu liefern, die sich auch im Fahrzeugalltag bewähren.
Hybrid bleibt wichtig: 8HP evo und Range Extender im Fokus
Während der öffentliche Diskurs in Europa stark auf batterieelektrische Fahrzeuge fokussiert ist, verfolgt ZF eine deutlich breitere Strategie. Der Konzern berücksichtigt bewusst auch Märkte, in denen die Elektrifizierung nur schrittweise vorankommt. Entsprechend bleiben Mildhybrid- und Plug-in-Hybridlösungen fester Bestandteil des Portfolios. Neu aufgelegt wurde in diesem Zusammenhang das bewährte Achtgang-Automatgetriebe 8HP, das in der nun vorgestellten Version „8HP evo“ optimierte Effizienzwerte sowie mehr Flexibilität bei der Integration in Hybridplattformen bietet.
Zusätzlich präsentiert ZF eine neue Generation von Range-Extender-Systemen, bei denen ein kompakter Verbrennungsmotor im Zusammenspiel mit einem Generator zusätzliche elektrische Energie erzeugt. Diese Technologie adressiert vor allem Regionen mit schwach ausgebauter Ladeinfrastruktur und verspricht mehr Reichweitensicherheit für E-Fahrzeuge – ein Thema, das in vielen Märkten weiterhin kaufentscheidend ist.
Strategie zwischen Anpassung und Anspruch
Die neue strategische Ausrichtung von ZF trägt erkennbar den Realitäten des globalen Automobilmarkts Rechnung. Während Europa stark auf batterieelektrische Lösungen setzt, sehen andere Regionen wie Nordamerika, Südamerika oder Südostasien die Elektrifizierung pragmatischer – hier bleibt die Nachfrage nach Hybriden oder sogar nach verbrennerbasierten Antrieben stabil. Mit seiner Plattformstrategie bietet ZF eine Antwort auf genau diese Heterogenität. Dabei geht es dem Konzern nicht um technologische Maximalforderungen, sondern um marktfähige Lösungen, die sich skalieren lassen und dennoch effizient sind.
Die Herausforderung bleibt jedoch, diese Diversität in marktfähige Produkte umzusetzen, ohne bei Wirtschaftlichkeit oder Nachhaltigkeit Kompromisse eingehen zu müssen. Inwieweit dies gelingt, wird maßgeblich von der Geschwindigkeit abhängen, mit der sich die Komponenten der Select-Plattform in unterschiedlichen Fahrzeugsegmenten etablieren lassen. Insbesondere im harten Wettbewerb mit asiatischen Anbietern, die bei Elektromotoren und Invertertechnologie vielfach führend sind, muss ZF seine Stärken in der Systemintegration und Fahrzeugkompetenz ausspielen.
Preisliche Einordnung bleibt offen
Konkrete Preise für die einzelnen Modellvarianten oder Systemlösungen nennt ZF aktuell nicht. Als klassischer Zulieferer entwickelt das Unternehmen in der Regel maßgeschneiderte Systeme für OEMs, wobei sich die finalen Kosten stark nach Abnahmemenge, Komplexität der Integration und Individualisierung richten. Fest steht jedoch: Die Kombination aus Skaleneffekten, Plattformstrategie und Hochintegration dürfte mittelfristig zu sinkenden Systemkosten führen – ein Faktor, der insbesondere bei elektrischen Volumenmodellen von zentraler Bedeutung ist.
Zwischenfazit: Strategie mit Substanz, aber auch Herausforderungen
Mit der „Select“-Plattform, innovativen Thermomanagementsystemen und einem ganzheitlichen Ansatz zur Elektrifizierung positioniert sich ZF als flexibler Systemanbieter in einem Markt, der zunehmend fragmentierter wird. Die modulare Denkweise bietet Vorteile in Bezug auf Entwicklungszeit, Effizienz und Skalierbarkeit – bleibt aber nicht ohne Risiken. Entscheidend wird sein, wie konsequent ZF diese Strategie mit industrieller Exzellenz unterlegt und ob die Kunden weltweit die nötige Nachfrage generieren, um die Plattform wirtschaftlich tragfähig zu machen.
Im internationalen Wettbewerb stehen viele Technologiekonzerne vor einer ähnlichen Aufgabe. ZF hat den Anspruch, diese Herausforderung nicht nur mit technischen Innovationen zu meistern, sondern auch mit strategischer Klarheit. Ob das gelingt, wird sich auf den Straßen der Welt zeigen – im Alltagsbetrieb, auf anspruchsvollen Teststrecken und vor allem in den Zulassungsstatistiken der nächsten Jahre.
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