
GWM Ora 07 GT - Bildnachweis: GWM
Ein neuer Name auf den vorderen Plätzen
Ein vollelektrisches Fahrzeug aus China, das sich in der oberen Mittelklasse nicht nur behauptet, sondern einen Kategoriensieg einfährt – das ist zumindest auf dem Papier bemerkenswert. Der GWM Ora 07 hat es laut dem Vergleichstest der Fachzeitschrift electricar in Kooperation mit dem Testportal „Die Tester“ auf Platz eins beim Preis-Verbrauchs-Verhältnis geschafft. Doch was steckt hinter dem statistischen Erfolg? Und wie schlägt sich der Stromer aus dem Hause Great Wall Motor im Alltag, wenn man über die nackten Zahlen hinausblickt?

Methodisch günstig: Wie getestet wurde
Die Bewertung der Fahrzeuge im Test orientiert sich am Verhältnis von Listenpreis zu Energieverbrauch – und ist damit zumindest theoretisch nachvollziehbar. Der Bruttolistenpreis wird dabei ins Verhältnis zum Kehrwert des WLTP-Verbrauchs gesetzt, sodass effiziente und gleichzeitig günstige Fahrzeuge bevorzugt werden. Dieses Modell belohnt also nicht automatisch das technisch Beste, sondern das wirtschaftlich sinnvollste Fahrzeugangebot je Fahrzeugklasse. Dass der Ora 07 hier in der oberen Mittelklasse vorne liegt, ist angesichts des Einstiegspreises von 41.990 Euro in Verbindung mit einem normierten Stromverbrauch von 16,5 kWh auf 100 Kilometer durchaus nachvollziehbar. Allerdings bleibt zu hinterfragen, wie belastbar eine reine Formelwertung ohne Praxiskomponente ist – echte Alltagsverbräuche liegen je nach Jahreszeit und Fahrprofil erfahrungsgemäß oft deutlich über WLTP-Niveau.
Technisches Profil: Was bietet der Ora 07?
Der GWM Ora 07 wird aktuell in zwei Varianten angeboten. Die Basis bildet die Version „Pure“ beziehungsweise „Pro“ mit einer 67-kWh-Batterie, einem 150 kW starken Frontantrieb und einer WLTP-Reichweite von bis zu 440 Kilometern. Die Topversion hört auf den Namen „GT“, bringt 300 kW Leistung, Allradantrieb und eine 86-kWh-Batterie mit – was laut Hersteller für bis zu 520 Kilometer Reichweite gut sein soll. Die GT-Version sprintet in sportlichen 4,5 Sekunden auf 100 km/h, während das Basismodell klar auf Effizienz und Komfort ausgelegt ist.
Beim Verbrauch liegt der Unterschied zwischen beiden Varianten bei rund einem Kilowattstunde: 16,5 kWh beim Basis-Ora, 17,5 kWh beim GT. Beides sind für diese Fahrzeugklasse ordentliche Werte – allerdings sind sie bislang nur als kombinierte WLTP-Angaben verfügbar. Tests aus unabhängiger Hand mit realen Durchschnittsverbräuchen stehen zum Zeitpunkt dieses Berichts noch aus.
Ausstattung: Viel Serie, wenig Überraschung
Ein Blick ins Datenblatt offenbart eine für diese Preisklasse ungewöhnlich umfangreiche Serienausstattung. Schon die Einstiegsvariante bringt ein Panorama-Glasdach, ein digitales Cockpit (10,25 Zoll), ein großes zentrales Infotainment-Display (12,3 Zoll), kabelloses Apple CarPlay und Android Auto sowie einen automatischen Parkassistenten serienmäßig mit. Auch eine smarte Sprachsteuerung ist enthalten, die auf Zuruf Alltagsfunktionen, wie die Klimaanlage aktiviert. Sitz- und Lenkradheizung sowie ein Lederimitatbezug sind ebenfalls Standard.
Verarbeitung und Materialqualität wirken auf den ersten Blick solide, der Innenraum vermittelt ein aufgeräumtes und modernes Ambiente. Auch hier orientiert sich der Ora 07 klar an den Erwartungen der digitalaffinen Mittelklassekundn – mit großflächigen Bildschirmen und Touchbedienung, allerdings auch mit der üblichen Problematik vieler Sprachassistenten: Der Nutzwert in der Praxis hängt stark von der Alltagstauglichkeit der Software ab – und die kann erst im Alltagstest abschließend beurteilt werden.
Design: Eigenständige Linien mit Anleihen
Optisch geht der Ora 07 einen eigenen Weg, ohne jedoch völlig auf bekannte Vorbilder zu verzichten. Die Karosserieform orientiert sich an einem fünftürigen Fließheck, die Linienführung erinnert entfernt an Modelle aus dem Premiumbereich. In Summe wirkt das Fahrzeug modern. Interessant ist, dass der Hersteller keine kompromisslose Effizienzform wählt, sondern die Gestaltung auch auf Lifestyle- und Komfortaspekte auslegt.
Preise und Modellstruktur im Überblick
Die Modellpalette umfasst zwei Hauptvarianten, die sich deutlich unterscheiden. Der Ora 07 Pure beziehungsweise Pro startet bei 41.990 Euro (UVP). Die stärkere GT-Version mit Allradantrieb und grösserer Batterie beginnt bei rund 54.990 Euro. Förderungen des Umweltbonus sind derzeit nicht mehr verfügbar, sodass Käufer den Listenpreis realistisch einplanen müssen.
Einordnung: Zwischen Preisbrecher und Hoffnungsträger
Im Wettbewerbsumfeld trifft der Ora 07 auf etablierte Modelle wie den Hyundai Ioniq 6, den Tesla Model 3 oder auch den BMW i4. Diese bieten je nach Ausführung ähnliche Fahrleistungen, teils größere Ladestrukturen oder fortgeschrittenere Assistenzsysteme – verlangen aber oft auch deutlich höhere Preise. Gerade beim Einstiegspreis positioniert sich der Ora 07 deutlich unterhalb der direkten Konkurrenz. Das ist zweifellos ein Argument, das in der Gesamtbewertung Gewicht hat – allerdings auch mit der Unsicherheit behaftet ist, wie sich Service, Ersatzteilversorgung und Restwert bei einem Newcomer auf dem europäischen Markt entwickeln werden.

Eine interessante Alternative mit Fragezeichen
Mit dem Ora 07 bringt Great Wall Motor ein Fahrzeug auf den Markt, das mit guter Ausstattung, attraktiver Preisgestaltung und ordentlichen Verbrauchswerten im Datenblatt punkten kann. Der Testsieg im Preis-Verbrauchs-Ranking ist rechnerisch nachvollziehbar – ersetzt aber keine umfassende Alltagserfahrung. Wie zuverlässig das Fahrzeug auf Dauer ist, wie es um die Langzeitqualität steht und ob der technische Support auf europäischem Niveau funktioniert, muss die Zukunft zeigen.
Wer bereit ist, sich auf einen neuen Hersteller einzulassen und ein modernes, gut ausgestattetes Elektroauto zu einem vergleichsweise fairen Preis sucht, könnte im Ora 07 eine interessante Alternative finden. Für den Durchbruch im hart umkämpften Markt der oberen Mittelklasse braucht es allerdings mehr als eine Tabellenplatzierung – nämlich Langzeiterfahrung, Infrastruktur und Vertrauen. Aber auch dieses Thema ist GWM in Europa dabei anzugehen.
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