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Toyota und Bolt: Wie Hybridmodelle Carsharing alltagstauglicher machen sollen

Bolt tauscht seine Flotte gegen Toyota-Modelle aus - Bildnachweis: Toyota

  
Zwischen Pragmatismus und Klimaschutz

Es ist eine stille Revolution auf deutschen Straßen: Während viele Diskussionen um die Zukunft der Mobilität vor allem voll auf Elektroautos zielen, entscheidet sich Bolt, einer der größten europäischen Anbieter für urbane Mobilitätslösungen, in Deutschland zunächst bewusst für einen Zwischenschritt. Gemeinsam mit Toyota setzt das Unternehmen seine Carsharing-Flotte nun nicht radikal auf rein batterieelektrische Fahrzeuge um, sondern auf Hybride. Ein Schritt, der nüchtern betrachtet weniger spektakulär klingt, aber in der Praxis einen entscheidenden Unterschied machen kann.

Carsharing lebt davon, dass Fahrzeuge zu jeder Zeit schnell verfügbar sind und Nutzer keine Reichweitenangst haben müssen. Gerade deshalb scheinen voll elektrische Fahrzeuge hierzulande bislang weniger geeignet. Die Ladeinfrastruktur ist zwar gewachsen, doch noch immer ungleich verteilt. Deshalb ist die Entscheidung für Hybridmodelle sowohl pragmatisch als auch strategisch clever. Bolt bringt in Deutschland bis Ende Oktober insgesamt 400 neue Toyota-Fahrzeuge in die Städte, darunter 350 Exemplare des Yaris und 50 Stück des etwas größeren Yaris Cross. Die versprochene Folge: bis zu 35 Prozent geringerer Kraftstoffverbrauch gegenüber der bisherigen Flotte, entsprechend weniger CO₂-Ausstoß im Alltag – und das ohne Abhängigkeit von einer öffentlichen Ladesäule.

Technik und Ausstattung der neuen Flotte

Beim Toyota Yaris handelt es sich in der neuen Generation um einen Kleinwagen, der technisch ausgereift wirkt und seit Jahren bewährt ist. Er bietet dank seines Vollhybridantriebs die Möglichkeit, vor allem im Stadtverkehr einige Kilometer rein elektrisch zu fahren. Bolt versieht alle Fahrzeuge mit einer Ausstattung, die für Carsharing-Kunden praktisch ist: ein Winterpaket mit Sitz- und Lenkradheizung für kalte Tage, Apple CarPlay zur nahtlosen Smartphone-Anbindung sowie kabellose Ladeoptionen, damit das Telefon während der Fahrt stets einsatzbereit bleibt. Für Nutzer, die etwas mehr Platz benötigen oder häufiger Gepäck transportieren, stehen die Yaris-Cross-Modelle bereit – ein kompaktes SUV, das die gleiche Antriebstechnik bietet, aber mit erhöhter Sitzposition und größerem Kofferraum punktet.

Preisgefüge im Marktvergleich

Interessant ist der Kostenaspekt. Ein Toyota Yaris Hybrid startet im regulären Verkauf in Deutschland aktuell bei rund 24.000 Euro, der Yaris Cross bei etwa 27.000 Euro. Die Anschaffungskosten für Bolt liegen damit im Bereich, der bei Großabnahmen durch Leasing oder Flottenkauf noch deutlich günstiger ausfallen dürfte. Über Kinto, die Mobilitätsmarke von Toyota, werden die Fahrzeuge für 24 Monate an Bolt verleast – ein Modell, das gerade für flexible Flottenführer sinnvoll ist. Nutzer profitieren durch den deutlichen Ausstattungsvorteil, während Bolt gleichzeitig niedrigere Betriebskosten in Aussicht gestellt werden.

Nachhaltigkeit mit angezogener Handbremse?

Aber die Frage bleibt, wie nachhaltig dieser Schritt wirklich ist. Hybride reduzieren zwar den Schadstoffausstoß und sparen Sprit, sind aber nicht emissionsfrei. Kritiker könnten hier anmerken, dass Carsharing ideal geeignet wäre, um vollelektrische Mobilität massenhaft einzuführen, da die Fahrzeuge zentral organisiert und professionell gewartet werden. Doch solange Lademöglichkeiten nicht an jeder Straßenecke selbstverständlich sind, erscheint der Umstieg auf Hybrid angesichts des operativen Alltags fast vernünftiger.  Ein defektes oder ungenutztes Fahrzeug kostet den Anbieter wie den Kunden gleichermaßen. Somit ist der Hybrid für Bolt eine Art „Brückentechnologie“, die Zuverlässigkeit und Alltagstauglichkeit garantiert, bis Infrastruktur und Kosten für Elektroautos auf einem stabileren Fundament stehen.

Rolle im Wettbewerb um urbane Mobilität

Deutschland ist der erste Markt, in dem Bolt diese Flottenumstellung im großen Stil einführt – ein Signal, dass die Bundesrepublik innerhalb Europas eine Vorreiterrolle übernehmen soll. Bolt konkurriert in deutschen Städten direkt mit Anbietern wie ShareNow oder WeShare (letztere, ursprünglich von Volkswagen gestartet, wird mittlerweile ebenfalls in größere Netzwerke integriert). Interessant ist dabei der Unterschied in der Strategie: Während WeShare ausschließlich auf batterieelektrische Fahrzeuge setzte und damit langfristig zwar zukunftssicher, kurzfristig aber öfter mit operativen Problemen konfrontiert war, geht Bolt bewusst den Mittelweg. Toyota wiederum bringt seine globale Erfahrung mit Hybridfahrzeugen ins Spiel – mehr als 30 Millionen elektrifizierte Fahrzeuge hat der Konzern weltweit bereits verkauft.

Langfristige Strategie

Die Partnerschaft ist auch in das große Ganze eingebettet. Toyota hat sich in seiner „Environmental Challenge 2050″ zu einer langfristigen Klimaneutralität bekannt und will ab 2040 in Europa komplett CO₂-frei produzieren und liefern. Gleichzeitig setzt der Hersteller anders als viele Konkurrenten nicht ausschließlich auf batterieelektrische Antriebe, sondern verfolgt eine Multi-Path-Strategie mit Hybriden, Plug-in-Hybriden und künftig auch Brennstoffzellenfahrzeugen. Für Bolt wiederum ist klar: Je mehr Kunden Carsharing tatsächlich als Alternative zum eigenen Pkw nutzen, desto größer ist der Beitrag zur Verkehrswende. Aber ob die Menschen, die bisher ihr eigenes Auto besitzen, tatsächlich auf flexibles Teilen umsteigen, ist auch eine Frage der gesellschaftlichen Gewohnheiten.

Kundensicht

Deshalb stellt sich eine sehr konkrete Frage: Reicht dieses Update der Flotte für den Nutzer tatsächlich, um den Unterschied zu spüren? Bolt verspricht eine höhere Verfügbarkeit und geringere Ausfallzeiten, weil Toyotas Werkstätten in ganz Deutschland eng vernetzt sind und Fahrzeuge schneller repariert werden. Doch am Ende entscheidet nicht allein die Technik, sondern die Alltagstauglichkeit. Finden die Menschen die Fahrzeuge dort, wo sie sie brauchen? Sind die Tarife konkurrenzfähig, beispielsweise im Vergleich zu ShareNow, wo spontane Fahrten ab etwa 0,19 Euro pro Minute beginnen? Und fühlen sich Kunden durch die Hybridtechnologie tatsächlich klimafreundlicher unterwegs oder bleibt ein Restzweifel bestehen, dass man lediglich etwas weniger klimaschädlich ist? Damit ist die Kooperation von Toyota und Bolt so etwas wie ein Statement der Vernunft. Sie zeigt, dass Klimaschutz im Carsharing nicht nur eine ideologische Frage ist, sondern eine nüchterne Abwägung zwischen Technikstand, Infrastruktur und Nutzerbedürfnissen. Hybride sind nicht die perfekte Lösung, aber für viele Städte inzwischen ein realistischer Kompromiss. Ob es gelingt, die Nutzer nachhaltig vom privaten Pkw wegzulocken, hängt aber weniger von der technischen Ausstattung des Yaris ab als von konsequenter Verfügbarkeit, fairer Preisgestaltung und dem Willen der Gesellschaft, auf Sharing statt Besitz zu setzen.