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Verbindung über Generationen: Bahnstrecke Niebüll–Tønder nach Millioneninvestition wieder offen

Drei Millionen Euro für nachhaltige Mobilität - Die umfassenden Brückenarbeiten der Norddeutschen Eisenbahn Niebüll entlang der Strecke Niebüll ↔ Tønder sind abgeschlossen - Bildnachweis: RDC

 

Wieder offen: Die RB 66 ist zurück auf der Strecke – und mit ihr ein Stück Bahn-Geschichte

Sieben Monate lang ruhte der reguläre Zugverkehr zwischen Niebüll und dem dänischen Tønder. Die Strecke war gesperrt, weil die mehr als ein Jahrhundert alten Brückenbauwerke dringend ersetzt werden mussten. Inzwischen rollen die Züge wieder – auf neuen Stahlbetonbauwerken, die auf eine Lebensdauer von mindestens 100 Jahren ausgelegt sind. Die Fertigstellung der Arbeiten markiert nicht nur das Ende einer umfangreichen Maßnahme im Bestand, sondern auch den Beginn eines neuen Kapitels auf einer historisch bedeutsamen Bahnverbindung.

Über sieben Monate Großbaustelle: Rückgrat der Region modernisiert

Mitte Januar 2025 konnte die Norddeutsche Eisenbahn Niebüll (NEG) die rund 37 Kilometer lange Strecke zwischen Niebüll und Tønder wieder freigeben. Vorausgegangen war eine aufwändige Bauphase, bei der insbesondere die beiden zentralen Brücken über den Bosbüller Sielzug und den Dreiharder Gotteskoogstrom vollständig neu errichtet wurden. Während der Bauzeit war ein Schienenersatzverkehr mit Bussen eingerichtet, der die Region jedoch nur eingeschränkt anbinden konnte.

Die Sanierung war kein Routineprojekt, sondern eine technisch anspruchsvolle Ingenieurmaßnahme im nordfriesischen Untergrund. Die bestehenden Brücken aus der Zeit der Kaiserbahn – ursprünglich auf Eichenpfählen gegründet – hatten nach über 120 Jahren das Ende ihrer technischen Nutzbarkeit erreicht. Ihre Nachfolger bestehen nun aus Stahlbeton und ruhen auf Spundwandgründungen, die bis zu 21 Meter tief in den Boden reichen.

Die Bauausführung wurde durch mehrere Faktoren zusätzlich erschwert. So mussten etwa Grundwasserabsenkungen durchgeführt und zeitweise Rohrleitungen zur Umleitung von Gewässern eingerichtet werden. Der regenreiche Sommer 2024 erforderte zudem Schweißarbeiten unter Wasser, was Tauchereinsätze notwendig machte. Erst im Herbst konnten die Arbeiten an den Überbauten beginnen. Dabei wurden bis zu 13 sogenannte Doppel-T-Träger mit Längen von über acht Metern verlegt, miteinander verbunden und mit Beton vergossen – so entstand die neue Brückenfahrbahn.

Am 17. Januar 2025 wurde die Strecke offiziell wieder für den Bahnverkehr freigegeben. Seit dem 18. Januar ist die Linie RB 66 wieder fahrplanmäßig unterwegs.

Drei Millionen Euro für die Infrastruktur – und für die Zukunft  

Insgesamt investierten die NEG und der Aufgabenträger NAH.SH rund drei Millionen Euro in das Projekt. Ziel war nicht nur eine kurzfristige Wiederherstellung der Strecke, sondern die langfristige Sicherung einer leistungsfähigen Verbindung zwischen Deutschland und Dänemark.

Ein zentraler Fokus der Maßnahme lag auf der Nachhaltigkeit: Die neuen Bauwerke sind so ausgelegt, dass sie mindestens ein Jahrhundert halten sollen. Damit wird nicht nur der Wartungsaufwand reduziert, sondern auch die wirtschaftliche und ökologische Bilanz der Strecke deutlich verbessert.

Mit dem Wiederinbetriebnahme der Strecke ist jedoch nicht Schluss. Die Verantwortlichen haben bereits weitere Investitionen angekündigt, etwa zur technischen Sicherung zusätzlicher Bahnübergänge, zur Errichtung eines modernen Stellwerks in Süderlügum und zur Ausrüstung mit dem europäischen Zugbeeinflussungssystem ETCS. Ziel ist es, die Strecke nicht nur zu erhalten, sondern auch für den grenzüberschreitenden Regionalverkehr zukunftsfest zu machen.

Ein Blick zurück: Vom Kaiserreich bis zur Gegenwart

Die Geschichte der Bahnverbindung reicht bis ins Jahr 1887 zurück. Ursprünglich diente sie als Haupttrasse vom Hamburger Raum zur damals bedeutenden Hoyer Schleuse, dem historischen Fährhafen nach Sylt. Im Jahr 1907 wurde sie zwischenzeitlich zweigleisig ausgebaut, doch durch den Bau des Hindenburgdamms verlor die Strecke an Bedeutung. Bereits in den 1930er-Jahren wurde sie auf ein Gleis zurückgebaut. 1981 kam dann das Aus für den Personenverkehr – die Strecke fiel in einen jahrzehntelangen Dornröschenschlaf.

Erst mit dem Engagement der Norddeutschen Eisenbahn Niebüll kam ab 2002 wieder Bewegung in das Projekt. Seither fährt der Zug erneut regelmäßig bis ins dänische Tønder. 2007 folgte eine Anhebung der Geschwindigkeit auf 80 km/h, möglich gemacht durch den Einbau technischer Sicherungen an Bahnübergängen und durch Gleisarbeiten. 2019 wurde die Strecke erneut modernisiert – mit neuen Schienen, Schwellen und frischem Schotter.

Die aktuelle Brückensanierung ist damit Teil einer längeren Aufwärtsspirale. Sie steht symbolisch für den Wandel von der einst vernachlässigten Nebenstrecke zu einem modernen regionalen Verkehrskorridor mit internationalem Anschluss.

Bedeutung für den Sylt-Autoreisezug und die Region

Auch der Autoreisezugverkehr zwischen Niebüll und Westerland profitiert indirekt von der Maßnahme, insbesondere bei betrieblichen Umleitungen oder saisonalen Sonderverkehren. Die Strecke nach Tønder ist für die RDC-Gruppe, zu der auch der private Anbieter Autozug Sylt gehört, nicht nur ein regionaler Verkehrspfad, sondern ein Teil des strategischen Rückgrats im nördlichsten Eisenbahnnetz Deutschlands.

Die Maßnahmen zeigen: Infrastrukturpflege ist kein Selbstzweck, sondern eine Investition in Zuverlässigkeit, Verfügbarkeit und Zukunftsfähigkeit. Dass dabei auch historische Substanz respektvoll und technisch kompetent erneuert wurde, macht das Projekt zu einem gelungenen Beispiel für nachhaltige Verkehrspolitik.