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Von Stuttgart nach Rom mit zwei Ladestopps: Mercedes VLE zeigt auf Erprobungstour seine ersten Stärken

Test auf Langstrecke bestanden: Der vollelektrische Mercedes VLE ist effizient, alltagstauglich und agil im Handling dank Hinterachslenkung - Bildnachweis: Mercedes

Mercedes VLE: Der elektrische Reisevan im Alltagstest – erste Teasertour über die Alpen

Die elektrische Zukunft bei Mercedes Vans nimmt Gestalt an – mit einem Fahrzeug, das sich sowohl an Familien mit Platzbedarf als auch an anspruchsvolle Shuttle-Dienste richtet. Der Mercedes VLE, Teil der kommenden VAN.EA-Generation, wurde jetzt erstmals auf einer öffentlichen Testfahrt über die Alpen hinweg präsentiert. Damit beginnt für den Stuttgarter Hersteller ein neues Kapitel, das nicht nur technische Innovationen umfasst, sondern auch eine Neuausrichtung innerhalb des Segments großräumiger Elektrofahrzeuge andeutet.

Test auf Langstrecke bestanden: Der vollelektrische Mercedes VLE ist effizient, alltagstauglich und agil im Handling dank Hinterachslenkung – Bildnachweis: Mercedes

Ein Prototyp des künftigen VLE hat eine Strecke von knapp 1.100 Kilometern von Stuttgart nach Rom absolviert – und das mit nur zwei kurzen Ladestopps. In einer Zeit, in der viele Käufer skeptisch auf die Alltagstauglichkeit großer Elektrofahrzeuge blicken, ist das ein deutliches Signal. Doch nicht alle Fragen sind damit beantwortet. Der erste Blick auf den VLE zeigt sowohl ambitionierte Ziele als auch die Notwendigkeit, hinter die Kulissen der Herstellererzählung zu blicken.

Mercedes VLE Entwicklungsfahrt Stuttgart-Rom Prototyp 06-2025

Von Teststrecken und Technikträgern

Die Erprobungstour des Mercedes VLE verlief auf einer Route, die unterschiedlicher kaum hätte sein können: Autobahnabschnitte, kurvige Passstraßen über die Alpen und enge Gassen in Italiens Hauptstadt. Dabei legten zwei Vorserienfahzeuge die Strecke in rund 13 Stunden zurück. Geladen wurde zweimal für je 15 Minuten – ein durchaus alltagstaugliches Szenario, wenn Schnellladeinfrastruktur vorhanden ist. Doch die konkreten Angaben zur Batteriekapazität oder dem tatsächlichen Stromverbrauch wurden bislang nicht veröffentlicht, was eine Einordnung erschwert.

Ein wesentliches Merkmal des Fahrzeugs ist die aktive Hinterachslenkung. Diese Technologie ermöglicht einen engeren Wendekreis und soll das Manövrieren im urbanen Raum erleichtern. Gerade auf den engen Straßen in Rom oder beim Rangieren in dicht besiedelten Innenstädten bringt das Vorteile, die sich im Alltag bemerkbar machen dürftn. Auch in Bezug auf die Fahrstabilität in Kurven – etwa auf Passstraßen – bietet diese Lösung spürbare Verbesserungen gegenüber konventionellen Van-Plattformen.

Die elektrische Architektur basiert auf der neuen Van Electric Architecture, kurz VAN.EA. Diese modulare Plattform ist skalierbar und erlaubt verschiedene Karosserie- und Antriebskonzepte. Sie wird künftig sowohl in privat ausgerichteten Grand Limousines als auch in gewerblichen Transportern eingesetzt. Der VLE wird dabei die Rolle eines flexibel einsetzbaren Großraumfahrzeugs übernehmen, das mit bis zu acht Sitzen auf Vielseitigkeit und komfortable Mobilität zielt.

Test auf Langstrecke bestanden: Der vollelektrische Mercedes VLE ist effizient, alltagstauglich und agil im Handling dank Hinterachslenkung – Bildnachweis: Mercedes

Erste Indizien zur Modellstruktur und Ausstattung

Mercedes wird den VLE ab 2026 in Serie bringen. Dabei soll eine klare Differenzierung zwischen privat positionierten Grand Limousines und Transportern erfolgen. Die künftige Modellpalette könnte sich von einem Grundmodell mit Vorderradantrieb bis hin zu Allradvarianten mit verlängertem Radstand erstrecken. Auch luxuriöse Ausstattungen für den VIP-Shuttle-Bereich sind vorgesehen. Eine besonders hochwertige Variante unter dem internen Kürzel VLS wird gezielt auf Märkte wie Nordamerika und China zielen.

Noch nicht offiziell bestätigt, aber durchaus wahrscheinlich, ist die Integration eines 800-Volt-Systems, das besonders schnelles Laden ermöglichen würde. Auch ein Wechselstromlader mit 22 Kilowatt Ladeleistung dürfte Teil des Serienumfangs werden. Innen soll der VLE mit modernster Konnektivität und einem deutlich digitalisierten Cockpit überzeugen. Ob Displaygrößen und Lautsprecheranzahl an das visionäre Showcar Vision V heranreichen, bleibt offen – im Konzeptfahrzeug wurden überdimensionale Displaylösungen und ein Premium-Soundsystem mit über 40 Lautsprechern gezeigt. Der reale Serienzustand dürfte hiervon jedoch zugunsten der Kosteneffizienz abweichen.

Alltagstauglichkeit versus Anspruch

Die Testfahrt von Stuttgart nach Rom war für Mercedes nicht nur ein Erprobungsmodul im Rahmen der Reifegradabsicherung, sondern auch ein wichtiges Signal an potenzielle Käufer: Elektromobilität ist bei entsprechender Ladeinfrastruktur auch für lange Distanzen geeignet. Dass der Innenraum während der gesamten Fahrt konstant auf 22 Grad klimatisiert wurde, zeigt, dass auf Komfort nicht verzichtet werden musste. Gleichzeitig deutet dies darauf hin, dass auch unter thermischer Belastung das Energiemanagement funktionierte.

Dennoch bleibt die Frage nach der Alltagstauglichkeit im weniger idealen Rahmen. Wie sich der Energieverbrauch bei voller Beladung, niedrigen Außentemperaturen oder im Anhängerbetrieb entwickelt, lässt sich auf Basis der ersten Präsentation nicht seriös beantworten. Auch zur Ladeinfrastruktur, die für zwei kurze Stopps à 15 Minuten ausreichte, fehlen Angaben. Ob dies mit 350-kW-Hochleistungsladern oder unter optimalen Ladezuständen gelang, bleibt vorerst im Unklaren.

Wettbewerbsumfeld und Einordnung

Mit dem VLE betritt Mercedes ein Segment, das bislang nur zögerlich elektrifiziert wurde. Der Volkswagen ID. Buzz zeigt, dass sich große Elektro-Vans gut vermarkten lassen, wenn das Konzept stimmig ist. Auch Stellantis wird mit Marken wie Opel und Peugeot verstärkt elektrische Transporter mit Van-Charakter anbieten. Der VLE geht darüber hinaus, indem er Premiumkomfort, modulare Technik und perspektivisch autonome Fahrfunktionen vereinen soll. Dabei setzt Mercedes bewusst auf eine klare Differenzierung zwischen gewerblicher Nutzung und hochwertiger Individualmobilität.

Die gleichzeitige Entwicklung einer neuen Verbrenner- und Hybridplattform namens VAN.CA, die unabhängig von der elektrischen VAN.EA realisiert wird, unterstreicht die strategische Vielschichtigkeit. Mercedes verfolgt offenbar den Plan, weltweit in allen Marktregionen handlungsfähig zu bleiben – auch dort, wo vollelektrische Modelle in absehbarer Zeit keine wirtschaftliche Option darstellen.

Preisliche Erwartung und Marktstart

Bislang gibt es keine offiziellen Preise. Da der VLE jedoch als Premiumfahrzeug positioniert wird, dürfte der Einstiegspreis kaum unter 90.000 Euro liegen. Je nach Ausstattung, Antriebskonfiguration und Radstand können Modelle mit Allradantrieb, erweiterten Assistenzsystemen oder exklusivem Interieur spürbar darüber liegen. Ein VLS mit besonders luxuriöser Ausstattung dürfte deutlich sechsstellig ausfallen. Mercedes zielt hier erkennbar auf eine zahlungskräftige Kundschaft mit hohen Ansprüchen an Design, Komfort und Konnektivität.

Die Markteinführung ist für 2026 geplant. Vorher sind weitere Erprobungsfahrten zu erwarten, ebenso wie eine allmähliche Offenlegung technischer Details und konkreter Konfigurationen. Mit der Serienreife dürfte auch Klarheit über Batteriekapazität, Ladeleistungen und Softwarefunktionen herrschen – bisher bleiben viele Angaben vage und eher konzeptionell. Mit dem VLE betritt Mercedes ein bislang wenig erschlossenes Segment: das des vollelektrischen Großraumfahrzeugs mit Premiumanspruch. Die erste Teasertour über die Alpen liefert einen Eindruck von der Leistungsfähigkeit der neuen Van-Plattform. Beeindruckend ist vor allem die Reichweite unter realitätsnahen Bedingungen und die intelligente Fahrwerkstechnik mit Hinterachslenkung. Die modulare Architektur verspricht Flexibilität bei Antrieb, Aufbau und Ausstattung.

Gleichzeitig zeigt sich, dass viele Kernfragen noch offen sind. Die genaue technische Ausgestaltung, die Ladeleistung im Alltag, der Energieverbrauch bei Volllast und die preisliche Positionierung müssen sich erst im Serienumfeld bewähren. Der VLE tritt mit starken Ambitionen an – ob er den hohen Erwartungen im Markt gerecht wird, bleibt bis zur Premiere im Jahr 2026 eine der spannendsten Fragen im Segment elektrischer Vans.