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VW ID.3 im Test: Wie schlägt sich der elektrische Golf-Nachfolger?!

Im Test der VW ID.3 Pro Performance Max 204 PS mit 58 kWh-Batterie - Bildnachweis: Laura Fleischhacker / MOTORMOBILES

  

 

Bei VW stehen die Zeichen auf Strom (und auch Bits und Bytes)

 

Der Elektromobilität gehört bei VW die Zukunft. Mit dem ID.3 offeriert Volkswagen erstmals einen echten batterielektrischen Stromer auf spezifischer Plattform. Hier ist nicht nur die Mission ein gutes Elektroauto zu schaffen. Der VW ID.3 ist der erste Volkswagen, der auf dem Modularen E-Antriebs-Baukasten (MEB) steht. Der Gedanke ging hier deutlich weiter. So hat man den gesamten Prozess der Fertigung, die Nachhaltigkeit der Produktion und die vor allem entstehenden Kosten bei der Herstellung reduziert, um langfristig konkurrenzfähig mit E-Auto Herstellen wie Tesla, Nio oder Hyundai sein zu können. Allein gegenüber dem VW E-Golf ist der ID.3 skaliert auf hohe Stückzahlen bis zu 40% günstiger in den Produktionskosten (zu Selbstkosten). Zudem wurde weitreichend in Digitalisierung investiert. Werkstattbesuche werden primär zu Softwareupdates und wandeln sich sogar zu reinen OTAs. Software over the Air wie wir es vom Smartphone oder Computer kennen oder aber viele Elektromobilisten bereits von Tesla gewohnt sind.

 

Im Test der VW ID.3 Pro Performance Max 204 PS mit 58 kWh-Batterie – Bildnachweis: MOTORMOBILES

 

Der ID.3 läutet bei VW ein neues Zeitalter ein


Bereits kurz nach seiner Markteinführung avancierte der ID.3 zum meistverkaufte Elektroauto in Europa. Vor allem die Norweger und Niederländer orderten ab Start. Wir haben nun den VW ID.3 Pro Performance Max mit 204 Elektro-PS und der mittleren 58 kWh Batterie einem ausgiebigen Praxis- und Alltagstest unterzogen.


Seit Jahrzehnten ist der ID.3 der erste neue Volkswagen mit Heckmotor und angetriebener Hinterachse. Dieses konstruktive Element des ID.3 ist eine interessante Gleichheit zum legendären Käfer. Unter der ID.3-Fronthaube findet sich dennoch kein Trunk wie beim Tesla Model 3, sondern lediglich Raum für Kühler- und Klimakomponenten. Dank des langen Radstand von 2,77 Metern auf Passat-Niveau und der tief im Wagenboden verbauten Batterie offeriert der ID.3 im Segment der Kompaktklasse ein äußerst ansehnliches Raumangebot. Fahrer und Beifahrer sitzen fürstlich. Aber selbst die bis zu drei Fondpassagiere können sich über genügend Knieraum freuen. Anders sieht es im Kopfbereich aus. Im Fond knapst die strömungsgünstige Karosserieform spürbar an Kopf- und Schulterfreiheit. Das Stauvolumen des Ladeabteil liegt mit 385 bis 1.267 Litern im Rahmen des Üblichen, läßt sich aber aufgrund des Zuschnitts besonders gut nutzen.

 

 

VW ID.3 Pro Performance Max 150kW/204 PS - 58 kWh Batterie
- Bildnachweis: MOTORMOBILES
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Einer besonderen Erwähnung bedarf das Bedienkonzept. Nur noch wenige Schalter und Knöpfe finden sich im ersten Elektroauto von VW. Das Bedienkonzept erfolgt im Wesentlichen über Touchtaster, Slider und den 10-Zoll-Touchscreen in der Mittelkonsole. Der Monitor liegt relativ weit vom Fahrer entfernt und lässt sich deshalb etwas schwierig bedienen. Auch die Platzierung der digitalen Instrumente weicht vom bisher bei den Wolfsburgern gewohnten Standard ab: Das 5,3-Zoll-Cockpitdisplay ist nicht etwa im Armaturenträger integriert, sondern thront auf der Lenksäule. Anders als in anderen Autos bedient der Fahrer auch die Eingang-Automatik über einen großen Wippknauf rechts vom Instrumentendisplay. Dies ermöglicht erfreulich viel Stauraum in der Mittelkonsole. Den Wolfsburgern gelang es dennoch ihren Markenkern einer einfachen Bedienung zu bewahren, wie man es von einem VW erwartet. In der Menüstruktur des Infotainmentsystems haben wir uns auf Anhieb zurecht gefunden. Auch die Ablesbarkeit der Digitalinstrumente, ist selbst unter ungünstigen Bedingungen direkter Sonneneinstrahlung immer gewährleistet.

Ein weiteres zunehmend bedeutsameres Bedienelement sind Sprachbefehle mit vorangestellten „Hallo ID“. Hier besteht noch Potenzial für Verbesserung. Auf die Sprachsteuerung auszuweichen bereitet zuweilen Verdruss, da das System nicht fehlerfrei und auch nicht genügend performant funktioniert. Bei Verständlichkeit und Interpretation von komplexeren Sprachbefehlen happert es noch häufig. Hier kommt VW noch nicht an das Niveau des extrem fehlertoleranten MBUX-System von Mercedes heran.

 

 

 

Interieur VW ID.3 Pro Performance Max 204 PS mit 58 kWh-Batterie – Bildnachweis: MOTORMOBILES

 

 

Interieurqualität

Das beim ID.3 vielgescholtene Kapitel Qualitätsniveau der Innenraum-Materialien, Verarbeitung und Haptik ist dem Kostendruck geschuldet. Hier ist man von VW Besseres gewohnt. Aus unserer Sicht haben hier viele Tester und Fahrberichte zuweilen aber auch übertrieben. Zudem hat VW aber auch bereits nachgebessert. Punktuell verbaut VW im ID.3 keinen Premium-Kunststoff. Aber dies nur an Stellen die zwar nicht wehtun – aber dennoch das kritische Auge von Testern und Kunden zu enttäuschen vermögen. Das gilt zum Beispiel für Teile der Türverkleidung, die Spiegelverstellung, die Fronthauben-Arretierung, die dazu noch wenig robust wirkt. Zudem sorgen viel hochglänzender Hartkunststoff für unschöne Fingerabdrücke und zeugen von der Rendite-Orientierung bei den Entwicklungsvorgaben. Liebevoll geht anders.

Wirklich gut gefallen hat uns das anpassbare Ambiente-Light. Oder die von VW „ID Light“ genannte Lichtleiste unterhalb der Windschutzscheibe. Lädt das Fahrzeug, baut sich von links nach rechts ein grünes Licht auf, bei Hindernissen voraus leuchtet die Leiste rot. Während Navi-Ansagen bewegt sich ein blaues Licht in die entsprechende Richtung. Daran haben sich alle Redaktionsmitglieder schnell gewohnt.

  

 

VW ID.3: Das Stauvolumen des Ladeabteil liegt mit 385 bis 1.267 Litern im Rahmen des Üblichen, läßt sich aber aufgrund des Zuschnitts besonders gut nutzen – Bildnachweis: MOTORMOBILES

 

Antrieb

 

Der ID.3 schafft mit seinen netto 58 kWh nutzbarer Batteriekapazität (brutto 62 kWh) unter Ideal-Bedingungen 400 Kilometer bzw. 420 Kilometer nach WLPT. Je nach Fahrweise, Jahreszeit und Temperatur sind es aber auch nur knapp 300 Kilometer. Bei schneller Hatz auf der Autobahn auch deutlich unter 300 Kilometer. Die 58er Batterie ermöglicht eine Schnellladung DC mit bis zu 100 kWh Gleichstrom in etwas mehr als einer halben Stunde den Akku von 10 % (SoC) auf 80 Prozent anzuheben.

Der ID.3 Pro Performance Max mit 58 kWh Batterie hat eine ausgezeichnete Ladekurve. Je nach Luft- und Batterie-Temperatur beim Ladestart und niedriger SOC (State of Charge bzw. Ladezustands-Bereich) hat dies Einfluss auf die Ladekurve in Bezug auf Ladeleistung zum Ladestand der Batterie. Der ID.3 erreicht ziemlich schnell seine maximale Ladeleistung von sogar geringfügig über 100 kW. Die Versionen mit 77-kWh-Akku erreichen laut Herstellerangabe sogar 125 kW. Bis zu einem Ladestand von etwa 35 Prozent bleibt dieser Wert rel. konstant nahe der maximal möglichen Ladeleistung von 100 kW. Dann sinkt die Leistung sukzessive auf etwa 50 kW bis zum SoC von ungefähr 70 Prozent SOC ab, bleibt dort bis etwa 89 Prozent SOC und nimmt dann weiter stetig ab. Bei 94 Prozent ist die Ladeleistung auf knapp 25 kW reduziert. Um die Batterie zu schonen empfiehlt es sich zudem ja auch die Batterie möglicht im Bereich 20 bis 80% zu nutzen. Die durchschnittliche Ladeleistung für diesen Ladebereich (von 20 bis 80 Prozent SOC) beträgt etwa 70 kW. Und dieser Wert ist verdammt gut.

Voll geladen steht je nach vorheriger Fahrweise und Profil sowie Außen- und Batterietemperatur eine Reichweite von 328 km in der Anzeige. Das ist zwar deutlich unterhalb der WLPT-Angabe des Herstellers von „bis zu 426“ Kilometer Reichweite. Aber angesichts von Jahreszeit und Fahreprofil eine realistische Reichweite. Dies wird dann dynamisch während des Fahrens angepasst. Die 204 PS samt des ohne Turboloch ab Null Umdrehungen anliegenden Drehmoments von 310 Nm auf die Hinterräder, sorgt für ordentliche Beschleunigungen und Fahrleistungen des bei 160 km/h abgeriegelten Kompakt-VW.

Trotz seines hohen Gewichts benötigt der ID.3 ungefähr 18-20 kWh für hundert gefahrene Kilometer. Selbst bei schneller Autobahnfahrt betrug der Verbrauch ungefähr 26 kWh. Hier zeigt sich wie ineffizient Verbrenner sind. Ein Liter Diesel hat einen Energiegehalt von ca. 12 kWh. Ein kombinierter Verbrauch von 6 Litern Dieseltreibstoff je hundert gefahrene Kilometer, konsumiert ein Selbstzünder-Fahrzeug für die besagte hundert Kilometer-Referenz immerhin 72 kWh in Form von Dieseltreibstoff. Durch Nutzung der Rekuperationsstufe B lässt sich die Reichweite durch mehr Rückgewinnung von Bremsenergie positiv beeinflussen. Im B-Modus stellt sich bereits ein One-Pedal-Feeling ein. Bei aktiviertem Eco-Assistent wirken sich zum Beispiel auch die Navigationsdaten auf die Rekuperationsstärke aus.

  

Bildnachweis: MOTORMOBILES

 

 

 

 
Fahreigenschaften

Antrieb und Fahrwerk funktionieren und harmonieren. Das Handling des kompakten Stromer empfanden wir als natürlich und agil. Der ID.3 zeichnet sich durch ein gut ausbalanciertes Fahrverhalten aus, mit genügend Rückmeldung in der Lenkung. Die Bremsscheiben vorne und (!) Trommelbremsen hinten verzögern stets zuverlässig – auch nach mehreren Vollbremsungen. Weil im Vorderwagen durch den fehlenden Motor mehr Platz für den Lenkeinschlag der Räder eingeräumt werden konnte, erfreut der Stromer seine Fahrer mit einem äußerst kleinen Wendekreis von 10.2 Metern. Dies läßt zuweilen beim Manövrieren – vor allem in der Stadt – ein völlig neues Fahrgefühl aufkommen.

Allenfalls der Abrollkomfort des Fahrwerks ist noch geringfügig optimierbar. Der ID-3 federt vor allem auf kurzen Fahrbahnunebenheiten wie Querfugen zuweilen etwas holprig. Einen Teil trugen dazu sicherlich die großen Leichtmetallfelgen in 19 Zoll bei.

 


Technische Daten VW ID.3 Pro Performance Max 150kW/204 PS - 58 kWh Batterie
Hersteller:Volkswagen
Karosserie:Kompaktklasse 5-türig
Motor:Elektromotor (flüssigkeitsgekühlte Synchronmaschine)
Emissionsklasse:AX
Getriebe 1-Gang-Automatik
AntriebHinterradantrieb
Leistung:150 kW / 204 PS
Drehmoment:310 Nm
Batterietyp:Lithium-Ionen
Netto-Batterieenergieinhalt:58 kWh
Elektrische Reichweitenspanne (kundennah):300 - 420 km
Von 0 auf 100: 7,3 s
Höchstgeschwindigkeit:160 km/h
Energieeffizienzklasse:
A+
Verbrauch (ECE):15,8 kWh/100 km
CO2-Ausstoß:0 g/km
Wendekreis:10,2 Meter
Leergewicht:1.805 kg
Zulässiges Gesamtgewicht:2.270 kg
Kofferraum:385 bis 1.267 Liter
Zuladung:541 kg
Länge/Breite/Höhe/Radstand:4.261/1.809/1.568 /2.770 mm
Preise ab:45.917 Euro
Testwagenpreis brutto inkl. Extras:49.280 Euro
Testwagenpreis brutto abzügl. Umweltbonus Herstelleranteil (3.480 Euro):45.800 Euro

  

 

Preise und Extras
 

Wir fuhren den ID.3 Pro Performance Max 150 kW (204 PS) mit der mittelgrossen 58 kWh Batterie, die in der Preisliste ab rund 46.000 Euro startet. Der Konfigurator gibt außer Farben, Felgen und Kabeln noch keine großen Varianten her, so dass man die Wunschausstattung nur als Paket bekommt. In der Pro Performance-Version ist alles Empfehlenswerte vorhanden: Matrix-LED-Scheinwerfer, ein adaptiver-Tempomat mit prädiktivem Effizienz-Assistenten und ein überraschend großes Head-Up-Display zum Beispiel.

Mit den glanzgedrehten Andoya-Felgen in 19 Zoll, Exterieur Style „Penny Copper, Wärmepumpe und Ladeziegel kommt er auf einen Bruttopreis von 49.280,51. Abzüglich der Umwelprämie Bafa und Herstelleranteil beträgt der Preis dann 39.800 Euro.

Die Akkureichweite determiniert die Reiseplanung. Also wie oft man einen Zwischenstopp zum Laden einlegen muss. Letztlich ist es eine Frage des Preises: Die „First Edition“, die nach Abzug der Förderung rund 31.000 Euro kostet, fährt mit einem 58 kWh großen Akku und kommt bis zu 420 Kilometer weit. Für 10.000 Euro weniger und damit zum Basispreis des Golfs gibt es 45 kWh für etwa 330 Kilometer. Für Langstreckenfahrer bietet VW den ID.3 in der Version „Pro S“ ab 41.995 Euro mit einem 77 kWh großen Akku an, der über eine Herstellerangabe von 550 Kilometer WLPT-Reichweite verfügt. Reichweiten die sich dann auf Augenhöhe des Tesla Model 3 bewegen.

 

Fazit: Der ID.3 optimiert sich softwareseitig

Der Start des ID.3 wurde unter anderem von wirklich ärgerlichen Softwarefehlern überschattet. Dies zeigt mit welch heisser Nadel hier agil die Firmware entwickelt wurde. Hier hat VW gerade eine schermzliche Lernkurve mit vielen Verzögerungen hinter sich. Ausgeliefert wurden Grüne Bananen die erst beim Kunden reiften. Mittlerweile beherrscht der ID.3 auch Software-Updates over-the-air (OTA). Unser Testwagen fuhr softwareseitig in der jüngsten Evolutionsstufe vor, in denen wir keine gravierenden Bugs mehr entdecken konnten. Angesichts der hochgradigen Digitalisierung, der analog-entrümpelten Bedienung und der neuen User-Interface mit drastisch reduzierten Bedienelementen holt der ID.3 auf. Spannend wird sein wie VW sein User-Interface um neue Funktionalitäten ausbauen möchte, um Anschluss an Tesla und Co. zu erhalten. Der Technologie-Stack dieses kompakten Stromers vermag im Alltag zu überzeugen. Der erfreulich flink und unkompliziert fahrende ID.3 punktet mit ordentlichen Fahrleistungen die zweilen sogar echten Fahrspass aufkommen lassen. Der ID.3 ist kein E-Golf. Er ist vielmehr der konsequente Schritt in die elektrifizierte Kompaktwagen-Zukunft. Mit dem VW ID.3 hatten wir neben dem ID4 das innovativste Serien-Fahrzeug aus dem Hause Volkswagen im Test. Gefallen hat uns die einfache Bedienung, das Fahren und auch das Laden. Alles gestaltete sich ganz einfach. Ist es den Wolfsburgern mit ihrem ID.3 gelungen ein neues automobiles Kapitel aufzuschlagen? Wir meinen ganz klar ja. Um es einzuordnen: Der VW ID.3 bzw. der MEB markiert nach dem Käfer und Golf eine noch bedeutendere Zäsur in der Markenhistorie von Volkswagen. Wie beim Golf geht es um die Überlebensfähigkeit des Konzerns. Angesichts der Klimakrise hat CEO Herbert Diess die Zeichen der Zeit erkannt und trotz aller Widerstände das Ruder konsequent herumgerissen. Die Wolfsburger haben mit dem MEB eine Plattform mit Potenzial, um den Herausforderungen der zahlreichen Wettbewerber begegnen zu können. Für den Käufer eines ID.3 bedarf es einer Verhaltens-Umstellung und Ladeplanung. Die mittlere Batterie mit 58 kWh stellt aus unserer Sicht den goldenen Mittelweg mit einem guten Alltags-Kompromiss dar. Und zur Not sind mit 100 kWh-Ladeleistung auch Langstrecken möglich. Die Einschränkungen sind überschaubar und an vielen Punkten (Fahrleistungen, Raumökonomie, Kosten) hat der ID.3 deutliche Vorteile ggü. einem Verbrenner-Golf.

 

VW ID.3 Pro Performance Max 150kW/204 PS - 58 kWh Batterie
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