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Wie geht es weiter mit dem Diesel? Spagat zwischen Effizienz und Emissionen

Audi e-diesel
Zusätzlicher Betriebsstoff AdBlue bei modernen SCR-Dieselmotoren: Nachfüllen der Harnstoff-Lösung in einen Audi A6 TDI

 

Hat der Dieselantrieb im PKW eine Zukunft?

Die jüngsten Ereignisse lassen eine unbestimmte Zukunft für den Diesel-Motors im PKW erkennen. Studien u.a. von der anerkannten Unternehmensberatung Roland Berger sehen die Zukunfts des Selbstzünders äußerst kritisch. Die Studie erwartet für die kommenden Jahre einen sinkenden Marktanteil von Diesel-Fahrzeugen. Der Treibstoff erscheine angesichts des Abgasskandals „in einem neuen Licht“. In EU-Staaten wie Frankreich ändert sich der steuerliche Rahmen zum Nachteil von Dieselantrieben. Desweiteren plant die EU-Regulatorik die Verschärfung von Emissionstests. Die Grenzwerte werden sukzesive herabgesetzt und beim Diesel nur mit unverhältnismäßig hohen Aufwand bei der Reinigung des Abgases zu erreichen sein.

Nun rächt sich die einseitige Ausrichtung auf den Dieselmotor. Das alles bedroht einen wichtigen Teil der deutschen Autoindustrie bei Herstellern und Zuliefererm, die zuletzt immer stärker auf die besonders sparsame Technologie des Selbstzünders gesetzt hatte.

 

adblue
Abgasnachbehandlung bei einem Dieselmotor mit SCR und Harnstoff-Einspritzung in den Abgastrakt

 

Diesel in der Defensive

Nach dem unfassbaren Abgas-Skandal um Manipulationen von Dieselmotoren bei Volkswagen geraten nun auch andere Hersteller in den Fokus genauerer Untersuchungen und Betrachtungen. Das niederländische Umweltministerium hatte das Prüfinstitut TNO mit Abgasuntersuchungen u.a.einer Mercedes C-Klasse 220 CDI beauftragt. Auf dem Prüfstand waren die Werte noch unauffällig. Ein differenziertes Bild zeigt sich während der Fahrt. Das gesetzliche Stickoxid-Limit (NOx) wird unter realen Fahrbedingungen und ausgerechnet bei innerstädtisch gefahrenen Geschwindigkeiten mit 817 mg NOx/km mit mehr als dem Zehnfache des Normwerts überschritten. Besonders überraschend dann die Aussage von Daimler und deren wohlbemerkt legale Begründung. Mercedes begründet das Verhalten mit einem notwendigen Schutz der Bauteile: „Fahrzeuge von Mercedes entsprechen in vollem Umfang den jeweils zum Zeitpunkt der Zulassung geltenden, landesspezifischen Vorschriften“, weist der Konzern sämtliche Vorwürfe alsvollkomen unbegründet zurück. Es gibt eine Sonderregelungen für den Bauteilschutz die in einem Widerspruch zur EU-Verordnung 715/2007/EG steht. Die EU-Verordnung verlangt eine funktionierende Emissionsminderung „in normal use“, also bei normalem Gebrauch und verbietet Abschaltvorrichtungen. Aufgrund der Meßergebnisse streben die Niederlande nun sogar einen europaweit gültigen Widerruf der Typzulassung für Mercedes mit dem besagten Diesel-Aggregat an. Für Mercedes wäre dies fatal. Der betroffene Mercedes 2,1-Liter-Vierzylinderdiesel vom Typ OM 651 ist bei den Schwaben in unzähligen Fahrzeugen verbaut. Der beliebte und anerkannt sparsame Antrieb steht in verschiedenen Leistungsstufen bis hin zur BlueTec-Ausführung als 200 CDI, 220 CDI und 250 CDI mit bis zu 204 PS in den Baureihen A-, B-, C-, E-, S-, GL-, ML-, CLA-, GLA-, und CLS-Klasse sowie der V-Klasse, Viano, Vito und Sprinter zur Wahl. Bei der unabhängigen Testreihe in den Niederlanden präsentierte sich das Mercedes-Aggregat in der C220 BlueTec-Variante als der Antrieb mit den schlechtesten Abgaswerten. Zwar steht schon die Nachfolge-Motorgeneration zur Ablösung bereit. Der neue Reihenvierzylinder unter der internen Bezeichnung OM 654 ersetzt zuerst in der neuen E-Klasse den alten OM 651 ab. Der neue OM 654 soll bereits für die Diesel-Zukunft gerüstet sein und ist ermöglicht die Erreichung sehr strenger Grenzwerte nach dem zukünftigen Real Drive Emission (RDE)-Tests. Aber noch sind Millionen der alten Selbstzünder-Generation von Mercedes auf der Straße unterwegs. Hier deutet sich für die Marke mit dem Stern ein Imageproblem an. Vor allem, wenn es tatsächlich zu Einschränkungen bei der Einfahrt in Umweltzonen kommen sollte, als Konsequenz über eine geänderten Typzulassung mit neuer Schadtstoffklassifizierung. Noch ist ein Eintreten dieser Forderung der deutschen Umwelthilfe (DUH) äußerst unwahrscheinlich, da das Nutzen dieser Schlupflöcher zwar moralsich verwerflich aber rechtlich einwandfrei zu sein scheint.

Bauteilschutz zwischenzeitlich überholt

Der Bauteilschutz war ursprünglich mal notwendig, um den Herstellern rechtlich die Möglichkeit zu geben nicht hochtemperaturfeste Katalysatoren und Turbolader zu schützen und vor den Umwelt- und Gesundheitsschutz zu priorisieren. Durch Fortschritte bei den Werkstoffen und in der Materialtechnologie ist dies heute in diesem Maße schlichtweg nicht mehr notwendig. Viele Experten fordern deshalb die umgehende Abschaffung dieser Schlupflöcher und Umgehungsmöglichkeit über den Bauteileschutz. Zumal sich zwischenzeitlich deren missbräuchliche Nutzung deutlich aufzeigt. Damit wird es langfrsitig für die Hersteller immer schwieriger die Abgaswerte bei Dieselmotoren einzuhalten, ohne dass der Spagat zwischen Effizienz und Emissionen sowie auch dem Einsatz des Betriebsmittelverbrauch wie der Harnstofflösung adBlue in einem alltagstauglichen Verhältnis steht. Es gibt Beispiele bei anderen Herstellern – aber auch Mercedes – wo dies gelingt. Aber es handelt sich dabei meist über Fahrzeuge oberhalb der Mittelklasse, bei denen die Anschaffungskosten in einem besseren Verhältnis zu den Mehrkosten einer aufwändigen Abgasnachbehandlung stehen.

 

Fazit: Die jüngsten Geschehnisse zeigen eindrucksvoll, dass der Dieselmotor neben der technisch aufwändigen Abgasnachbehandlung zunehmend ein Imageproblem erwachsen könnte.

 

Neben Volkswagen bringen genauere Untersuchungen auch andere Hersteller ihre motorischen Maßnahmen in Erklärungsnöte. Und seien die Maßnahmen unter rechtlichen Gesichtspunkten noch vollständig als legal einzustufen.

 

Noch lieben die Deutschen und auch viele Europäer ihre hocheffizienten Dieselmotoren vor allem wegen ihrer Sparsamkeit. Es wird aber zunehmend klarer unter welchem Zugeständis an die Umwelt und Gesundheit wir den Selbstzünder akzeptieren. Noch gibt auch die deutsche Auto- und Zulieferindstrie – allen voran der VDA – den Kampf um den Diesel nicht verloren. Die Erreichung von CO2-Zielen sei nur mit den sparsamen Dieselmotoren zu erreichen. Es wird spannend, ob dem Diesel im PKW auch eine langfristige Zukunft beschert sein wird. Bei den Absatzzahlen läßt sich bereits ein nachlassendes Kundeninteresse beim Diesel erkennen. Dies ist sicherlich den jüngsten Geschehnissen und Diskussionen rund um den Selbstzünder geschuldet und muss noch kein Trend sein.

 

Auch die jüngsten Fortschritte bei den Benzinern oder auch günstige Antriebsalternativen mit bivalentem Gas-Antrieb tragen dazu bei, die Entscheidung der Abkehr vom Diesel vor allem bei den kleineren Fahrzugklassen zu erleichtern. Die meisten Neufahrzeuge werden von Geschäftskunden geordert.

 

Solange sich in den Total Cost of Ownership-Betrachtungen (TCO) von Flottenbetreibern und Geschäftskunden mit einem hohen Anteil Langstreckennutzung signifikante Kostenvorteile für den Diesel ergeben, wird sich an der Orderquote mit Dieselantrieben nicht viel ändern. Sollten aber nach Frankreich in der EU auch andere Länder die steuerlichen Vorteile für Diesel reduzieren, könnte sich der EU-weite Anteil von PKW-Neubestellungen mit Dieselantrieb bereits kurzfristig deutlich reduzieren. Die Neuinterpretation des Spagat zwischen Effizienz und Emissionen geht damit in die nächste Runde.