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Zurück in die Zukunft: Der Porsche 911 Spirit 70 im Detail

Porsche 911 Spirit 70 - Bildnachweis: Porsche

 

Hommage an ein Jahrzehnt der Widersprüche 

Wer sich in den späten 1970er- und frühen 1980er-Jahren nach Freiheit sehnte, fand sie oft auf vier Rädern. Die Ikone jener Zeit war zweifellos der Porsche 911. Mit der auf 1.500 Exemplare limitierten Sonderedition „Spirit 70“ greift Porsche dieses Lebensgefühl erneut auf – nicht nostalgisch-verklärt, sondern in Form eines technisch aktuellen Performance-Hybriden mit historischen Designzitaten. Was steckt hinter dem neuen Sondermodell? Und rechtfertigt der Preis von mindestens 240.000 Euro die Idee einer „Zeitreise auf Rädern“?

Porsche 911 Spirit 70 – Bildnachweis: Porsche

Stilzitate mit Substanz? 

Zweifellos zielt der 911 Spirit 70 auf eine Klientel, die mehr erwartet als eine reine Fahrmaschine. Die Edition versteht sich als Verbindung von Tradition und Innovation – sichtbar im aufwendig abgestimmten Farbkonzept, das mit dem neuen Ton „Olive Neo“ einem satten Grünton ins Spiel bringt, der sich deutlich vom klassischen „British Racing Green“ abhebt. In Kombination mit bronzitfarbenen Akzenten an Front und Heck sowie den Sport-Classic-Rädern im historischen „Fuchs“-Design entsteht ein Auftritt, der auffällig, aber nicht effekthascherisch wirkt. Die drei seidenmatten Zierstreifen auf der Haube sind eine Reminiszenz an die Sicherheitsbeklebung früherer Sportwagen – ein Detail, das Kenner erfreuen dürfte, ohne Außenstehende zu überfordern.

Porsche 911 Spirit 70

Auf den Kotflügeln prangen goldfarbene Plaketten der Porsche Exclusive Manufaktur – ebenso auf dem Heckdeckel, wo das sogenannte „Heritage-Emblem“ an jene Plaketten erinnert, die einst Fahrzeuge nach 100.000 km Laufleistung zierten. Der Schriftzug „Porsche“ am Heck ist galvanisch vergoldet – optisch hochwertig, aber nicht funktional.

Porsche 911 Spirit 70 – Bildnachweis: Porsche

Innenraum: Revival trifft Digitalisierung 

Das Interieur ist eine durchkomponierte Hommage an die 1970er – allen voran durch das legendäre Pascha-Muster auf Sitzen, Türverkleidungen und sogar dem Handschuhfachdeckel. Die Stoffstruktur – heute aus Flockgarn statt Jacquard-Velours gefertigt – erzeugt einen dreidimensionalen Effekt, der die Sitze wie ein Retro-Kunstwerk erscheinen lässt. Dazu passt das Clubleder in Basaltschwarz mit farblich abgestimmten Ziernähten in Olive Neo – ebenso serienmäßig wie das Interieurpaket aus selbigem Leder.

Porsche 911 Spirit 70 – Bildnachweis: Porsche

Technisch dominiert jedoch moderne Digitalität. Das Kombiinstrument bietet ein volldigitales 12,65-Zoll-Display, das bewusst historische Elemente imitiert: Weiße Zeiger und grüne Ziffern erinnern an den 356, auch die Sport-Chrono-Stoppuhr greift dieses Schema auf. Der Modellname erscheint im virtuellen Drehzahlmesser – diskret, aber gut sichtbar.

Porsche 911 Spirit 70 – Bildnachweis: Porsche

Herzstück: Hybridantrieb mit 541 PS 

So viel zum Design – doch wie steht es um die Technik? Der 911 Spirit 70 basiert auf dem aktuellen 911 Carrera GTS Cabriolet, das erstmals mit einem Performance-Hybrid angeboten wird. Der neu entwickelte 3,6-Liter-Boxermotor wird von einem Hochvoltsystem unterstützt. Der sogenannte eTurbo – ein elektrisch unterstützter Turbolader – sowie eine in das 8-Gang-PDK integrierte E-Maschine liefern zusammen eine Systemleistung von 398 kW, also 541 PS, und ein maximales Drehmoment von 610 Nm. Damit platziert sich der Spirit 70 leistungsmäßig klar über dem Carrera S, aber unterhalb des Turbo S.

Zwar bleibt Porsche Details zu Gewicht, Beschleunigungswerten und elektrischer Reichweite bislang schuldig, jedoch gilt als gesichert: Der Hybrid soll nicht primär der Effizienz, sondern der Performance dienen. Es handelt sich also nicht um einen Plug-in-Hybriden mit nennenswerter elektrischer Reichweite, sondern um ein System zur Fahrdynamik-Optimierung – ähnlich dem früheren 918 Spyder-Konzept, jedoch in deutlich abgespeckter Form.

Exklusivität zum Preis einer Eigentumswohnung

Ab 240.000 Euro beginnt der Einstieg in die Welt des Spirit 70 – deutlich über dem Standard-Carrera GTS Cabrio, das ab rund 167.000 Euro zu haben ist. Wer sich jedoch für eines der 1.500 Exemplare entscheidet, erhält nicht nur ein technisch und optisch individualisiertes Modell, sondern auch Zugang zu einer eigens entworfenen Lifestyle-Kollektion samt Modellauto, Kleidung und Accessoires – selbstverständlich optional. Für besonders leidenschaftliche Sammler bietet Porsche Design zudem einen exklusiven Chronographen im passenden Pascha-Look an.

Spannend ist in diesem Kontext auch der Blick auf die Individualisierungsstrategie von Porsche: Über 1.000 Optionen bietet die Exclusive Manufaktur inzwischen, der Umsatz pro Fahrzeug hat sich laut Unternehmen in fünf Jahren verdoppelt. Mit anderen Worten: Individualisierung wird zur tragenden Säule der Wertschöpfung – vor allem für solvente Kunden mit Faible für Nostalgie.

Digitale Zeitreise per App 

Ein überraschender Aspekt ist die begleitende App für die Apple Vision Pro. Käufer können damit den Spirit 70 digital konfigurieren und dabei tief in die Designwelt der 1970er-Jahre eintauchen. Dieser Ansatz positioniert den Porsche weniger als klassisches Produkt, sondern vielmehr als emotionales Lifestyle-Objekt – in der analogen wie digitalen Welt.

Fazit: Sammlerobjekt mit doppeltem Boden 

Der 911 Spirit 70 ist keine technische Revolution, wohl aber ein gelungenes Beispiel für emotionales Produktdesign mit historischer Anmutung. Die Kombination aus exklusivem Styling, limitiertem Charakter und moderner Hybridtechnik dürfte vor allem Sammler und Enthusiasten ansprechen – weniger jene, die Wert auf nüchterne Performance oder Alltagstauglichkeit legen. Ob der Preis in Relation zur gebotenen Technik gerechtfertigt ist, bleibt Ansichtssache. Klar ist aber: Der Spirit 70 ist ein Statement – für Individualität, Erinnerungswert und stilisierte Zeitreise auf vier Rädern.