68 Jahre nach dem ersten 600 haben die Italiener den „Seicento“ als Elektroauto neu aufgelegt
Der 600 war ein viersitziger Kleinwagen mit einer selbsttragenden Karosserie, die eine kompakte und zugleich raumeffiziente Bauweise bot. Angetrieben wurde er von einem wassergekühlten, hinten montierten Vierzylinder-Reihenmotor, was zu dieser Zeit eine Innovation im Segment der Kleinwagen war. Bis heute symbolisiert der Fiat 600 das italienische Wirtschaftswunder der Nachkriegszeit und ist bei Classic- und Oldtimer-Fans ein begehrtes Sammlerstück.
Doch wie gut ist der kompakte Italiener mit Elektroantrieb?
Während das Ur-600 auf einer Länge von gerade mal 3,29 Meter immerhin vier Personen befördern konnte, ist der 600 Elektro mit 4,17 Metern knapp einen Meter länger und bietet fünf Leuten Platz. Den kleinen Bruder 500e überragt der 600e um stolze 54 Zentimeter. Damit steht im Innenraum mehr Platz zur Verfügung. Zudem gewährleisten fünf statt drei Türen einen bequemen Zugang zu den hinteren drei Sitzplätzen. Das Stauvolumen fällt mit 360 Liter Volumen fast doppelt so groß wie im elektrischen Cinquecento aus. Das Fahrzeug positioniert sich im B-Segment und wird verbrennerisch als 48V-Hybrid und Vollelektriker (BEV) angeboten.
Stellantis baut sein Angebot weiter aus. Der Fiat 600e, der auf der gleichen Technikbasis wie seine elektrischen Schwestermodelle basiert, ist nach dem 500e der zweite Vollelektriker aus dem Hause Fiat. Der 600e teilt sich die Plattform übrigens mit dem Opel Mokka Electric, Jeep Avenger und Peugeot E-2008. Der Fiat 600e ist die Italienische Vorstellung von e-Mobilität im B-Segment. Hierzu tragen auch die vielen modernen Designelemente bei. Angefangen von der LED-Beleuchtung, die das Fahrzeug mit charakteristischen Lichtsignaturen im Interieur wie auch Exterieur an allen Seiten gewährt. Die Lackierung unseres Testwagen gibt hier einen reizvollen Kontrast, um traditionelle und moderne Stilelemente geschickt zu vereinen.
Interieur
Der Stromer liefert bei 4,17 Metern Länge ein komfortables Platzangebot für vier notfalls fünf Personen und verfügt über einen großzügigen Stauraum. Hinter den Vordersitzen finden Erwachsene mit durchschnittlicher Körpergröße dank genug Knie- und Kopffreiheit genügend gute Platzverhältnisse vor. Eng wird es bei einer dritte Person auf der hinteren Sitzbank. Hier gehen je nach Körpergröße die Knie mit der Mittelkonsole auf Kollisionskurs .
Die Staufächer im Innenraum bieten zusammen ein Gesamtvolumen von 15 Litern. Platz für persönliche Gegenstände bieten unter anderem der Mitteltunnel, der mit einem individuellen Abdeckpolster und flexiblen Getränkehaltern ausgestattet ist, das Handschuhfach, die Sitztaschen sowie Ablagefächer in den vorderen Türen. Der Kofferraum weist in Normalkonfiguration ein Volumen von 360 Litern auf. Durch Umlegen der im Verhältnis 60:40 asymmetrisch geteilten Rücksitzbank läßt sich das Ladeteil auf stolze 1.231 Liter erhöhen. Das Schwestermodell Peugeot E-2008 verfügt mit 434 Litern Ladevolumen über ein beachtliches Plus an Platz im Laderaum. Dafür ist er aber auch 13 Zentimeter länger als der Fiat 600e. Die Heckklappe unseres Testwagen ist elektrisch.
Zwar sind im 600e viele harte Kunststoff-Oberflächen verbaut. Aber der ist gut kaschiert und fällt zumindest weder optisch noch haptisch negativ auf.
Der in Polen gebauten 600e präsentiert sich mit schickem Innenraum und hellen Sitzen, in denen pro Fahrzeug ungefähr 200 PET-Flaschen verarbeitet wurden. Die Bestickung mit dem Fiat-Schriftzug verleiht dem Innenraum eine weitere besondere Note. Das in Karosseriefarbe lackierte Armaturenbrett mit Digitaltacho lässt sich wie der gesamte Innenraum in acht Farbtönen illuminieren. Der Mitteltunnel wird mit einer faltbaren Abdeckung vor neugierigen Blicken geschützt, praktisch sind die flexiblen Getränkehalter. Insgesamt gibt es genügend Ablagen.
Serienmäßig gibt es einen gut ablesbaren 10,25 Zoll großen Bildschirm. Das Infotainment arbeitet eher zögerlich. Aber vermag immerhin sowohl Inhalte von Apple CarPlay als auch von Android Auto kabellos zu spiegeln. Android Auto und Apple Carplay sind serienmäßig und lassen das nativ inkludierte Navigationssystem alt aussehen. Die 7-Zoll-TFT-Instrumentenanzeige hinter dem Lenkrad gibt nur wenige Rätsel auf und liefert über eine gut strukturierte Menüführung schnell die gewünschten Informationen. Neben USB-Anschlüssen des Typs A und C – auch für die hinteren Sitze – bietet der neue Fiat 600e La Prima auch eine Vorrichtung zum kabellosen Laden entsprechend ausgestatteter Smartphones. Wie bei den Schwestermodellen – beispielsweise dem Jeep Avenger – kommt eine in Bezug auf die CX und UX-Erfahrung eine halbwegs gute Bedienerführung zum Einsatz. Wir fanden auf dem 7 Zoll großen Instrumentendisplay wie auch auf dem zentralen 10,25-Zoll-Touchscreen schnell zurecht.
Auf dem Touchscreen, über den das Infotainment und vieles andere gesteuert wird, sind die Inhalte gut und logisch strukturiert. Das System reagiert performant. Die Klimatisierung lässt sich noch über physische Schalter und die Lautstärke über einen Drehschalter beeinflussen. Das Smartphone bindet sich schnell über Android Auto oder Apple CarPlay ins System ein. Entlang der Route lassen sich freie Parkmöglichkeiten, Staus und Ladestationen in Echtzeit im Navi-Fenster einblenden. Die Türverriegelung, Klimaanlage und das Licht lassen sich remote per Smartphone-App steuern.
Weitere Funktionen sind u.a. ein intelligenter Geschwindigkeitsassistent, Tempomat, (erstaunlich gut funktionierende) Verkehrszeichenerkennung, Aufmerksamkeits-Assistent, Spurhalteassistent und Tote-Winkelwarner. Das Spitzenmodell, der 600e La Prima, umfasst zudem serienmäßig immer den Drive Assist (Assistiertes Fahren Stufe 2), einen schlüssellosen Zugang und einen Massagesitz für den Fahrersitz. Ein schlüsselloses Schließsystem (Keyless Entry) und Velours-Fußmatten ergänzen die Serienausstattung.
Antrieb
Der Fiat 600e basiert auf der CMP-Plattform des Stellantis-Konzern. Weitere Fahrzeuge die diese technische Basis nutzen, sind der DS3, der Peugeot 208 und auch der Opel Corsa. Der Permanentmagnet-Elektromotor leistet umgerechnet 156 PS und 260 Newtonmeter. Typisch sind ein Akku mit einer Nettokapazität von 51 kWh. Der Wagen wird bei 150 km/h elektronisch abgeregelt. Der von Fiat angegebene kombinierte Normverbrauch gem. WLTP beträgt von 15,1 bis 15,2 kWh/100 km. Unser Testverbrauch bei sommerlichen Temperaturen erstreckte sich zwischen 12 und 19,5 kWh/100km. Die WLTP-Reichweite gibt Fiat mit maximal 406 Kilometern an. Innerstädtisch sollen über 600 km möglich sein. Unsere Verbräuche lagen je nach Fahrweise unterhalb 15 kWh/100km.
Batterie- und Ladeeigenschaften
An Wechselstrom (AC) läßt sich der 600e dreiphasig mit 11 kW innerhalb von 5h45m voll aufladen. Schneller geht es per Gleichstromladung an öffentlichen Ladestationen im DC-Modus. Der 600e liefert hier eine Peak-Ladeleistung von mit bis zu 100 kW. Dies konnten wir unter sommerlichen Bedingungen beim Laden problemlos reproduzieren. Damit ist der Ladehub von 20 % auf 80 % (SoC) in 27 Minuten erledigt. Wohlgemerkt unter Idealbedingungen. Die serienmäßige Wärmepumpe kann die Reichweite um bis zu 10 Prozent erhöhen. Ein beeinflussbares Thermomanagement, um die Batterie vor dem Aufladen in der Temperatur vorzukonditonieren, um mögliche Ladeleistungen gut auszuschöpfen – aber auch um die Batterie zu schonen – verfügt der Fiat 600e leider nicht.
Das Fahrwerk ist weder zu soft noch zu straff: Ausgewogene Fahreigenschaften
Stellantis setzt beim Akku auf die Lithiumionen-Batterien mit Nickel-Mangan-Kobalt-Legierung (NCM). Dies ermöglich volumetrisch besonders kompakte Batteriegrößen. Und ermöglicht den Ingenieuren bei der Akku-Integration sowohl das Platzangebot wie auch die Gewichtsverteilung besser zur berücksichtigen. Im Ergebnis präsentiert sich der Fiat 600 Elektro mit einem tiefen Schwerpunkt und ausgewogenen Gewichtsverhältnis. Dies verleiht ihm angenehm neutrale Fahreigenschaften. Aber auch die Kurveneigenschaften profitieren physikalisch von der Gewichtsverteilung. Der Fronttriebler in der Ausstattungsversion La Prima rollt serienmäßig auf 215/55 R18 Pneus. Der wagen liegt damit angenehm ruhig in der Kurve. Leistung und Beschleunigung sind für ein Fahrzeug dieser Abmessungen durchaus passend. Das Fahrwerk ist weder zu soft noch zu straff abgestimmt. Anlass zu Kritik gibt die Abstimmung der Lenkung. Diese ist relativ leichtgängig und indirekt und könnte etwas mehr Rückmeldung gewähren. Der Wendekreis von 10,5 Meter trägt zum guten Handling vor allem in der Stadt bei.
Drei Fahrmodi – drei unterschiedliche Leistungsniveaus
Wie leistungsstark der 600e anfühlt, entscheidet der Fahrmodus. Im Fiat 600e stehen die Fahrmodi „Eco“, „Normal“ und „Sport“ zur Wahl. Am sparsamsten ist man im Eco Modus in der Stellung „B“ (wie „Bremse“) im nicht ganz One-Peda-Driving-Modus unterwegs. Hier rekuperiert der 600e, gewinnt also beim Bremsen oder vom Gas gehen Energie zurück. Über diese Form der Bremsenergierückgewinnung wird beim Verzögern wieder Energie in die Batterie rückgespeist. Das erklärt, warum der Verbrauch im Stadtverkehr, wo häufig gebremst und verzögert wird, am niedrigsten ist. Allerdings muss der Modus vor Fahrtantritt jedesmal neu aktiviert werden. Die Modi präsentieren sich mit deutlich unterschiedlicher Kraftentfaltung. Im Ecomodus leitet der E-Motor über die 1-Gang-Automatik lediglich 82 PS und 180 Nm auf die Vorderräder.
Im Normalbetrieb steht eine Leistung von 109 PS Leistung und 220 Nm Drehmoment an. Die maximale Leistung samt dem vollen Drehmoment von 260 Newtonmeter stehen erst im Sportmodus zur Verfügung. Nur in „Sport“ sprintet der 600e in 9,0 Sekunden von 0 auf 100 km/h. Bei 150 km/h wird elektronisch abgeregelt.
Technische Daten Fiat 600 Elektro 54 kWh - 2024
Hersteller: Fiat
Karosserie: Crossover im B-Segment
Motor: Elektromotor
Leistung: 115 kW (156 PS)
30-Minuten-Leistung: 57 kW / 77 PS
max. Drehmoment 260 Nm
Getriebe Automatik Elektroantrieb mit fester Getriebeübersetzung
Antrieb: Frontantrieb mit elektronischer Drehmomentsteuerung
Motor: vorne eingebauter Elektromotor
Batterie: Lithium-Ionen-Batterie
Batteriekapazität: 54 kWh
Architektur: 400 V
On Board Charger: 11 kW 3phasig (serienmäßig) AC
Ladeleistung (max.): 100 kW DC
Ladedauer AC, 11 kW-Wallbox 3phasig (0 bis 100%): Ca. 5h30m
Ladedauer DC, 100-kW-öffentliche Ladestation (0 bis 80%): Ca. 26 Minuten
Elektrischer Energieverbrauch kombiniert WLPT: 15,2 kWh/100 km
Wärmepumpe: serienmäßig
CO2: 0 g/km
Effizienzklasse: A
Reichweite bei voller Batterie (WLTP): 409 km
Von 0 auf 100: 9,0 s
Höchstgeschwindigkeit: 150 km/h abgeregelt
Sitzplätze: 5
Zuladung: 505 kg
Leergewicht: 1.520 kg
Zulässiges Gesamtgewicht: 2.025 kg
Gewicht der Batterie: 339 kg
Kofferraum 360 bis (umgeklappt) 1.231 Liter
Länge/Breite/Höhe/Radstand 4.171/1.981/1.523/2.562 mm
Wendekreis 10,5 m
Bereifung: 215/55R18
Grundpreis (Red) 34.640 Euro
Testwagenpreis (LA Prima) brutto 42.490 Euro
Preise und Extras
Das Fiat 600e Modell hat einen Listenpreis (Stand Mai 2024) von 36.490 <Euro (Red) bis 42.490 Euro (La Prima). Die Ausstattung ab Werk kann sich sehen lassen. Zwei Ausstattungslinien stehen zur Wahl. Bereits das Einstiegsmodell Red präsentiert sich mit guter Komfort-, Infotainment- und Sicherheitsausstattung. Im von uns getestetn La Prima erreicht man mit Luxus-Features wie Sitzmassage und Sitzheizung, Keyless go mit Passive entry, umfassender Multimedia-Ausstattung und Assistenzsystemen wie dem ACC-Tempomat ein höheres Ausstattungsniveau, das sich Fiat aber auch mit einem deutlich höheren Preis vergüten lässt (+ 6.000 Euro). Der Preis ist die größte Schwäche des 600e. Und die größte Konkurrenz könnte ihm aus dem eigenen Konzern erwachsen. Da sind beispielsweise der deutlich günstigere Citroen e-C3 und der Opel Frontera.
Fiat bietet den 600 in peppigen Lackierungen an. Die Farben sollen Lebensgefühl (la dolce vita) vermitteln und eine jüngere Zielgruppe ansprechen. Und ein weiteres interessantes Detail in diesem Zusammenhang. Fiat bietet den EV nicht in der Farbe Grau an und gedenkt diese Farbe auch nicht für neue Modelle anzubieten. Das Motiv ist denkbar einfach: Für Fiat ist Grau nunmal nicht vereinbar mit dem angestrebten „Dolce Vita“!
Fiat verspricht eine Garantie von 8 Jahren oder 160.000 km für die Batterie des Elektroautos mit einem State of Health (SOH) dann von noch mind. 70%.
Fazit: Mehr als ein vollelektrisches Stadtauto
Die Autobauer aus Turin bringen nach dem Fiat 500e nun 68 Jahre nach dem Ur-600 mit dem Fiat 600e ihr zweites vollelektrisches Modell an den Start. Die neue Elektroversion des Seicento – es gibt ihn auch als 48V Hybrid – präsentiert sich auf Stellantis-Plattform als modernes Elektroauto. Mit noch tolerablen Schwächen (Ladetempo) aber auch vielen Stärken empfiehlt sich der 600e für mehr als reiner Stadtstromer. Alles in allem ist das Gesamtpaket für ein Fahrzeug im wettbewerbsintensiven B-Segment durchaus überzeugend, wenn da nicht dieser zu hohe Preis wäre. Ansonsten zeichnet den Stromer ein guter alltagstauglicher Kompromiss aus. Der Fiat 600e ist 54 Zentimeter länger und auch einige Zentimeter höher als der Fiat 500e und ist als Fünftürer damit deutlich besser für den Familieneinsatz geeignet. Trotz der Ladeschwäche sind gelegentliche Langstrecken durchaus möglich. An DC-Schnellladestationen läßt sich die die Batterie mit einem Ladepeak von 100-kW der Ladehub 10 bis 80% in weniger als einer halben Stunde erledigen.
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