Die elektrische Mittelklasse-Limousine startet ab sofort zu Preisen ab 47.590 Euro
Auf der diesjährigen internationalen Automobilausstellung IAA Mobility in München war eine starke Präsenz chinesischer Autohersteller zu verzeichnen, darunter zum ersten Mal BYD. Die Marke hat ihren Hauptsitz in Shenzhen, einer der großen Metropolen in China. Der Name „BYD“ steht für „Build Your Dreams“ – „Baue deine Träume“. Obwohl das Unternehmen erst 2005 mit dem Bau von Autos begonnen hat, hat es bereits eine unglaubliche Phase des WEachstums hinter sich. BYD hat sich mittlerweile von reinen Verbrennungsfahrzeugen verabschiedet und konzentriert sich ausschließlich auf Plugin-Hybride und reine Elektroautos (BEV). Zwischenzeitlich ist das Unternehmen zum größten Elektroautohersteller Chinas avanciert und zählt zu den größten weltweit. Im ersten Halbjahr 2023 hat BYD Volkswagen als meistverkaufte Automarke auf dem chinesischen Heimatmarkt abgelöst und somit die jahrzehntelange Marktführerschaft von Volkswagen in China beendet. Auch in Deutschland ist BYD mittlerweile aktiv, obwohl ihre Autos auf deutschen Straßen noch selten zu sehen sind. Das Geschäft in Deutschland befindet sich noch in den Anfängen, aber einige BYD-Modelle sind bereits auf dem deutschen Markt erhältlich. Auf der IAA in München präsentierte BYD seine neuesten Elektrofahrzeuge für den deutschen Markt, darunter die Modelle Dolphin und Seal, und gab die Preise für diese Fahrzeuge in Deutschland bekannt.
Bis Ende des Jahres 2023 plant BYD fünf verschiedene Elektroautos bei uns anbieten. Ein solches Tempo bei Markteinführungen ist in der Automobilindustrie selten. Der hier vorgestellte BYD Seal soll noch im vierten Quartal 2023 in Deutschland starten. Mit attraktivem Design, hoher Reichweite und günstigem Preis. Mit einem speziellen „Blade-Akku“ – dazu später mehr – positioniert er sich zum echten Tesla-Jäger.
Eine sportliche Limousine vom Meer inspiriert
Den BYD Seal zeichnet ein elegantes Design, das von der Natur inspiriert ist. Die Formensprache des Design-Konzept „Ocean Aesthetics“ kommt hier zum Ausdruck. Durch die flache Front, das abgerundete Dach und die abschüssigen, athletischen Linien wirkt die Silhouette natürlich und sportlich. Der BYD Seal ist ein hochtechnologisches Fahrzeug mit fesselnden Konturen, die das Gefühl wellender Meeresbewegungen vermitteln. Seine niedrige und strömungsgünstige Karosserieform strahlt Kraft und Agilität aus und sorgt für einen geringen Luftwiderstandsbeiwert von nur 0,219 cw. Neben seinem dynamischen und intelligenten Design überzeugt der vollelektrische BYD Seal als leistungsstarke und vielseitige Limousine, die Platz für fünf Personen bietet.
Der Seal ist 4,80 Meter lang, 1,88 Meter breit und 1,46 Meter hoch. Der Radstand beträgt 2,92 Meter. Das Tesla Model 3 steht auf kürzemerem Radtsand. Überhaupt ist das Model 3 von Tesla mit 4,69 Meter kürzer als der Seal und auch in allen anderen Dimensionen etwas kompakter. In der BYD-Modellhierarchie ordnet sich der Seal unterhalb der Limousine Han ein, den BYD gegen das Model-S von Tesla postioniert sehen möchte.
UBS-Analysten haben kürzlich den BYD Seal mit dem VW ID.3 verglichen. Der Volkswagen ist ebenfalls ein vollelektrisches BEV und neben dem Tesla Model 3 eines der wichtigsten globalen Wettbewerber zum Seal. Das Analyse-Ergebnis fällt für die Niedersachsen sehr ernüchternd aus. UBS sieht beim BYD Seal enorme Kostenvorteile. Die Kosten zu reinen Herstellungskosten schätzen die Schweizer Banker beim Seal auf 20.000 US-Dollar, während sie die reinen Herstellungskosten eines in Europa produzierten VW ID.3 auf mindestens 31.000 Dollar taxieren. BYD verfügt somit im direkten Vergleich zu VW über einen enormen Kostenvorteil von 35 Prozent. Dieser strukturelle Kostenvorteil begründet sich zum einen auf den günstigeren Antriebsstrang und vor allem die Batterie-Einheit und andere Komponenten im Fahrzeug.
Interieur
Der Innenraum präsentiert sich komfortabel mit einem auch für Europäer ansprechenden Ambiente und viel Technologie. Die Materialien im Innenraum gefallen und wirken sehr hochwertig. Viel Alcantara und weich unterschäumte Kunststoffoberflächen sind nicht nur optisch, sondern auch haptisch angenehm. Die Vordersitze bieten hohen Komfort und sportlichen Seitenhalt. Die beiden vorderen anatomisch geformten Sitze verfügen über eine elektrische Verstellung der Sitzkissenneigung und der Lordosenstütze. Auch im Fond ist genügend Platz für bis zu drei Personen. Auch der Sitzkomfort ist auf der Rückbank durchaus Langstrecken-konform. Das große Panorama-Schiebedach erhellt das Interieur und sorgt für ein hohes Maß an luftiger Leichtigkeit. Das Lenkrad ist mechanisch höhen- und längs-verstellbar und sorgt mit einer angenehmen Dicke samt einer sehr sauberen Flachnaht aus Lederbesatz für eine gute Griffigkeit.
Serienmäßig verbaut ist außerdem eine Menge Fahrer- und Sicherheitstechnik. Diese hinterlassen bei uns allerdings an der einen oder anderen stelle einen zwiespältigen Eindruck. Eine Geschwindigkeitsüberschreitung von nur (!) einen km/h, wird mit einem irritierendem Dauer-Pling-Geräusch und einer zusätzlichen Sprachanweisung aus dem Off belehrt. Schräg wird es, wenn im großen Display ein anderes Tempolimit angezeigt wird als im kleinen hinter dem Lenkrad. Hier muss BYD schleunigst nachbessern. Die zahlreichen elektronischen Helferlein arbeiten teils zu grob (Spurhalteassistent) und erweisen sich zuweilen als nicht genügend zuverlässig wie die Verkehrszeichenerkennung. Eine Hilfe wird dann schnell zur Belastung. Den bimmelnden Spurhalteassistenten, der zudem aktiv eingreift und am Lenkrad zupft, konnten wir schnell ohne große Sucherei deaktivieren.
Das gut ablesbare volldigitale Cockpit ermöglicht zumindest zwei individuelle Anpassungsmöglichkeiten als Presets. Das Infotainmentsystem wird über ein 4G-Datenmodem online gehalten, das auch große OTA-Updates (Over-the-Air) ermöglicht. Der große drehbare 15,6-Zoll-Monitor dient als Kommandozentrale für das Infotainment und wird durch ein Head-up-Display ergänzt. Der Bildschirm lässt sich BYD-typisch (wie beim Atto3) horizontal oder vertikal drehen und wird zudem mit einer sehr gut arbeitenden englischen Sprachsteuerung ergänzt. Die Menführung ist erstaunlich ergonomisch und kommt ohne eine störende Grafik-Überladung aus. Alles in allem präsentiert sich das System mit einer guten UX. Das System arbeitet performant ohne störende lags und wir fanden uns schnell zurecht. Auch fehlerhafte Übersetzungen sind uns nicht aufegfallen. Über das serienmäßige Android Auto oder Apple CarPlay lassen sich bei Bedarf Smartphones spiegeln. Die Smartphones von Fahrer und Beifahrer laden bei Bedarf induktiv in der Mittelkonsole.
An Assistenzsystemen sind der Heckkollisions- und Querverkehrswarner sowie die hilfreiche 360 Grad-View als Einparkhilfe positiv hervorzuheben. Auf der Rückbank befinden sich gut zugängliche Isofixpunkte für Kindersitze. Zahlreiche Ablageflächen sowie beheiz- und aber auch (!) kühlbare Vordersitze sind bisher im Wettbewerbsumfeld noch nicht selbstverständlich. Das Kofferraumvolumen beträgt 400 Liter und kann über das Umklappen der geteilten Rückenlehne erweitert werden. Um wieviel Stauvolumen schweigt sich der Hersteller aus.
Antrieb und Batterie
Der Seal verfügt über die Blade-Batterie (frei übersetzt heißt das soviel wie klingenförmige Batterie) von BYD, ein hoch effizienter Lithium-Eisenphosphat-Akku, der frei von Kobalt ist. Batterietechnologien sind eine der Kernkompetenzen von BYD. Ein wesentlicher Erfolgsfaktor liegt in der neuartigen Akku-Technologie begründet. BYD ist seit kurzem weltweit der zweitgrösste Hersteller von Batterien für E-Autos, vor LG aus Südkorea und hinter dem chinesischen Konkurrenten CATL. Die Blade-Batteriemodule liefert BYD auch an Wettbewerber. Zum einen an Tesla und in Kürze auch an Mercedes.
Beim Batteriematerial setzt BYD wie bereits erwähnt auf konventionelles Lithium-Eisen-Phosphat. Das Besondere sind die Bauweise sowie das Format der „Blade“-Batteriezellen. Dieses Format eröffnet neue Möglichkeiten, was das sogenannte Packaging der Zellen betrifft. Die Blade-Zellen dienen als struktureller Pfeiler der Konstruktion und sind sehr eng gepackt im Gehäuse. Die Batteriebox erstreckt sich über 96 Zentimeter Länge, 9 Zentimeter Höhe und 1,35 Zentimeter Dicke.
Im Inneren der Zellen befindet sich eine wabenartige Struktur aus Aluminium, die von hochfesten Paneelen auf der Ober- und Unterseite zusammengehalten werden. Diese Form verbessert laut BYD die Kühleffizienz und die Vorwärmleistung.
Die fortschrittliche Cell-to-Body-Technologie ermöglicht die Blade-Batterie in die tragende Struktur des Fahrzeugs zu integrieren. BYD verspricht als Folge der festen Struktur eine verbesserte Sicherheit. Dank des Designs der modernen e-Plattform 3.0 ist der hintere Teil des Seals mit einem vollständig ebenen Boden ausgestattet, der viel Platz bietet und die Effizienz, Leistung und Stabilität des Fahrzeugs verbessert.
Der Seal nutzt wie andere chinesische Elektroautos beim AC-Laden in Europa nur eine von drei Phasen, sodass die Ladeleistung nicht mehr als 7 kW beträgt. Beim DC-Laden sind LFP-Akkus nicht die schnellsten. Auch mögen sie Kälte nicht so sehr wie NCM-Zellen. Aber Ladeleistungen bis 90 kW liegen drin. Der Blade-Akku des BYD Seal enthält eine Energiekapazität von 82 kWh. Der 2.055 kg schwere Seal (ohne Fahrer) schafft eine rein elektrische Reichweite von 570 km gemäß WLTP. Die Basisversion des Tesla Model 3 kommt mit ihrem deutlich kleineren Akku „nur“ 493 Kilometer weit (WLTP).
Loeben hervorzuheben ist noch, dass der Seal immer mit Wärmepumpe und V2L-System vorfährt.
Fahreigenschaften
Bei normaler Fahrweise zeigt der Seal keine Schwächen. Er glänzt mit einer angenehmen Laufruhe. Dazu trägt auch die hervorragende Schalldämmung (die Vordertüren sind doppelt verglast) bei. Unebenheiten gleicht das Fahrwerk gut aus.
Für die Aktivierung des Sportmodus muss die Taste am Lenkrad gedrückt werden. Den Null-Hundert-paradesprint erledigt der Seal in 3,8 Sekunden. Das ist recht ordentlich. Eine weitere Beschleunigung wird bei Tempo 190 abgeregelt. Genügend Leistung ist reichlich vorhanden. Hier stehen zusammen 530 PS aus zwei Elektromotoren auf abruf bereit. Die Bremsen sind dem angemessen und verzögern das 2 Tonnen schwere Elektroauto nach weniger als 36 Meter. In der Erstausrüstung verbauen die Chinesen die jüngste Generation des Continental SportContact 7 Sommerreifen in der Dimension 235/45 R19. Bei allen Tempi sind Motorgeräusche kaum wahrnehmbar. Auch von Wind- oder störenden Abrollgeräuschen werden die Insassen weitgehend verschont.
Während die große BYD-Limousine Han noch auf der DM3-Plattform basiert, die auch eine teilelektrifizierte Hybridversion ermöglicht, fährt der Seal auf einer kompromissloses BEV-Architektur samt neuer 800-Volt-E-Plattform-3.0-Architektur und einem komplexeren Federungssystem vor. An der Hinterachse arbeitet eine ausgeklügelte Kinematik mit fünf Armen für jedes Rad. Das Fahrwerk mit Doppelquerlenkern vorn, besagten Fünflenker-Hinterachse sowie den frequenzselektiven Dämpfern erledigt ihren Job sehr gut. Keine Frage: Der Seal beherscht nicht nur die sportliche Gangart, sondern erweist sich auch als sehr komfortabel. Der gefühlte Qualitätseindruck ist damit solide. Hier zeigt sich, dass BYD schon viele Jahre Erfahrung im Fahrzeugbau mit einbringen kann. Genau diese Expertise und das damit einhergehende hohe Qualitätsniveau dürfte nicht wenige Europäer mehr als überraschen. Soweit man hinter vorgehaltener Hand hört, auch nicht wenige Autoingenieure.
Technische Daten BYD Seal Excellence AWD - 2023
Hersteller: BYD
Karosserie: Sportlimousine mit 5 Sitzplätzen
Motor/en: zwei - ein E-Motor je Achse
Motor vorne: Asynchronmotor
Motor hinten: Permanentmagnet-Synchronmoto
Antrieb Allradantrieb
System-Leistung: 390 kW
Drehmoment: 670 Nm
Höchstgeschwindigkeit: 180 km/h abgeregelt
Beschleunigung (0-100 km/h) in s 3,8 Sekunden
CO2-Ausstoß (NEFZ/WLPT): 0 g/km
Batterietyp: LFP ( Lithium Iron Phosphate ) -BYD Blade Battery
Batteriespannung: 800 Volt
Maximale Speicherkapazität 82,5 kWh
Normverbrauch in kWh (WLTP) 18,2 kWh /100 km
Reichweite kombiniert: 520 km (WLTP)
Reichweite Stadt: 600 km (WLTP)
Schnellladeleistung (max.) Max. 150 kW DC
Schnellladezeit DC (Ladezeit 10% auf 80%) 37 min
Maximale Leistung des Bordladegeräts (AC): 11 kW
Vehicle-to-load (V2L) ja
Leergewicht 2.185 kg
Zulässiges Gesamtgewicht: k.A.
Kofferraumvolumen hinten 400 Liter
Gepäckraumvolumen Front (Frunk) 53 Liter
Länge/Breite/Höhe m. Dachträger/Radstand 4.800/1.875/1.460/2.920 mm
Batteriegarantie: 8 Jahre oder 200.000km
Fahrzeuggarantie: 6 Jahre oder 150.000 km
Testwagen vor BAFA 53.670 Euro
(UVP inkl. MwSt. & zzgl. Transportkosten)
Sicherheit: Volle 5 Sterne beim Euro NCAP-Test – Bilkdnachweis: Youtube-Video / Euro NCAP
Preis und Wert
Die Limousine startet zum Basispreis von 47.590 Euro vor Förderung. Hier ist dann bereits der große 82-kWh-Akku verbaut Die leistungsstarke Topversion mit Allrad steht ab 53.670 Euro in der Preisliste. Im Konfigurator sind vier Standard- und zwei Sonderlackfarben sowie sechs verschiedene Farbwelten für den Innenraum wählbar. Die Chinensen gewähren eine Garantie über 6 Jahre respektive max. 150.000 km sowie acht Jahre oder 200.000 Kilometer auf die Batterie (Garantiefall ab 70 Prozent Leistung). Das Pricing des Seal ist in Anbetracht der in Deutschland zum Teil verdeckten Rabattschlacht bei Elektroautos selbstbewusst. Ein VW ID.3 ist in Deutschland ab etwa 40.000 Euro erhältlich, ein Model 3 von Tesla startet ab etwa 43.000 Euro. Vielleicht möchte man der laufenden Wettbewerbs-Untersuchung der EU keine Nahrung liefern. Die Chinesen liefern bereits technisch gute Autos. Sind aber meist alles andere als ein Sonderangebot. Dies gilt insbesondere wen man dies mit den Preisen auf dem Heimatmarkt vergleicht. Bis 2024 möchte BYD mit rund 100 Händler-Standorten halbwegs flächendeckend in Deutschland aufgestellt sein. Zumeist als Zweitmarke bei etablierten und erfahrenen BMW- und Mercedes-Händlern.
Ein Herstellervideo von BYD demonstriert die Sicherheitsvorteile einer LFP-Bladebatterie im Vergleich zu einer NCM Lithium Batterie- Videonachweis: Youtube / BYD
Fazit: Tesla-Jäger mit Talent – aber auch (zu?) hohem Preis
BYD ist in Europa gelandet und gekommen, um zu bleiben. Als neuer OEM wird die Marke den europäischen Fahrzeugmarkt vielfältig bereichern. Darauf freuen wir uns. Der Seal hat uns äußerst positiv überrascht. Für ein abschliessendes Fazit war unsere Ausfahrt zu kurz. Insbesondere für die Beurteilung von Verbrauch und Lade-Eigenschaften benötigt man ein BEV länger zum Testen. Das Design, Technik und Fahreigenschaften sind exzellent. Auch der Preis in Anbetracht der Garantie ist voll okay. BYD verfolgt die Maxime Premium zu bezahlbar zu machen.
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