Premium-Anspruch zu einem attraktiven Preis
Die britische Traditionsmarke MG Motors ist eine Tochter der SAIC-Gruppe. Den meisten Autofans dürfte MG als ehemaliger britischer Sportwagenhersteller noch ein Begriff sein. Der Kfz-Hersteller wurde 2007 von der „Shanghai Automotive Industry Corporation“ übernommen und vertreibt seitdem Autos chinesischer Herkunft zu einem sehr spannenden Preis-Leistungsverhältnis. Die Muttergesellschaft von MG ist SAIC Motor (Shanghai Automobile Industry Corporation). SAIC Motor ist der siebtgrößte Autohersteller der Welt und war der erste Automobilkonzern in China dessen Jahresabsatz 7 Millionen Einheiten überstieg. Zu den mit SAIC Motor verbundenen Automobilunternehmen gehören Morris Garages (MG), Roewe und Maxus, aber auch SAIC Volkswagen, SAIC-GM und andere.
Beim MG Marvel R Electric handelt es sich mit einer Karosserielänge von 4,67 Metern um ein batterieelektrisches SUV im ausgewachsenen Mittelklasse-Format. Die drei Elektromotoren der von uns gefahrenen Performance-Variante ermöglichen eine kombinierte Systemleistung von 288 PS und 665 Nm. Mit seinem vielversprechenden Gesamtpaket, bestehend aus viel Platz und vollständiger Serienausstattung zu fairen Preisen, sollen nun auch in Europa die anspruchsvolle Premiumkundschaft überzeugen. Ob dem Marvel R das gelingen kann, haben wir in einem ausführlichen Fahrbericht erkundet.
MG Motors entwickelt seine Fahrzeuge auch mit Blick auf den europäischen Markt und dessen spezifischen Anforderungen. Ziel sei es nachhaltige, intelligente, funktionale und erschwingliche Fahrzeuge anzubieten. Die Designstudios in Shanghai und London arbeiten hierfür besonders eng zusammen. Die Fertigung der Fahrzeuge erfolgt in China, von dort aus wurde bereits in viele europäische Länder erfolgreich expandiert. Sich den Markennamen MG zu sichern ging mit der Absicht einher, dass die Marke MG vielen Europäern noch ein Begriff ist und den Markteintritt sicher erleichtern dürfte. Neben einem klingenden Namen müssen aber auch die Erwartungen an den Technologie-Stack und vor allem Design, Komfort und Sicherheit erfüllt werden. In Deutschland werden derzeit sechs Modelle über ein stetig wachsendes Händlernetzwerk vertrieben. Wie erfolgreich die Chinesen sind, läßt sich auch daran erkennen, dass sie im Oktober 2022 nun erstmalig 1% Marktanteil in Deutschland errungen haben. Tendenz stark steigend.
Der MG Marvel R ist das Topmodell der chinesischen SAIC-Tochter und präsentiert sich sehr eigenständig, modern und überaus dynamisch. Mit der Mischung aus progressivem Look und sehr auffälligen LED-Leuchteinheiten an Front und Heck punktet der Marvel R auch optisch und zieht die Blicke auf sich.
Die Konfigurationsoptionen haben die Chinesen geschickt einfach gehalten. Dadurch geht die Konfiguration leicht von der Hand und der Kunde erhält seinen Wunsch-MG Marvel R im Verhältnis zu Wettbewerbern sehr schnell vor die Tür. Zur Wahl stehen die beiden Versionen mit Heckantrieb (2 E-Motoren) und dem Allradler (3 E-Motoren) in der „Performance“-Version. Für unseren Fahrbericht haben wir den Marvel R mit Allradantrieb (AWD) in der Performance-Ausstattung gewählt.
Preislich positioniert sich der Asiate knapp unterhalb von Skoda Enyaq iV 80 und VW ID.4 Pro. Dafür verfügen die Fahrzeuge aus dem Volkswagen-Konzern auf MEB Plattform über einen 10% größeren Akku – MG hält mit einer besseren Grundausstattung dagegen.
Interieur
So schick das Exterieur, so gelungen ist auch das Interieur des MG Marvel. Es sorgt für einen Wow-Effekt. Das Platzangebot erweist sich vorne wie hinten als geräumig. Der Verstellbereich der elektrisch einstellbaren Leder-Sitze ist ausreichend. Unter anderem gehören elektrisch einstellbare, klimatisierte Teilledersitze sowie ein großes Glasschiebepanoramadach zur Serienausstattung.
Das Ambiente im Inneraum wird geprägt von haptisch und optisch angenehmen Materialien. Der Innenraum wirkt sehr hochwertig und ist mit viel Liebe zum Detail gestaltet worden. Der Mix aus Teillederbezügen und Chrom-Dekor verleiht dem Innenraum einen sehr luxuriöses Ambiente. Hauptaugenmerk zieht die „schwebenden“ Mittelkonsole auf sich, die einen gewaltigen Bildschirm in 19,4 Zoll beherbergt, über den sich Konnektivität, Navigation, Fahrzeugfunktionen, Infotainment und die Klimatisierung steuern lassen. Zudem ist die gesamte Assistenz namens MG Pilot serienmäßig. Die Online-Navigation beherrschte im Test neben Sehenswürdigkeiten auch Ladestationen entlang der Route anzuzeigen. Das Multimedia ist auf dem neuesten Stand. So zählen neben dem klangstarken Bose-Soundsystem, ein WLAN-Hotspot sowie eine Online-Navigation mit dazu. Die Berechnung der Routenführung erfolgt flott, darüber hinaus werden Ladestationen angezeigt und selbst die Smartphone-Integration gelingt kabelgebunden auf Anhieb unter Android wie auch Apple CarPlay.
Der gigantische Bildschirm ist übersichtlich gestaltet. Die üppig dimensionierten Kachel-Symbole lassen sich selbst während der Fahrt noch ablenkungsfrei bedienen. Viele Funktionen wie Sitzheizung oder Raumtemperatur lassen sich über Sprachbefehle steuern. Bei jedem Neustart überrascht die freundliche Stimme im MG mit einem neuen Gruss zum Fahrtantritt. Auch der lokalen Wetterbericht zur Begrüßung läßt sich einstellen.
Firmware-Updates erhält das System ,,over the air“. Eine iSmart-App unterstützt bei der Routenplanung, der Fahrzeug-Analyse, dem Orten des Wagens oder der Remote-Klimasteuerung. Unterhalb des Touchscreen befindet sich eine große Ablage inkl. USB-Ladeports. Unterhalb des Touchscreens ist der Drehregler für die Fahrtrichtungswahl positioniert.
Hinter der elektrisch öffnenden Heckklappe stehen 357 Liter Volumen zur Verfügung, die sich durch Umlegen der geteilten Rückbank auf bis zu 1.396 Liter vergrößern läßt. In Anbetracht der Abmessungen ist das kein besonders voluminöses Stauvolumen. Bei dem von uns gefahrenen Allradler entfällt zugunsten des zusätzlichen Elektromotor an der Vorderachse noch der Frunk. Auch ohne Frunk hat uns gut gefallen, dass die Motorhaube über ölgedämpfte Teleskoparme gehalten wird. Immerhin für Wischwasser muss man noch die Motorhaube öffnen.
Allrad-Antrieb über drei e-Motoren
Die Reichweite variiert zwischen 370 und 402 Kilometer. Den Marvel unterscheidet ein wichtiges Merkmal von seinen direkten Wettbewerbern Enyaq, ID.4, Q4, IONIQ 5 und EV6. Der Asiate verfügt über ein Zweigang-Getriebe an der Hinterachse. Diese Sonderlösung ist mit Aufwand und Kosten verbunden und wird deshlab im unteren Preissegment von vielen Herstellern vermieden. Nur wenige potente Elektrofahrzeuge wie der Porsche Taycan und Audi e-tron setzen ebenfalls auf einen zweiten Gang. Die Ingenieure beabsichtigen über diese Massnahme damit beim Marvel R Electric die Effizienz auch bei höheren Geschwindigkeiten hoch zu halten. Trotzdem ist die Gesamt-Effizienz nicht die ausgewiesene Stärke der Perfomance Variante.
Drei permanenterregte Synchronmaschinen
Drei Elektromotoren (zwei hinten, einer vorn) und eine Zweistufenautomatik sorgen auf Wunsch mit dem maximal anliegenden Druck von 665 Newtonmetern für kräftig Dampf und Fahrleistungen. Das Elektroauto beeindruckt mit einer raketenhaften Kraftentfaltung und extrem guten Allrad-Traktion. Den Null-Hundert-Paradesprint erledigt die 1,9 Tonnen schwere Performance-Variante in 4,9 Sekunden, wofür allerdings in den sportlichsten der vier zur Verfügung stehenden Fahrmodi geschaltet werden muss. Wer vom Normal-Modus in den Sport-Modus schaltet, wird mit einer nochmals geschärften Kraftentfaltung verwöhnt. Auf Wunsch endet eine weitere Beschleunigung erst bei Tempo 200. Damit ist der MG Marvel R auch schneller als die meisten anderen E-Autos seiner Klasse, wo meist schon bei 160 km/h oder 180 km/h dem Vorwärtsdrang von der Elektronik ein Ende gesetzt wird.
Der Hauptvorteil der Performance-Variante ist nicht die dynamische Mehrleistung und schon gar nicht die Höchstgeschwindigkeit, sondern die exzellente Traktion auch bei schlechten Straßenverhältnissen. Das Fahrwerkssetting ist ein guter Kompromiss aus Komfort und sportlicher Härte. Das Fahrwerk gleicht gekonnt lange wie kurze Wellen ordentlich aus, hält aber zuweilen Kanten und Schlaglöcher nicht immer vollständig von den Insassen fern. Die leichtgängige und sehr direkte Lenkung läßt zuweilen etwas mehr Rückmeldung von der Fahrbahn vermissen. Das Auto bewies auf den Testfahrten auch sein Talent zu ruhigem Reisen und punktet hier mit einem überaus niedrigen Antriebs- und Abrollgeräuschniveau. Selbst bei Autobahntempo dringen kaum Fahr- oder Abrollgeräusche in den Innenraum. Hier zeigt MG Premium-Qualität. Bei hohem Tempi liegt das asiatische BEV satt, sicher und gut beherrsachbar auf der Strasse. Allerdings nervte uns des öfteren der Spurhalteassistent, der das Fahrzeug mit vergleichsweise unharmonischen Lenkeingriffen zur Mitte der Fahrbahn zurückführen möchte. MG hat sich bewusst gegen das Anbieten eines One-Pedal-Drivemodus entschieden. Die Rekuperation ist über einen Taster in der Mittelkonsole in drei Stufen verstellbar. Für nennenswertes Verzögern bedarf es immer das Bremspedal.
Unser kombinierter Testverbrauch von knapp 21 kWh auf Winterreifen entspricht nahezu exakt dem WLPT-Normverbrauch. Die versprochenen 370 km Reichweite sind damit knapp in Schlagreichweite. Über 20 kWh jem hundert gefahrene Kiloimeter sind kein Ruhmesblatt aber in Anbetracht von Wintertemperaturen, Winterreifen und zügiger Fahrt noch in Ordnung.
Lade-Eigenschaften
Der Energiespeicher des MG Marvel R Performance hat eine Kapazität von 70,0 kWh (brutto: 72 kWh). Für das DC-Laden gibt MG Motors lediglich die Ladezeit in Minuten an (43 min. von 5–80 %) – aber eben nicht die Ladeleistung. Neben der Ladeleistung kommt es drauf an, wie lange das BEV eine Ladeleistung halten kann. Angesteckt bei einem SoC (State of Charge) von knapp 10 Prozent Restladung stieg die Ladeleistung schnell auf 92 bis 93 kW und hielt diese für 15 Minuten. ab 45% SoC, fiel die Leistung auf rund 78 kW und verblieb dort wiederum für weitere zehn Minuten bis knapp über 60 % SoC. Ein respektabler Wert, der aber von den MEB-Wettbewerbern des Volkswagenkonzerns mit > 130 kW deutlich übertrumpft wird. Mit Wechselspannung (AC) lädt der MG dreiphasig mit bis zu 11 kW.
Technische Daten MG Marvel R Electric AWD Performance 2022 | |
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Hersteller: | MG /SAIC |
Karosserie: | SUV-Crossover mit 5 Sitzplätzen |
Motor: | PMS-Motor (3x) hi.re, hi.li, vorne |
Getriebe | 2-Gang Automatik |
Antrieb | Allrad |
System-Leistung: | 212 kW / 288 PS |
Drehmoment: | 155 Nm hi.re 255 Nm hi.li 255 NM vorne Die drei Elektro- motoren ermöglichen eine kombinierte Leistung von 288 PS und 665 Nm |
Höchstgeschwindigkeit: | 200 km/h |
Beschleunigung (0-100 km/h) in s | 4,9 Sekunden |
CO2-Ausstoß (NEFZ/WLPT): | 0 g/km |
Batterietyp: | Lithium-Ionen |
Batteriespannung: | 400 Volt |
Maximale Speicherkapazität | 70 kWh |
Normverbrauch in kWh | 16,9 kWh /100 km |
Reichweite kombiniert: | 370 km (WLTP) |
Schnellladeleistung (max.) | Max. 92 kW DC |
Schnellladezeit DC (Ladezeit 5% auf 80%) | 43 min |
Vehicle-to-load (V2L) | Bis 2.5 kW |
Leergewicht | 1.920 kg |
Zulässiges Gesamtgewicht: | 2.373 kg |
Zuladung | 453 kg |
Kofferraumvolumen | 357 – 1.396 Liter |
Gepäckraumvolumen Front (Frunk) | kein Frunk (AWD) |
Länge/Breite/Höhe/Radstand | 4.674/1.919/1.618/2.804 mm |
Zul. Zuggewicht (gebr./ 12%) | 750 kg |
Fahrzeug- und Batteriegarantie: | Beides: 7 Jahre oder 150.000km |
Grundpreis Testwagen vor BAFA | ab mindestens 48.015 Euro vor staatl. Förderung zzgl. 1.250 Überführungskosten |
Testwagenpreis inkl. optionaler Zusatzausstattung vor BAFA | 49.015 Euro vor staatl. Förderung zzgl. 1.250 Überführungskosten |
Preise und Extras
MG Motors stellt den Marvel R in den beiden Ausstattungsvarianten Luxury und Performance zur Wahl. Beide haben den gleichen Akku, aber nur die Performance-Variante bietet den stärkeren Allrad-Antrieb. Abgesehen davon bestehen die größten Unterschiede in Komfort-Optionen und zusätzlichen Technik-Features. Die für das gehobene Modell mit Allradantrieb, mehr Leistung, aber auch weniger Reichweite steht im Konfigurator ab 48.015 Euro zzgl. Überführungskosten i.H.v. von 1.250 Euro. Die Umweltprämie der BAFA geht von dem Preis noch runter.
Serienmäßig an Bord sind LED-Scheinwerfer, Klimaautomatik, 18- bzw. 19-Zoll-Leichtmetallfelgen, Parksensoren und Sichtschutzglas. Außerdem: elektrisch verstell- und beheizbare Seitenspiegel, ein Panorama-Schiebedach, USB-Ports, Keyless Entry, ein Multifunktionslenkrad aus Leder, (Teil-)Lederpolsterung und ein sechsfach elektrisch verstellbarer Fahrersitz mit Memory-Funktion, eine 360-Grad-Kamera mit transparenter Chassis-Ansicht, eine sensorgesteuerte Heckklappenautomatik, Ambientebeleuchtung und beheizbare Vordersitze. Eine Belüftung der Sitze und das Audiosystem von Bose ist der Performance-Ausstattung vorbehalten.
Fazit: Ein paar kleine Nachteile – aber die Vorteile überwiegen
MG bzw. die Mutter SAIC gehört zu den chinesischen Herstellern, die ehrgeizig auf den europäischen Markt drängen. Mit dem neue Marvel R Performance will die Marke den nächsten Schritt gehen und hat dabei selbstbewusst den Premiumbereich fest im Blick. Der MG Marvel R Performance bietet mehr Komfort und eine bessere Verarbeitung als manch etablierte Marke auf dem europäischen Markt. Der gesamte Innenraum punktet mit einem gediegenen Ambiente und lädt zum Verweilen ein. Mit seinem vielversprechenden Gesamtpaket, bestehend aus genügend Platz und sehr vollständiger Serienausstattung zu fairen Preisen, vermag der Marvel auch den ein oder anderen Premiumkunden zu überzeugen. Sieben Jahre Garantie bis zu maximal 150.000 Kilometer Laufleistung sollen dem Kunden jeden Zweifel an der Qualität und Haltbarkeit nehmen.
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