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ADAC: Chinesische Autos voll auf Augenhöhe und ernstzunehmende Wettbewerber

BYD Seal Excellence - Bildnachweis: MOTORMOBILES

  

Verbesserungspotenzial bei Bedienung und Assistenzsystemen

Autos chinesischer Hersteller sind zunehmend präsent auf dem Markt. Insbesondere im Segment der Elektrofahrzeuge ist ihr Marktanteil in den letzten Jahren deutlich gestiegen. Etwa neun Prozent der batterieelektrischen Fahrzeuge in Deutschland stammen mittlerweile von Herstellern wie Nio, BYD und MG. „Es ist daher von großer Bedeutung, diese neuen Marken genauso gründlich zu untersuchen wie etablierte Hersteller – sei es durch Euro NCAP-Tests oder unsere eigenen Verbrauchertests“, betont Karsten Schulze, Technik-Präsident des ADAC, der das Thema auch auf der kommenden Hauptversammlung des Clubs (4. Mai 2024 in Bremen) diskutieren wird.

BYD Seal Excellence – Bildnachweis: MOTORMOBILES

Noch geringer Marktanteil – aber Stark wachsend vor allem bei E-Autos 

Die Ergebnisse der ADAC Autotests von 13 Modellen aus den letzten drei Jahren zeigen ein deutliches Bild: Chinesische Fahrzeuge sind ernstzunehmende und konkurrierende Wettbewerber und überzeugen in vielen Testkategorien. Bis auf zwei Ausnahmen erhielten alle Fahrzeuge im Euro NCAP-Crashtest die Bestbewertung von fünf Sternen. Auch im Ausweichtest schnitten die chinesischen Modelle gut ab, wobei insbesondere das ordnungsgemäße Funktionieren des ESP überprüft wurde. Viele europäische Fahrzeuge erzielten hier schlechtere Ergebnisse. Zudem attestierten die Experten des ADAC größtenteils eine gute Materialqualität und sorgfältige Verarbeitung von Karosserien und Innenräumen. „Unsere Tests zeigen: Chinesische Hersteller haben in den letzten Jahren deutlich aufgeholt und können mittlerweile mit etablierten Marken mithalten„, so Schulze.

Interieur BYD Seal Excellence – Bildnachweis: MOTORMOBILES

Ein wiederkehrendes Defizit besteht jedoch bei den Assistenzsystemen

Verkehrszeichenerkennung, Spurhalte- und Abstandssysteme funktionierten oft nur unzuverlässig. Hier profitieren europäische Hersteller von ihrer langjährigen Erfahrung mit diesen komplexen Systemen. Allerdings reagieren chinesische Hersteller schnell auf Kritik: In neueren Modellen, zum Beispiel von Nio, wurden die Systeme bereits deutlich verbessert.

Auch bei der Bedienung gibt es gelegentlich Probleme, was vor allem an der starken Ausrichtung auf Touchscreens liegt. Komplexe Menüstrukturen in Kombination mit träge reagierenden Displays, Softwarefehlern und fehlerhaften Übersetzungen führen häufig zu Schwierigkeiten bei der Steuerung von Klimaanlage, Navigation oder Unterhaltung.

Preislich liegen chinesische Modelle in der Regel unter denen europäischer Hersteller, oft um mehrere tausend Euro. Allerdings kann ein vermeintlich günstiges Fahrzeug später teurer werden, beispielsweise durch unerwartet hohen Wertverlust oder Reparaturkosten. Zudem ist das Händlernetz teilweise noch nicht so dicht wie bei etablierten Konkurrenten. Während Unternehmen wie BYD, Maxus und MG gut aufgestellt sind, ist es beispielsweise bei Aiways noch unklar, wie die Auslieferung neuer Fahrzeuge erfolgt. Für Wartungs- und Reparaturarbeiten kooperieren chinesische Hersteller häufig mit Anbietern wie ATU und Euromaster. Hier geht Nio jedoch einen eigenen Weg, ähnlich wie Tesla, indem sie auf mobile Servicepartner setzen.

Überschwemmung des europäischen Marktes kann nicht die Rede sein

Florian Hördegen, Leiter Fahrzeugtechnik im ADAC Technikzentrum Landsberg, widerspricht dem oft vermittelten Bild von einer „Überschwemmung des europäischen Marktes„: „Gemessen an den Gesamtverkäufen machen chinesische Pkw in Deutschland derzeit weniger als zwei Prozent aus.“ Die Grenze zwischen europäischen und chinesischen Herstellern sei ohnehin nicht mehr so klar wie vor einigen Jahrzehnten. Unternehmen wie BMW und Citroën fertigen beispielsweise einige ihrer Modelle komplett in China, und die Marke Smart ist in einem Joint Venture von Mercedes-Benz und Geely aufgegangen.