Elektrokleinwagen auf Italienisch
Seit Einführung des Ur-Fiat 500s vor 85 Jahren gilt er als die Ikone eines Kleinwagen mit italienischer Lebensart auf Rädern. Fiats erstes reines E-Auto sieht (fast) so aus wie Fiats bekanntester Verbrenner. Aber die Italiener haben den „Cinquecento“ (=“Fünfhundert“) batterielektrisch nochmal komplett neu erfunden. Der 500 entfaltet seinen Charme v.a. durch sein extrem gelungenes Retro-Design. Über all die Jahrzehnte konnte er sich eine treue Fangemeinde aufbauen. Deshlab bleibt das Design des 500e aus gutem Grund seiner Tradition treu. Wir haben den kleinen Chameur mit einer 42 kWh Batterie gefahren und gespannt, ob seiner Elektro-Qualitäten. Der neue 500 ist deutlich größer als sein Ur-Fiat 500, aber dennoch eher klein.
Der Kleinwagen präsentiert sich mit Rundungen und wirklich extrem kurzen Überhängen. Das zentrale „500“-Logo im Frontgrill und eine stark luftdurchlässig gestaltete Frontschürze verleihen der Frontpartie den beabsichtigten Niedlichkeitsfaktor. Die knubbeligen Scheinwerfer in LED-Technik und der Dachheckspoiler als sportive Note sind noch nicht alles. Am Heck präsentiert sich der Kleine mit neuen Rückleuchten in einer neuen modernen LED-Lichtsignatur. Die Beifahrerseite verfügt über keine B-Säule.
Interieur
Die Türen werden elektrisch per Knopfdruck entriegelt. Als Backup besitzen sie aber noch mechanische Öffner. Das Raumgefühl ist deutlich großzügiger als beim Vorgängermodell. Dennoch zählt das Raumangebot nicht zu den ausgewiesenen Stärken des Fiats. Doch es geht nicht nur um den zur Verfügung stehenden Raum, sondern auch um dessen möglichst intelligente und variable Ausnutzung. Und hier zeigt sich der neue 500 in der von uns gefahrenen Version 3+1 extrem stark. Insgesamt fühlt sich der Wagen trotz Kleinwagenniveau eine Wagenklasse größer an. Fahrer bis zu 1,9 Metern Größe finden eine angenehme Sitzposition.
Weil der 3+1 auf eine B-Säule verzichtet und sich beide Türen gegenläufig öffnen, ergibt sich ein einladend breiter Zustieg von der Beifahrerseite. Der Sicherheitsgurt spannt sich vom oberen Tür- bis zum unteren Sitzbereich, Um den Fondbereich zu erreichen, werden die vorderen Sitze mithilfe von Zugschaltern an den oberen Enden der Rückenlehnen nach vorn umgeklappt und gefahren. Verbesserungswürdig sind allenfalls die Rundumsicht, welche durch verhältnismäßig breite A- und C-Säulen eingeschränkt wird. Die Sitzbezüge sind aus einem Receycling-Material von Sequal bezogen, das aus recycelten Stoffen bestehen, die aus dem Meer gefischtem Plastik hergestellt wurden. Es stehen zwar vier Sitzplätze im Zulassungsschein, doch mehr als 2+2 Sitze sind bei 2,32 Meter Radstand schlichtweg nicht möglich. Im Fond muss man sich platztechnisch arrangieren. ISOFIX-Befestigungen sind bis auf den Fahrersitz auf allen Sitzplätzen zu finden. Die Rücksitze lassen sich bei Bedarf blitzschnell umklappen. Das digitale Radio DAB+ liefert einen respektablen Klang. Die Konnektivität über Android Auto und Apple CarPlay beherrscht das UConnect in der jüngsten Evolutionsstufe wireless ohne USB-Kabel. Über die Qi-Ladeschale läßt sich das Smartphone dann auch laden. Die nativ integrierte Navigation des 500e bedient sich Google-Maps und tut der Bedienung samt Routenführung spürbar gut. Auch die Sprachbedienung („Hey Fiat“) erfreute uns – wenn auch noch ausbaufähig – mit der einen oder anderen intelligenten Bedienfunktion. Sie versteht einige Befehle wie zum Beispiel das Erhöhen der Temperatur auf der Fahrerseite oder Sitzheizung und die steuerung von Radiosendern. Über die klar gegliederten Lenkradtasten ist ebenfalls eine Steuerung vieler Funktionen möglich. Das Zweispeichen-Lenkrad mit Lederbezug kann haptisch überzeugen, fasst sich gut an und liegt hervorragend in der Hand. Der 500 sammelt jede Menge Sympathieboni mit einer unglaublichen Liebe zum Detail. Das fängt an mit der Begrüßungsmelodie beim Fahrzeuganrollen oder die Silhouette des Fiat 500 in der Türverkleidung mit dem Hinweis auf den Herkunftsort Turin.
Für Komfort sorgen unter anderem eine elektrische Sitzverstellung mit Memoryfunktion, eine Klimaautomatik und das schlüssellose Zugangssystem. Irritiert waren wir anfänglich beim Verriegeln. Ist der wagen nun wirklich abgeschlossen? Es gibt kein Verrieglungsgeräusch ausser ein kurzen optionalen Hubton den man konfigurieren kann sowie optisch ein kurzes Blinkersignal. Hier sollte Fiat nachbessern. Der Kofferraum bietet mit seinen 185 Litern immerhin Platz für das Nötigste wie ein Typ-2-Ladekabel. Der neue 500 punktet mit vielen Ablagen – mehr als im Vorgänger. Ein Frunk vorne hat er allerdings nicht. Aber immerhin besteht die Möglichkeit des Umklappens der Rückenlehnen, um das Kofferraum-Volumen auf bis zu 550 Liter zu erweitern. Der Ladeboden verfügt dann zwar über einen Absatz. Dennoch lassen sich in dem Kleinwagen dann bedeutend sperrigere Gegenstände transportieren.
Elektro-Antrieb
Die Fahrstufen werden per Direkttasten gewählt und via E-Mode-Schalter in der Mittelkosole kann man auf insgesamt drei sinnvoll gestaffelte Fahrprogramme zurückgreifen. Dabei ist „Range“ der wohl interessanteste Fahrmodus, da hier das Gaspedal zum E-Pedal umfunktioniert wird und beim Gaswegnehmen sofort die Rekuperation – also die Bremsenergierückgewinnung – einsetzt. Dadurch steuert man den Großteil aller Fahrmanöver nur noch mit dem Gaspedal und benötigt das Bremspedal nach kurzer Gewöhnungszeit nur noch selten.
Normal: In diesem Modus kann der Fiat 500e seine volle Leistung und das maximales Drehmoment abrufen. Der 500e segelt, wenn man vom Gas geht und rekuperiert erst, wenn man auf die Bremse tritt. Sherpa: Dieser maximale Eco und Öko-Modus des 500e drosselt die Leistung und die Höchstgeschwindigkeit auf 80 km/h. Die Klimatisierung wird ebenfalls eingeschränkt. Ziel ist hier die Maximierung der Reichweite. |
Mit dem 42 kWh (netto) großen Stromspeicher kommt der Fiat (laut WLTP) 321 Kilometer weit. Fiat wirbt mit Reichweiten des Fiat 500e von bis zu 458 km in der Stadt. Das sind Werte, die man innerorts unter Idealbedingungen allenfalls im Sommer erreichen kann. Bei alltagsferner Extrem-Sparfahrweise ohne Klimaanlage. Wir fuhren den 500e im Winter auf kurzen und mittleren Strecken mit typischen Verbräuchen knapp unter 19 kWh. Damit kommt der elektrische Kleinwagen mit einer Ladung etwa 220 Kilometer weit. Nach einer Gesamtfahrleistung von 900 km, verzeichneten wir einen Durchschnittsverbrauch von 13,9 kWh/100 km. Der 500e läßt sich auf verschiedene Arten laden. An der heimischen Steckdose, per Typ-2-Kabel an einer Wechselstrom Wallbox oder am Gleichstrom-Schnelllader wie man ihn an der Autobahn findet.
Dank des unmittelbar anliegenden Drehmoments von 220 Newtonmetern läßt sich der 118 PS (87 kW) starke Fiat 500e agil beschleunigen. Gerade in der Stadt läßt sich sich der kleine mit guten Fahrleistungen flott und herrlich wendig bewegen. Der Testwagen bringt knapp 1,3 Tonnen auf die Waage. Auf den Akku entfallen rund 300 Kilogramm. Für den reinen Stadtverkehr geben die Italiener einen Wert von 441 Kilometern an.
Fiat spendiert seinem Kleinstwagen einen zweiphasigen Wechselstrom-Bordlader. Dieser beherrscht serienmäßig eine AC-Ladegeschwindigkeit von vergleichsweise schnellen 11 kW. Der CCS-Gleichstrom-Anschluss ermöglicht das Laden an deutlich flotteren Schnellladern. Das macht den Italiener bedingt langstreckentauglich. Wenn die Kapazität des 37,3 kWh großen Akkus erschöpft sind, läßt sich der Akku je nach Temperatur und SoC mit bis zu 85 kW am CCS-Schnelllader befüllen. Nach weniger als einer halben Stunde am Kabel kann es dann weitergehen. Auch wenn der Fiat so nicht zum ultimativen Langstrecken-Reiseauto wird – ein reines Stadtkind ist er damit nicht mehr.
Fahreigenschaften
Die Fahrwerksgeräusche bleiben unauffällig und der niedrige Schwerpunkt sorgt dafür, dass man den kleinen Italiener auch zackig um die Kurve fegt. Der Fahrkomfort, die Straßenlage und die Fahrleistungen sind überzeugend. Ebenso wie das gute Geräuschniveau sowie das einfache Handling. Die Feder-Dämpfer-Abstimmung ist straff, aber bei Unebenheiten dennoch nachgiebig. Allenfalls extrem kurze Stöße wie Querfugen reicht der 500 recht ungeniert an die insassen weiter. Zu bemängeln ist die leichtgängige aber etwas gefühlslose Lenkung. Dies ist aber wohlbemerkt ein Jammern auf hohem Niveau. Unangenehm zerrende Antriebseinflüsse konnten wir nicht feststellen. Die Fahrmodi beeinflussen nur den Antrieb. Ein Adaptiv-Fahrwerk bietet Fiat nicht an. Kleinere Wellen und Unebenheiten filtert das Fahrwerk gekonnt aus und verschont die Insassen.
Der Wendekreis von 9,70 Metern lassen Wendemanöver und Rangieren zum Kinderspiel werden. Der ausstattungsabhängige Co-Driver verspricht autonomes Fahren auf Level-2. Der Assistent hält den 500e automatisch in der Mitte der Fahrspur und auf Abstand zum Vordermann. Zudem passt er die Geschwindigkeit an die jeweils geltende Höchstgeschwindigkeit an. Übrigens musiziert das Auto gerne. Bei ungefähr 20 Stundenkilometer ertönt eine Melodie.
Technische Daten Fiat 500 3+1 Icon - 42kWh | |
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Hersteller: | Fiat |
Karosserie: | Kleinwagen |
Motor: | Permanentmagnet-E-Motor |
Getriebe: | 1-Gang Automatik |
Antrieb: | Frontantrieb |
Leistung: | 87 kW / 118 PS |
Drehmoment: | 220 Nm |
Von 0 auf 100: | 9,0 s |
Höchstgeschwindigkeit: | 150 km/h |
Maximale Reichweite nach WLTP, kombiniert (km) | 307-314 km |
Maximale Reichweite nach WLTP, innerorts (km) | 438-447 km |
Wendekreis: | 9,7 Meter |
Kofferraum: | 185 bis 550 Liter |
Zulässige Zuladung ohne Fahrer | 400 kg |
Leergewicht | 1.395 kg |
Zulässiges Gesamtgewicht | 1.795 kg |
Batterie-Kapazität (brutto) | 42 kWh |
Batterie-Kapazität (netto) | 37 kWh |
Nennspannung AC/DC | bis zu 400 Volt |
Gewicht der Batterie | 294 kg |
Länge/Breite/Höhe/Radstand: | 3.632/1.900/1.527/2.322 mm |
Basispreis Testwagen: | ab 31.560 Euro |
Preis Testwagen: | ab 37.950 Euro |
Preise und Extras
Je nach Karosserieversion gibt es bis zu vier Ausstattungsvarianten. Als „Action“, „Red“, „Icon“ und „La prima“ lassen sie den Basisppreis je nach Ausstattung um bis zu 9.000 Euro erhöhen. Mit dem getesteten Elektro-Antrieb startet der reguläre Dreitürer bei 26.790 Euro in der Version Action mit kleinerer 23,8 kWh Batterie. Der von uns gefahrene 3+1-Türer berechnet Fiat mit einem Aufpreis in Höhe von 2.000 Euro Aufpreis). Mit Stoffkapuze als Cabrio beträgt der aufpreis 3.000 Euro Aufpreis. Diese Modelle gibt es ohnedies nur mit E-Antrieb.
Unser Testwagen mit „Icon“-Ausstattung startet ab mindestens 30.990 Euro. Einige weitere Optionen bestehend aus fünf Paketen, einer Dreischichtlackierung, 17 Zoll-Felgen, Winterpaket sowie der induktiven Ladestation erhöhen den Testwagenpreis vor BAFA-Förderung auf 37.950 Euro.
Fazit: Moderner Elektro-Chameuer bleibt seinem Retro-Design treu
Der Fiat 500 hat uns als Elektroversion wirklich positiv überascht. Der Fiat 500 e ist ein pfiffiges, kleines Stadtauto. Technisch braucht sich der Fiat 500 e nicht zu verstecken. Er liefert Aktualität bei seinen Assistenzsystemen und sein Infotainmentsystem mit 10,25 Zoll großem Touchscreen ist übersichtlich und bietet zudem kabellose Android Auto– sowie Apple CarPlay-Anbindung. Die Italiener haben den Cinquecento umfassend und gekonnt modernisiert. Das fängt bei den eingesetzten Materialien und Oberflächen an, die sich deutlich hochwertiger als im Vorgänger präsentieren und geht über die Fahreigenschaften. Punkten kann der batterielektrische 500 zudem mit einer Ladeperformance, die ihn von den anderen Kleinwagen wohltuend abhebt. In der von uns gefahrenen Version mit großer 42 kWh Batterie und einem gewissen Schnelllade-Talent beherrscht er zur Not sogar mittlere Langstrecken. Seine direkten Wettbewerber wie den Twingo Electric, Smart EQ oder auch VW e-Up verweist der Fiat in der von uns gefahrenen Ausstattungsversion auf die Plätze. Mit seinem vollelektrischem Antrieb samt mittlerer Reichweite und genügend Leistung, kann er sich gegen sämtliche Wettbewerber im Kleinwagensegment behaupten. Auch beim Fahrwerk, der Sitzposition und dem Bedienkonzept punktet der neue elektrische 500. Dazu ist der kleine Flitzer laut Fiat das erste Citycar, das autonomes Fahren auf Level 2 beherrscht. All diese Faktoren wirken sich positiv auf die Zulassungsstatistik aus. Die Fortsetzung der Erfolgsstory des Fiat 500 ist also vorerst gesichert.
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