Deutschland ist Kombiland
Auch Jaguar schwimmt mit seinen Typen F-, E- und i-Pace erfolgreich auf der SUV-Welle. Umso überraschender ist da das Comeback: Obwohl er vehement verleugnet wurde, gesellt sich seit Oktober zum Stufenheck wieder das Kombimodells XF Sportbrake. Damit möchte Jaguar der etablierten deutschen Konkurrenz wie Audi A6 Avant Mercedes E-Klasse und BMW 5er Kunden abspenstig machen. Wir hatten nun im Taunus nahe Frankfurt auf Einladung von Jaguar -Land Rover Gelegenheit zu einer kurzen Ausfahrt. Der neue britische Luxusfrachter im Kurztest.
Kombi für die Business-Klasse
Kombis spielen in Großbritannien eher eine Nebenrolle. Vom dominierenden Flottenmarkt werden eher Stufenheck-Limousinen nachgefragt. Aber im Rest Europas sind Kombis dann allerdings doch noch immer enorm wichtig. Gerade in Deutschland, dem bedeutsamsten europäischen Auslandsmarkt für Jaguar, beträgt die Kombi-Quote rund 60 Prozent. So sehr die Briten damit hadern, musste dann doch ein Derivat der Limousine mit erweitertem Ladeabteil her. Was für uns Deutsche wie „Sportbremse“ klingt nutzen die Briten gerne zur Bezeichnung ihrer sportlichen Kombis. Als Basis dient der Jaguar XF. Zu Preisen an 43.960 Euro kommt der knapp fünf Meter lange Transportkünstler jetzt auf den Markt. Der Kombi wirkt wie aus einem Guss und nicht wie eine Limousine mit aufgesetztem Ladeabteil. Auch wenn der XF Sportbrake bis zur B-Säule der Karosserie identisch mit der Limousine ist. Erst danach gehen die Linien neue Wege: Die Fensterlinie senkt sich, verleiht der Karosserie Dynamik, auch wenn das zu Lasten des Ausblicks der Fondpassagiere geht. Auf den ersten Blick mag man den neuen XF Sportbrake für den Vorgänger halten – aber das täuscht. Die Briten haben ihren Stil mit hoher Wiedererkennung und fortgesetzter Designtradition gefunden. Mehr noch als mit seinem Dimensionen beeindruckt die optische Gestaltung des Heck. Hier ist den Briten ein großer Wurf mit viel Finesse gelungen.
Wichtig im Vergleich zu den direkten Wettbewerbern wie dem Audi A6 Avant, BMW 5er Touring und Mercedes E-Klasse T-Modell oder Volvo V90 ist die Frage nach dem Platzangebot. Hier kann Jaguar trotz einer unverändert 4,96 Meter langen Karosserie mit einem um fünf Zentimeter auf 2,96 Meter verlängerten Radstand für mehr Knieraum im Fond punkten.
Auch funktional vermag der XF überzeugen und glänzt mit klassischen Kombi-Tugenden wie der einer hohen Anhängelast. Vor allem die allradgetriebenen Versionen (Aufpreis etwa 2.500 Euro) können stattliche 2.000 Kilogramm an den Harken nehmen. Das reicht sogar für mittelgroße Sportboote oder einen Anhänger für zwei Pferden oder einen schwergewichtigen Caravan. Einzigartig ist die elektrisch ausfahrbare Anhängerkupplung, die sich über den Touchscreen im Cockpit bedienen läßt.
Interieur
Im Interieur punkten die Briten mit einer gelungenen Balance zwischen Stil und Platz. Es ist halt ein Sportbrake und kein langweiliger Kombi. Hier haben die Interieur-Designer gute Arbeit geleistet. Zur Erhaltung der Schönheit wurde nicht jedes Quentchen Raum genutzt. Zwar geht dadurch geringfügig Nutzwert bzw. Rauminhalt verloren – aber dafür präsentier sich der XF Sportbrake nicht als verwinkeltes Nutzfahrzeug, sondern behält seine Klasse mit Stil. Gerade im Fond geht es im Kombi einfach bequemer zu als in der Limousine. Den Fondpassagieren ermöglicht der Sportbraken einen bequemeren Einstieg durch den größeren Türausschnitt. Aber auch während der Fahrt gesteht die Kombivariante den Passagieren im Fond im Vergleich zur Limousine etwas mehr Kopffreiheit zu. Im XF-Cockpit wird sich ein Fahrer, auch wenn er bisher keinen Jaguar fuhr, schnell zurechtfinden. Der XF Sportbrake präsentiert sich auf der Höhe der Zeit verfügt über ein ein volldigitales Cockpit mit animierten Instrumenten und großem Touchscreen samt eigenem App-Store.
Der Stauraum ist auf 565 Liter gewachsen. Nach umklappen der dreigeteiten (40:20:40) Rückbanklehne läßt sich der Stauraum auf bis zu 1.700 Liter vergößern. Beachtlich auch die maximale Ladelänge von dann knapp zwei Metern. Ergänzt wird der Stauraum durch viele zusätzlicher Staufächer in den glatten Seitenwänden und unterm ebenen Kofferraumboden. Raumökonomie und Variabilität sind vorbildlich. Das Umklappen der Rückbanklehne funktioniert unter anderem per Fernentriegelung und dank einer serienmäßigen Dreiteilung ) kann man zudem recht flexibel auf unterschiedlichste Fahrgast- und Ladegut-Szenarien reagieren. Gut gelöst sind auch die serienmäßige elektr. Heckklappe, die sich gegen Aufpreis auch mit einer speziellen Fußbewegung öffnen lässt. Viele kennen das Problem einer Garage mit niedriger Deckenhöhe. Hierzu läßt sich die Öffnungshöhe der Klappe limitieren um Kratzer am Deckel zu vermeiden. Und noch eine Sensorsteuerung ist höchst progressiv. Dem intelligenten Schiebedach genügt ein Wink, schon öffnet oder schließt sich das Rollo des angeblich längsten Panoramadach am Markt.
Praktisch sind zudem das optionale Schienensystem zum Arretieren von Ladegut, Taschenhaken, eine 12-Volt-Steckdose nebst der sich zusammen mit der Heckklappe öffnende Gepäckraumabdeckung. Hier vermisst der Kunde nur eine Verstaumöglichkeit wie etwa beim 5er BMW.
Antrieb
Für den Edellaster stehen fünf Motorisierungen zur Wahl. Hier orientieren sich die Briten an den Bedürfnissen der Flottenkunden, die weniger der aktuellen Stimmungslage um Stickoxide-Emiussionen als den Anforderungen der Flottenkunden gerecht werden. Es stehen gleich vier Diesel im Leistungsspektrum von 163 bis 300 PS zur Wahl. Aber immhin gibt es nun endlich auch einen Benziner, einen 2-Liter-Turbo-Vierzylinder mit 250 PS. Beim Vorgänger gab es für den Sportbrake übrigens gar keinen Benziner. Ein 300 PS Benziner wird nächstes Jahr folgen.
Angetrieben vom 2,0-Liter-Ottomotor mit 250 PS und 350 Newtonmetern Drehmoment erledigt der 1,8-Tonner den Null-Hundert-Paradesprint in gut sieben Sekunden. Eine weitere Beschleunigung endet auf Wunsch erst bei der Höchstgeschwindigkeit von 241 Stundenkilometer. Die Kraft überträgt die serienmäßige Automatik. Den Normverbrauch gibt Jaguar mit 6,8 Litern. Unser Testverbrauch mit flotter Fahrweise betrug knapp über 10 Liter. Wer sparsam unterwegs sein möchte muss dann doch auf die Diesel zurückgreifen. Die Selbstzünder können zudem mit ihren bereits ab 1.500 Touren anliegenden Drehmoment-Punch von 500 Newtonmetern deutlich mehr längsdynamische Fahrfreude bereiten als der etwas verhaltene Benziner.
Fahreigenschaften
Beim Fahrgefühl gleichen sich Sportbrake und Limousine. Die wenigen Kilogramm Mehrgewicht sind kam zu spüren. Alle Sportbrake-Versionen verfügen an der Hinterachse über eine Luftfederung, die für einen perfekten Niveauausgleich sorgt. Gerade im Anhängerbetrieb oder bei voller Beladung dürfte sich dies sehr positiv auswirken. Dem XF Sportbrake läßt sich ein sehr ausgewogenes Fahrverhalten attestieren. Ein hervorragender Geradeauslauf sind die Folge. Trotz seines agilen Art wird der Komfort zuweilen geopfert. Die sehr kurz ausgelegte Federung absorbiert nicht immer alle Unebenheiten. Viele lieben aber auch diese sportliche Härte. Insgesamt ist den Briten aber immer noch ein sehr guter Kompromiss aus sportlicher Härte und Komfort gelungen. Die Lenkung vermittelt genügend Präzision.
Technische Daten Jaguar XF Sportbrake 2.5t RWD | |
---|---|
Hersteller: | Jaguar |
Karosserie: | Kombi |
Motor: | 2.0 Liter Benzin RWD mit Single Twin-Scroll-Turbolader |
Getriebe | 8-Gang Automatik |
Antrieb | Heckantrieb (RWD) |
Hubraum: | 1.997 ccm |
Emissionsklasse | Euro 6 |
Energieeffizienklasse | B |
Leistung: | 184 kW/ 250 PS bei 5.500 Umdrehungen pro Minute |
Drehmoment: | 365 Nm zwischen 1.200 und 4.500 Umdrehungen pro Minute |
Von 0 auf 100: Handschalter | 7,1 s |
Höchstgeschwindigkeit: | 241 km/h |
Verbrauch (ECE) | 6,8 Liter |
CO2-Ausstoß | 155 g/km |
Kraftstoff: | Benzin |
Wendekreis | 11,7 Meter |
Leergewicht | 1.728 kg |
Kofferraum | 556-1.700 Liter |
Tankinhalt | 74 Liter |
Leergewicht/Zuladung | 1.760kg/550kg |
Länge/Breite/Höhe/Radstand | 4.955/1.880/1.496/2.960 mm |
Basispreis (Pure) | 51.060,- Euro |
Testwagengrundpreis (R-Sport) | 56.060,- Euro |
Extras
Die Briten bieten fünf Ausstatungsvarinaten an:
- XF Sportbrake Pure
- XF Sportbrake Prestige
- XF Sportbrake Portfolio
- XF Sportbrake R-Sport
- XF Sportbrake S
Los geht es für den Sportbrake in der Pure Variante E-Performance mit 43.960,- Euro. Die Preise der Benziner-Variante beginnen bei 51.060 Euro (Pure) und bewegen sich damit jeweils immer etwa 2.500 Euro über denen der Limousine. Es gibt ein Heer von größtenteils aufpreispflichtigen Assistenzsystemen und elektronischen Helfern wie beispielsweise die Verkehrszeichenerkennung mit adaptiver Geschwindigkeitsbegrenzung (334 Euro) oder ein Head-up-Display (1.333 Euro ) bis hin zu einem neuen Müdigkeitswarner. Neu, und nur im XF-Kombi erhältlich, ist ein Ionisierer (136 Euro), der die Innenraumluft verbessern soll. Rückfahrkamera sowie Sensoren an Front und Heck lässen sich Briten mit 1.156 Euro vergüten. Ein optisches Highlight ist das 1,6 Quadratmeter große Panoramaglasdach (1.405 Euro). Im Angebot ist hierfür ergänzend eine Gestensteuerung für das Rollo vor dem Panoramadach sowie für die Heckklappe (131 Euro).
Fazit: Deutlich mehr Platz zu einem geringen Aufgeld
Für den wichtigen europäischen Markt baut Jaguar wieder einen Kombi. Um im Marktsegment der prestigeträchtigen Geschäfts- und Firmenwagen ein gehöriges Wörtchen mitreden zu könnnen, genügt es heutzutage nicht mehr, eine Limousine anzubieten. Jaguar punktet bei der Neuauflage des XF Sportbrake mit einer in jeder Hinsicht gelungenen Kombination aus Platz und Sportlichkeit, leistet sich aber auch einige kleine verzeihliche Schwächen. Alles in allem ist die Rückkehr des XF Sportbrake dennoch gelungen. Der Aufpreis von ungefähr 2.500 Euro gegenüber der Limousine sind gut investiert. Der Sportbrake bietet bei einer unveränderten Länge von 4,96 Metern nicht nur deutlich mehr Platz als die Limousine, sondern zieht auch optisch an der Limousine vorbei.
Im Vergleich mit der etablierten deutschen Konkurrenz tut sich der Jaguar dennoch schwer. Zwar verfügen Audi, BMW und Mercedes eventuell nicht über so viel Stil und sportlichem Zuschnitt. Aber sie sind im Schnitt geräumiger und in vielen Details praktischer oder perfektionierter.
Gerade den Käufern, die mit dem Gedanken spielen sich einen F-Pace anzuschaffen, könnte der XF Sportbrake als Alternative dienen. In Zeiten des SUV-Hype ist der Kombi zweifelsohne eine elegante (und vernünftige) Alternative. Er ist abgesehen von der Sitzhöhe mindestens so praktisch, deutlich fahrdynamischer und trotzdem sparsamer und günstiger in der Anschaffung. Kurzum: Es muss nicht immer ein SUV sein.
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